Cassandras Kopfkino
HAMBURG
cassandra, Montag, 22. Oktober 2007, 20:13
Filed under: Auf Reisen
Heute morgen ereignete sich auf der A1 bei Bremen ein schwerer Unfall, in dessen Folge die Autobahn mehr als vier Stunden gesperrt wurde. Ich befand mich glücklicherweise in entgegengesetzter Fahrtrichtung, doch auch hier hatte sich ein 6 km langer Stau gebildet. Normalerweise rege ich mich immer über gaffende Stauverursacher auf und bemühe mich, die Unfallstelle zu ignorieren, mich auf meinen Vordermann zu konzentrieren und geradeaus zu starren.
Heute hatte ich jedoch zum erste Mal Verständnis für diese Gaffer.
Nach einem zufälligen Seitenblick konnte ich meine Augen gar nicht mehr von den Folgen des Unglücks lösen. Unbewusst stieg ich auf die Bremse, erschrack darüber und gab Gas, nur um dann wieder zu vergessen, weiter Gas zu geben.
Ich glaube, der Grund für dieses vollkommen verantwortungslose Fahrverhalten (welches ja oft auf der Gegenseite auch zu Unfällen führt) ist gar nicht (wie ich bisher immer angenommen habe) Neugier, Sensationslust oder Voyeurismus, sondern schieres Entsetzen. Und Angst davor, einmal als Protagonist einer solchen Tragödie zu enden.
Die Gedanken und Gefühle überschlagen sich. Man kämpft gegen den Wunsch, sich zu übergeben. Man überlegt, ob es nicht klüger gewesen wäre, trotz des ganzen zu schleppenden Geraffels den Zug genommen zu haben, statt sich um 3:30 Uhr nach einem anstrengenden Wochenende aus dem Bett gequält zu haben und zu einer 4 stündigen Autofahrt aufgebrochen zu sein.
Ob der auf der Gegenfahrbahn stehende Laster involviert war (oder nur Zeuge), weiss ich nicht. Schäden an ihm habe ich keine gesehen.
Das Unfallfahrzeug selbst war nur noch halb so breit. Der Aufprall erfolgte offensichtlich nicht frontal oder von hinten, sondern mittig von der Seite. Die komplette Seite war zerfetzt oder gar nicht mehr vorhanden.
Die Fahrerseite.

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rachel, Montag, 22. Oktober 2007, 20:38
ich habe eine selbstmord-geisterfahrerin überlebt. nachts, alles dunkel, augen voll blut und splittern, verletzt, habe ich alles mitbekommen, ganze busse fuhren langsam - fotos wurden geschossen, menschenmauern kamen näher - ein bedrohliches gefühl! es war nicht das allerschlimmste an dem "unfall", aber dieses nackte präsentiert sein hat mich für immer geschädigt.
falls man nicht ohnmächtig ist, bekommt man doch davon mit - also bitte nicht starren.
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rudelmario, Dienstag, 23. Oktober 2007, 21:41
Ich war Rettungssani. Die Lust zum Kotzen kenne. Ich konnte dem Drang einige mal nicht widerstehen. Schlimm, wenn man als erster RTW an einem größeren Unfall ankommt. Alles rennt auf Dich zu, Du weißt nicht, wo man zu erst hinlangen soll, stolpert, über etwas, was mal ein Mensch war, dann ist es vorbei, dann kotzt man. Tja, und dann schaltet man ab, und beginnt zu selektieren... Ja, Nein, Ja, Ja, Nein, Nein. Das Gefühlshirn schaltet dann aus, bis einem die Gaffer ins Gehege kommen. Schauen, wer ist das, was hat der...

Und irgendwann brennt sich ein Spruch in dein Hirn ein, eine Überlebensklausel, die Du mit Dir unterschreibst: Was geht mich fremdes Elend an!
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