Cassandras Kopfkino
WINNETOU
cassandra, Montag, 1. November 2004, 21:44
Filed under: Erinnerungen
Da heute offensichtlich Winnetou Tag auf Kabel 1 ist, möchte ich an dieser Stelle der ersten großen Liebe meines Lebens gedenken.
Hilfe, was habe ich ihn vergöttert, diesen Mut, seine Großzügigkeit (immerhin hat er die Liebe seines Lebens für den Frieden zwischen den Weißen und den Indianern geopfert), seinen Instinkt, seine unendliche Menschenliebe. Es gab damals keinen anderen Mann, den ich derart bewundert habe. Abgesehen von Old Shatterhand. Als kleines Mädchen träumte ich davon, mit den beiden Herren in wilder Ehe zusammenzuleben. Ihre Freundschaft hätte eine Beziehung mit der selben Frau zweifelsohne verkraftet. Ich brachte mir "indianische" Verhaltensweisen bei. Lief mit besonnener, keine Gefühle offenbahrender Miene durch die Gegend, die meine Umwelt aus Unwissenheit als kindliche Arroganz interpretierte.
Eines Tages schrieb ich Winnetou (oder besser seinem Vertreter in der Realität, Herrn Brice) einen langen Brief. Ich hatte gehört, dass er Geburtstag hatte und deshalb schickte ich ihm meine Glückwünsche und stellte ihm ein Dutzend Fragen. Old Shatterhand ist eines Tages verarmt und unbekannt auf einer Straße in den USA zusammengebrochen und gestorben. Ich wollte wissen, wie Winnetou mit diesem Verlust umging, ihn verkraftete, was nun aus ihm, ohne die Unterstützung durch den geliebten Freund werden würde. Die Antwort erlangte mich einige Wochen später. Begierig riss ich den Umschlag auseinander. Darin steckte ein unterschriebenes Foto von einem alten, abgehalfterten Mann mit zotteligen Haaren und ein Werbeprospekt für die Karl-May Festspiele in Bad Segeberg. Das war das Aus. Von da an wandte ich mich eher realen Männern zu.
Da ich alle Karl May Bücher gelesen, alle Filme hunderte Male gesehen und Winnetou meine zarte junge Liebe derart mit Füssen getreten hat, werde ich jetzt Fahrenheit 9/11 sehen.

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elmore, Dienstag, 2. November 2004, 12:06
Ein paar Infos...
Lex Barker hat, wie ich später lesen mußte, während der McCarthy-Zeit fröhlich linke Schauspieler denunziert. Pierre Brice erzählte in der letzten Wochenendausgabe der Süddeutschen, wie gut er mit Lex Barker befreundet gewesen sei, wie sie Autorennen gefahren seien auf Landstraßen und er dabei einen Unfall gebaut habe. Lustig, nicht wahr? (*würg*) Und Karl May ist zwar der Edelmensch schlechthin, stellt aber beispielsweise Schwarze wie den armen Bob, wie ich bei Jahrzehnte später erfolgtem Neulesen einiger Bücher feststellen mußte, als geistig minderbemittelte augenrollende Frohnaturen dar - aber herzensgut sans, die Schwoazen, da kamma nix soagn. - Na ja, aber trotzdem bedaure ich, daß ich Winnetou heute nicht sehen kann. Was lernt uns das: Eine schöne Fassade überzegut häufig auch dann noch, wenn man weiß, wie's dahinter aussschaut.

Danke
für die ernüchternden Worte. ;-)
Manchmal tendiert man dazu, sich in einem Abbild der Realität zu verlieren und ignoriert die Anzeichen, die das ganze als Trugbild entlarven, weil man die Wahrheit gar nicht wissen will. Ich habe gerade gestern abend etwas über Wirklichkeit gelesen. Das war sehr interessant, ich bekomme es nur nicht mehr ganz hin. Es ging darum, dass es keine Wirklichkeit gibt. Wie Blinde irren wir durch einen Wald voller Bäume. Wenn wir gegen einen Baum rennen, wissen wir, dass es dort ein Hindernis gibt. Wenn wir den Wald passieren, ohne irgendwo gegenzustossen, denken wir die Wirklichkeit des Waldes begriffen zu haben, was jedoch nicht der Fall ist, da wir immer noch nicht im geringsten wissen, wie der Wald tatsächlich beschaffen ist.
Oh, ich glaube, ich schweife gerade ganz doll vom Thema ab...
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