AUF DER SUCHE NACH DEM GEISTIGEN NASS
cassandra, Montag, 25. August 2008, 23:25
Filed under: Aus dem Leben einer Tussi
Gooooootttt. Was für ein Schrecken an einem geruhsamen, freien Montagnachmittag, wenn einem das entsetzliche Bewusstsein, dass im heimischen Kühlschrank gänzliche Leere herrscht, vom Sofa hochfahren lässt.
Nahrungsmittel sind vermutlich überbewertet und man kann sicherlich auch einmal einen Tag ohne selbige ausharren. Aber die Abwesenheit von Wein, und somit das Versprechen, den perfekten Gammeltag ausheimeln zu lassen, ist einfach vollkommen inakzeptabel.
Notgedrungenermassen warf ich also den Bademantel fort und mich selbst in Unnerbüks, Jeans und T-Shirt. Zu meinem Bedauern kenne ich nur einen einzigen Weinladen in meiner Heimatstadt. Da dieser arg in der Nähe meiner Arbeitsstätte angesiedelt ist und ich aus unterschwelligen Gründen keine große Lust verspürte, an meinem freien Tag den selben Weg zurückzulegen, den ich Tag ein und Tag aus absolviere, fuhr ich blind drauf los. Ich hätte zuvor natürlich mal das Internet konsultieren können, aber in meiner Panik und meinem Entsetzen war ich vollkommen unfähig zum praktischen Denken.
Ich fuhr also 2 mal quer durch die Stadt. Sehr zum Unwollen meiner Mitautofahrer bewegte ich mich dabei mit 30 km/h, aber man kann ja wohl kaum von mir verlangen, links und rechts nach Weinhandlungen Ausschau zu halten und gleichzeitig auf den Strassenverkehr zu achten. Nach langem, erfolglosem Suchen gab ich fast auf und beschloss, eine in der Nähe meiner Wohnung gelegene Einkaufsstrasse aufzusuchen. Der einzig freie Parkplatz in jener Strasse war dann auch – man preise an dieser Stelle den Zufall – vor einem kleinen Heimwerkerbaumarkt, der neben dem üblichen Baumarktkram doch tatsächlich hochpreisige Küchenutensilien (ich vermutete an dieser Stelle, dass das Ladenkonzept zwei-geschlechtlich aufbereitet war – während er sich eine Handkreissäge aussucht, kann sie in aller Ruhe das riesige Kochlöffelsegment bestaunen) und Weine deutscher Herkunft anbot. Die Auswahl war wirklich enorm. Ca. 400 verschiedene Weine wurden offeriert, doch, zu meinem Bedauern, eben lediglich aus deutschen Landen.
Nun muss ich zu meiner Verteidigung erklären, dass ich überhaupt keine Ahnung von Weissweinen habe. Noch weniger von deutschen Weissweinen. Aber momentan bin ich roten Weinen ein wenig überdrüssig und deshalb offen für neue Erfahrungen.
Lächelnd und bereit, mich diesen neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen zu zeigen, bat ich deshalb die Verkäuferin um eine Kaufempfehlung.
Ich klärte sie über mein Unwissen auf und gab ihr ein paar geschmackliche Anhaltspunkte. Leicht müsse er sein. Ich mag einen guten Chardonnay oder einen französischen Sancerre. Seit neustem habe ich die Rebula Traube für mich entdeckt. (Dazu später mehr.) Ich vermute, das einzige Wort, was sie während meines Monologes vernahm, war Chardonnay und so drückte sie mir einen selbigen in die Hand. Ich erwähnte kurz, dass ich sicher gehen möchte, dass ich keinen moussierenden Wein erstehe, da Chardonnays die Tendenz dazu aufweisen. Als die gute mich darauf hinwies, dass sie mir garantiere, dass dieser Chardonnay ganz sicher nicht nach Muskat schmecken würde („das wäre dann ja ein Muskatwein und kein Chardonnay“) gab ich auf und machte mich mit der empfohlenen Flasche auf den Heimweg.
Just in diesem Augenblick komme ich in den zweifelhaften Genuss dieses Weines und muss sagen: zu sauer, zu fruchtig und leicht mit Kohlensäure versetzt.
Immer wieder laufe ich in die selbe Falle. Bilde mir ein, dass ich zu meinem Unwissen stehen müsste und mein Vertrauen den Herren und Damen schenken müsste, die – ob in einem Geschäft oder einem Restaurant – die Aufsicht über eine schier überwältigende Masse an Weinflaschen haben. Vermutlich denke ich, dass die sich sicherlich im Laufe vieler Abende durch das ganze Sortiment getrunken haben und wissen, was sie da verkaufen.
Dabei war ich doch gerade erst vor kurzem mit diesem Vertrauen auf die Nase gefallen und hatte geschworen, nur noch meinen eigenen Instinkten zu trauen.
Vor kurzem weilte ich nämlich zum Zwecke von Dreharbeiten in Slowenien.
Diese eine Woche zwischen Rumreisen und Filmaufnahmen beglückte mich mit zwei Erkenntnissen: es gibt sehr schlechte und sehr gute Weine in Slowenien und slowenische Kellner sind ausgesprochen dominant. Letzteres war der Grund dafür, dass ich nicht selten mit meiner besserwisserischen und leicht schnippischen Art aneckte und es mir fast jeden Abend gelang, die gastronomische Belegschaft gegen mich aufzubringen.
Der arme junge Kerl in einem stark touristisch-angehauchten Etablissement mit Aussenbereich trug noch am wenigsten zu diesen Erkenntnissen bei. Auf meine Frage, was es denn für Wein gebe, antwortete er „rot“ und „weiss“. Nach nochmaligem Nachbohren rückte er dann vollkommen verdattert noch die Varianten „süß“ und „trocken“ heraus. Den trockenen Weissen hätte ich nach dem ersten Schluck am liebsten in den an die Terrasse angrenzenden See gegossen, aber da Slowenien zur EU gehört, hätte mir dann vermutlich eine Anzeige wegen Grundwasserverschmutzung gedroht.
In einem wesentlich feineren Lokal mit eigener Weinkarte, die ihr Sortiment von slowenischen Weinen über 12 Seiten verteilt anbot, bat ich den Kellner um eine Empfehlung. Aber ein richtig guter müsse es sein, warf noch einer meiner Begleiter in die Runde. Der Kellner kehrte mit einer Flasche zurück, die sich doch laut Etikett tatsächlich „Spargel“ nannte. Wirklich. Genauso wie die deutsche Bezeichnung für diese eierschalenfarbenen, länglichen Stangen, die man im Frühsommer so gerne mit Schinken und dicker Sosse isst. Das in leuchtenden Orangetönen designte Etikett gab dann auch schnell Aufschluss. Worüber wage ich nicht zu interpretieren, aber zumindest waren dort Spargelstangen aufgemalt. Als der Kellner dann den Verschluss mit großer Eleganz aufschraubte, fragte ich vorsichtig, ob dies denn wirklich ein „guter“ slowenischer Wein wäre. Der beste, wurde mir versichert. Ich kostete und ... gab kleinlaut zu, dass er mir nicht schmecken würde. Vielleicht solle lieber jemand anderes am Tische probieren.... Das hätte ich nicht sagen dürfen. Wutentbrannt wurde ich angeherrscht, was mir denn an dem Wein nicht gefallen würde. Ich wies noch einmal höflich darauf hin, dass er mir nun mal nicht schmecken würde, aber vielleicht den anderen und dann könnten die ja ... Er unterbrach mich. Mit hochrotem Gesicht schnauzte er: „Du haben überhaupt Ahnung von Wein? Was Du wollen? Süßen Wein oder was?“ Bevor es zu Handgreiflichkeiten kam, erklärten wir uns bereit, den Wein zu trinken und bestellten sicherheitshalber eine andere Flasche nach dem Augen zu, Finger drauf-Prinzip. Im übrigen hat sich in solchen Fällen (und voraus gesetzt, dass man nicht derjenige ist, der bezahlen muss und man sich in Slowenien (oder Südamerika) aufhält, wo Weine nicht so teuer sind) auch das Prinzip, den zweit-teuersten Wein auf der Karte zu bestellen, bezahlt gemacht.
Bereits am nächsten Abend entführte ich meine Kunden in eines der wohl angesagtesten Restaurants Ljubljanas. Ein fein gekleideter Kellner rauschte strahlend an unseren Tisch und klärte uns erst einmal über das Restaurant-Konzept auf. Hier gebe es keine Speisekarten, wurde uns mitgeteilt. Jeden Tag ging man auf den Markt, um frische Zutaten einzukaufen und dann wird serviert, was auch immer gerade da wäre und was nach Meinung des Kellners gut zueinander passen würde. Da wir so viele wären (6 Personen), würde es bei uns Sinn machen, dass alle das selbe essen. Doch nun erst einmal zum Aperitif. Die Herrschaften wünschen doch sicherlich ein Gläschen Prosecco zu Beginn. Unsere Gesellschaft schwieg einstimmig. Kein Getränk, um den Abend einzuläuten? Ich ergriff die Initiative und meinte, dass wir durchaus gerne etwas trinken würden, aber die Herren sicher gerne ein Bier hätten und ich einen Wein.
Er nahm die Bestellung auf und fragte, als ich an der Reihe war, erneut, ob ich einen Prosecco wünsche. Ich verneinte wiederum und bat um die Weinkarte. (Hatte ich doch aus meinem Fehler am Vorabend gelernt und wollte diesmal auf Empfehlungen verzichten.) Soweit seien wir derzeit noch nicht. Wein gebe es erst später zum Essen. Jetzt wäre erst einmal der Aperitif dran, war seine Antwort. Ob ich denn vielleicht einen Prosecco...? Nein. Bevor er sich zum gehen wenden konnte, bat ich nochmals nach der Weinkarte, da ich wirklich sehr gerne einen Wein als Aperitif getrunken hätte... Er sah mich entsetzt an. Was denn für einen Wein? Das kommt darauf an... Könnte ich vielleicht die Weinkarte...? Nun verlor er tatsächlich ein wenig die Geduld mit mir. Weissen oder roten? Einen weissen, bitte. Zur Strafe für mein aufmüpfiges Verhalten durfte ich im Anschluss in mein Wasserglas starren, während meine Kunden einander zuprosteten.
Später nahm er die Bestellung der Speisen entgegen. Er empfahl uns vier verschiedene Gänge und sah uns erwartungsvoll an. In Erwartung von Alternativen schwieg der gesamte Tisch. Als jene nicht erfolgten, brachen alle in zustimmendes Gemurmel aus. Ich biss mir auf die Zunge, um mich meiner Meinung und der Tatsache, dass ich zwei der Gerichte gar nicht mag, zu enthalten. Zu groß war die Angst, mir den Zorn der Küche und das erneute Unwollen des Kellners zuzuziehen.
In den nächsten Tagen folgten noch ein paar kleine, nicht erwähnenswerte Zusammenstösse mit der slowenischen Gastronomie. Da war zum Beispiel das Lokal, in dem wir unter freien Himmel sassen und trotz Betteln und der Tatsache, dass wir die einzigen Gäste waren, keiner der anwesenden 10 Raucher (also alle am Tisch) seinem Laster nachgehen durfte, weil die EU das nicht erlaube. Irgendwann sprach der Kellner sogar ein Vor-die-Tür-geh-Verbot aus, weil dies die Pläne der Küche durcheinander brachte.
Und dann kam plötzlich der Abend, nach dem wir uns allen gesehnt hatten. Es geschah in einem kleinen Restaurant in Kranjska Gora. Wir waren die einzigen Gäste und wurden von einem Kellner umworben, der nicht nur nett und charmant war, sondern uns ganze Geschichten über die Weine und Speisen erzählen konnte, nebenbei im Internet recherchierte, weil ich mit jemandem über die Bedeutung des Worts „blümerant“ gewettet hatte und nebenbei auch noch in der Küche aktiv wurde, weil dort eine einzige Köchin für unsere Wünsche schuftete.
Das Essen war vorzüglich, der Abend perfekt und von da an war ich ein Bewunderer des slowenischen Weines. Der Lunar ist zum Beispiel ein Weisswein aus Rebula Trauben, wie ich ihn noch nie im Leben getrunken habe. Er sieht aus wie flüssiges Gold und schmeckt so intensiv und reich, dass wir an einem Punkt alle mit zugehaltener Nase und geschlossenen Augen, schlürfend und seufzend ein sehr merkwürdiges Bild abgegeben haben müssen. Ich hatte der Tischrunde nämlich erzählt, dass ich einmal gelesen hatte, dass man ohne Geruchssinn und mit geschlossenen Augen nicht in der Lage wäre zu schmecken, ob man einen weissen oder roten Wein trinken würde (voraus gesetzt natürlich, sie hätten die gleiche Temperatur). Wir hatten dass gemeinschaftlich als Humbug abgetan, aber der Lunar änderte unsere Meinung. Im ersten Moment hat er etwas fruchtiges, frisches, blumiges, was an Weisswein erinnert, doch plötzlich kippt dieser Eindruck in etwas ganz weiches, volles, beeriges, was einem Rotwein nahe kommt.
Der Carolina wiederum ist ein Rotwein, der es tatsächlich schafft, es mit meinem Rotweingott, dem Brunello aufzunehmen. Er ist schwer und samtig und man wünscht sich, ein sehr laszives Bad in ihm nehmen zu können.
Und weil diese Woche in Slowenien und der Wein so schön waren und weil es jetzt nicht so wirklich was mit diesem Text zu tun hat und weil mir kein richtiges Ende einfällt (ich schiebe das auf den leichten, durch den Wein verursachten Kopfschmerz), gibt’s zum Schluss ein paar Fotos vom Dreh dort.
Prost.
Nahrungsmittel sind vermutlich überbewertet und man kann sicherlich auch einmal einen Tag ohne selbige ausharren. Aber die Abwesenheit von Wein, und somit das Versprechen, den perfekten Gammeltag ausheimeln zu lassen, ist einfach vollkommen inakzeptabel.
Notgedrungenermassen warf ich also den Bademantel fort und mich selbst in Unnerbüks, Jeans und T-Shirt. Zu meinem Bedauern kenne ich nur einen einzigen Weinladen in meiner Heimatstadt. Da dieser arg in der Nähe meiner Arbeitsstätte angesiedelt ist und ich aus unterschwelligen Gründen keine große Lust verspürte, an meinem freien Tag den selben Weg zurückzulegen, den ich Tag ein und Tag aus absolviere, fuhr ich blind drauf los. Ich hätte zuvor natürlich mal das Internet konsultieren können, aber in meiner Panik und meinem Entsetzen war ich vollkommen unfähig zum praktischen Denken.
Ich fuhr also 2 mal quer durch die Stadt. Sehr zum Unwollen meiner Mitautofahrer bewegte ich mich dabei mit 30 km/h, aber man kann ja wohl kaum von mir verlangen, links und rechts nach Weinhandlungen Ausschau zu halten und gleichzeitig auf den Strassenverkehr zu achten. Nach langem, erfolglosem Suchen gab ich fast auf und beschloss, eine in der Nähe meiner Wohnung gelegene Einkaufsstrasse aufzusuchen. Der einzig freie Parkplatz in jener Strasse war dann auch – man preise an dieser Stelle den Zufall – vor einem kleinen Heimwerkerbaumarkt, der neben dem üblichen Baumarktkram doch tatsächlich hochpreisige Küchenutensilien (ich vermutete an dieser Stelle, dass das Ladenkonzept zwei-geschlechtlich aufbereitet war – während er sich eine Handkreissäge aussucht, kann sie in aller Ruhe das riesige Kochlöffelsegment bestaunen) und Weine deutscher Herkunft anbot. Die Auswahl war wirklich enorm. Ca. 400 verschiedene Weine wurden offeriert, doch, zu meinem Bedauern, eben lediglich aus deutschen Landen.
Nun muss ich zu meiner Verteidigung erklären, dass ich überhaupt keine Ahnung von Weissweinen habe. Noch weniger von deutschen Weissweinen. Aber momentan bin ich roten Weinen ein wenig überdrüssig und deshalb offen für neue Erfahrungen.
Lächelnd und bereit, mich diesen neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen zu zeigen, bat ich deshalb die Verkäuferin um eine Kaufempfehlung.
Ich klärte sie über mein Unwissen auf und gab ihr ein paar geschmackliche Anhaltspunkte. Leicht müsse er sein. Ich mag einen guten Chardonnay oder einen französischen Sancerre. Seit neustem habe ich die Rebula Traube für mich entdeckt. (Dazu später mehr.) Ich vermute, das einzige Wort, was sie während meines Monologes vernahm, war Chardonnay und so drückte sie mir einen selbigen in die Hand. Ich erwähnte kurz, dass ich sicher gehen möchte, dass ich keinen moussierenden Wein erstehe, da Chardonnays die Tendenz dazu aufweisen. Als die gute mich darauf hinwies, dass sie mir garantiere, dass dieser Chardonnay ganz sicher nicht nach Muskat schmecken würde („das wäre dann ja ein Muskatwein und kein Chardonnay“) gab ich auf und machte mich mit der empfohlenen Flasche auf den Heimweg.
Just in diesem Augenblick komme ich in den zweifelhaften Genuss dieses Weines und muss sagen: zu sauer, zu fruchtig und leicht mit Kohlensäure versetzt.
Immer wieder laufe ich in die selbe Falle. Bilde mir ein, dass ich zu meinem Unwissen stehen müsste und mein Vertrauen den Herren und Damen schenken müsste, die – ob in einem Geschäft oder einem Restaurant – die Aufsicht über eine schier überwältigende Masse an Weinflaschen haben. Vermutlich denke ich, dass die sich sicherlich im Laufe vieler Abende durch das ganze Sortiment getrunken haben und wissen, was sie da verkaufen.
Dabei war ich doch gerade erst vor kurzem mit diesem Vertrauen auf die Nase gefallen und hatte geschworen, nur noch meinen eigenen Instinkten zu trauen.
Vor kurzem weilte ich nämlich zum Zwecke von Dreharbeiten in Slowenien.
Diese eine Woche zwischen Rumreisen und Filmaufnahmen beglückte mich mit zwei Erkenntnissen: es gibt sehr schlechte und sehr gute Weine in Slowenien und slowenische Kellner sind ausgesprochen dominant. Letzteres war der Grund dafür, dass ich nicht selten mit meiner besserwisserischen und leicht schnippischen Art aneckte und es mir fast jeden Abend gelang, die gastronomische Belegschaft gegen mich aufzubringen.
Der arme junge Kerl in einem stark touristisch-angehauchten Etablissement mit Aussenbereich trug noch am wenigsten zu diesen Erkenntnissen bei. Auf meine Frage, was es denn für Wein gebe, antwortete er „rot“ und „weiss“. Nach nochmaligem Nachbohren rückte er dann vollkommen verdattert noch die Varianten „süß“ und „trocken“ heraus. Den trockenen Weissen hätte ich nach dem ersten Schluck am liebsten in den an die Terrasse angrenzenden See gegossen, aber da Slowenien zur EU gehört, hätte mir dann vermutlich eine Anzeige wegen Grundwasserverschmutzung gedroht.
In einem wesentlich feineren Lokal mit eigener Weinkarte, die ihr Sortiment von slowenischen Weinen über 12 Seiten verteilt anbot, bat ich den Kellner um eine Empfehlung. Aber ein richtig guter müsse es sein, warf noch einer meiner Begleiter in die Runde. Der Kellner kehrte mit einer Flasche zurück, die sich doch laut Etikett tatsächlich „Spargel“ nannte. Wirklich. Genauso wie die deutsche Bezeichnung für diese eierschalenfarbenen, länglichen Stangen, die man im Frühsommer so gerne mit Schinken und dicker Sosse isst. Das in leuchtenden Orangetönen designte Etikett gab dann auch schnell Aufschluss. Worüber wage ich nicht zu interpretieren, aber zumindest waren dort Spargelstangen aufgemalt. Als der Kellner dann den Verschluss mit großer Eleganz aufschraubte, fragte ich vorsichtig, ob dies denn wirklich ein „guter“ slowenischer Wein wäre. Der beste, wurde mir versichert. Ich kostete und ... gab kleinlaut zu, dass er mir nicht schmecken würde. Vielleicht solle lieber jemand anderes am Tische probieren.... Das hätte ich nicht sagen dürfen. Wutentbrannt wurde ich angeherrscht, was mir denn an dem Wein nicht gefallen würde. Ich wies noch einmal höflich darauf hin, dass er mir nun mal nicht schmecken würde, aber vielleicht den anderen und dann könnten die ja ... Er unterbrach mich. Mit hochrotem Gesicht schnauzte er: „Du haben überhaupt Ahnung von Wein? Was Du wollen? Süßen Wein oder was?“ Bevor es zu Handgreiflichkeiten kam, erklärten wir uns bereit, den Wein zu trinken und bestellten sicherheitshalber eine andere Flasche nach dem Augen zu, Finger drauf-Prinzip. Im übrigen hat sich in solchen Fällen (und voraus gesetzt, dass man nicht derjenige ist, der bezahlen muss und man sich in Slowenien (oder Südamerika) aufhält, wo Weine nicht so teuer sind) auch das Prinzip, den zweit-teuersten Wein auf der Karte zu bestellen, bezahlt gemacht.
Bereits am nächsten Abend entführte ich meine Kunden in eines der wohl angesagtesten Restaurants Ljubljanas. Ein fein gekleideter Kellner rauschte strahlend an unseren Tisch und klärte uns erst einmal über das Restaurant-Konzept auf. Hier gebe es keine Speisekarten, wurde uns mitgeteilt. Jeden Tag ging man auf den Markt, um frische Zutaten einzukaufen und dann wird serviert, was auch immer gerade da wäre und was nach Meinung des Kellners gut zueinander passen würde. Da wir so viele wären (6 Personen), würde es bei uns Sinn machen, dass alle das selbe essen. Doch nun erst einmal zum Aperitif. Die Herrschaften wünschen doch sicherlich ein Gläschen Prosecco zu Beginn. Unsere Gesellschaft schwieg einstimmig. Kein Getränk, um den Abend einzuläuten? Ich ergriff die Initiative und meinte, dass wir durchaus gerne etwas trinken würden, aber die Herren sicher gerne ein Bier hätten und ich einen Wein.
Er nahm die Bestellung auf und fragte, als ich an der Reihe war, erneut, ob ich einen Prosecco wünsche. Ich verneinte wiederum und bat um die Weinkarte. (Hatte ich doch aus meinem Fehler am Vorabend gelernt und wollte diesmal auf Empfehlungen verzichten.) Soweit seien wir derzeit noch nicht. Wein gebe es erst später zum Essen. Jetzt wäre erst einmal der Aperitif dran, war seine Antwort. Ob ich denn vielleicht einen Prosecco...? Nein. Bevor er sich zum gehen wenden konnte, bat ich nochmals nach der Weinkarte, da ich wirklich sehr gerne einen Wein als Aperitif getrunken hätte... Er sah mich entsetzt an. Was denn für einen Wein? Das kommt darauf an... Könnte ich vielleicht die Weinkarte...? Nun verlor er tatsächlich ein wenig die Geduld mit mir. Weissen oder roten? Einen weissen, bitte. Zur Strafe für mein aufmüpfiges Verhalten durfte ich im Anschluss in mein Wasserglas starren, während meine Kunden einander zuprosteten.
Später nahm er die Bestellung der Speisen entgegen. Er empfahl uns vier verschiedene Gänge und sah uns erwartungsvoll an. In Erwartung von Alternativen schwieg der gesamte Tisch. Als jene nicht erfolgten, brachen alle in zustimmendes Gemurmel aus. Ich biss mir auf die Zunge, um mich meiner Meinung und der Tatsache, dass ich zwei der Gerichte gar nicht mag, zu enthalten. Zu groß war die Angst, mir den Zorn der Küche und das erneute Unwollen des Kellners zuzuziehen.
In den nächsten Tagen folgten noch ein paar kleine, nicht erwähnenswerte Zusammenstösse mit der slowenischen Gastronomie. Da war zum Beispiel das Lokal, in dem wir unter freien Himmel sassen und trotz Betteln und der Tatsache, dass wir die einzigen Gäste waren, keiner der anwesenden 10 Raucher (also alle am Tisch) seinem Laster nachgehen durfte, weil die EU das nicht erlaube. Irgendwann sprach der Kellner sogar ein Vor-die-Tür-geh-Verbot aus, weil dies die Pläne der Küche durcheinander brachte.
Und dann kam plötzlich der Abend, nach dem wir uns allen gesehnt hatten. Es geschah in einem kleinen Restaurant in Kranjska Gora. Wir waren die einzigen Gäste und wurden von einem Kellner umworben, der nicht nur nett und charmant war, sondern uns ganze Geschichten über die Weine und Speisen erzählen konnte, nebenbei im Internet recherchierte, weil ich mit jemandem über die Bedeutung des Worts „blümerant“ gewettet hatte und nebenbei auch noch in der Küche aktiv wurde, weil dort eine einzige Köchin für unsere Wünsche schuftete.
Das Essen war vorzüglich, der Abend perfekt und von da an war ich ein Bewunderer des slowenischen Weines. Der Lunar ist zum Beispiel ein Weisswein aus Rebula Trauben, wie ich ihn noch nie im Leben getrunken habe. Er sieht aus wie flüssiges Gold und schmeckt so intensiv und reich, dass wir an einem Punkt alle mit zugehaltener Nase und geschlossenen Augen, schlürfend und seufzend ein sehr merkwürdiges Bild abgegeben haben müssen. Ich hatte der Tischrunde nämlich erzählt, dass ich einmal gelesen hatte, dass man ohne Geruchssinn und mit geschlossenen Augen nicht in der Lage wäre zu schmecken, ob man einen weissen oder roten Wein trinken würde (voraus gesetzt natürlich, sie hätten die gleiche Temperatur). Wir hatten dass gemeinschaftlich als Humbug abgetan, aber der Lunar änderte unsere Meinung. Im ersten Moment hat er etwas fruchtiges, frisches, blumiges, was an Weisswein erinnert, doch plötzlich kippt dieser Eindruck in etwas ganz weiches, volles, beeriges, was einem Rotwein nahe kommt.
Der Carolina wiederum ist ein Rotwein, der es tatsächlich schafft, es mit meinem Rotweingott, dem Brunello aufzunehmen. Er ist schwer und samtig und man wünscht sich, ein sehr laszives Bad in ihm nehmen zu können.
Und weil diese Woche in Slowenien und der Wein so schön waren und weil es jetzt nicht so wirklich was mit diesem Text zu tun hat und weil mir kein richtiges Ende einfällt (ich schiebe das auf den leichten, durch den Wein verursachten Kopfschmerz), gibt’s zum Schluss ein paar Fotos vom Dreh dort.
Prost.
c17h19no3,
Dienstag, 26. August 2008, 00:15
diese geschichte ist echt der kracher. habe laut gelacht und den cabkater beim tippen erschreckt. (hier gibt es bier, wenigstens heute.)
Lu,
Mittwoch, 27. August 2008, 11:15
bevor du das nächste mal durch ganz düsseldorf irrst: ruf!mich!an!