Cassandras Kopfkino
Dienstag, 8. November 2005
STUNDENWÄHRENDES VERWEILEN IN DER HEIMWERKERHÖLLE
cassandra, Dienstag, 8. November 2005, 21:10
Filed under: Alltag
Aufmerksame Leser erinnern sich, dass ich eine begeisterte Baumarktbesucherin bin. Vielleicht aber auch daran, dass es sich bei meiner Person um eine überdurchschnittlich motivierte, jedoch unzulänglich talentierte Handwerkerin handelt.

Seit nunmehr drei Wochen versuche ich mein Glück bei der Renovierung meines Badezimmers und bin ein gern- und häufig gesehener Kunde im Heimwerkerparadies meines Vertrauens.
Wie üblich liegen die Wurzeln allen Peins im Bereich des Unterbewusstseins. In letzter Zeit häuften sich aufreibende Träume, in denen ich mich haareraufend in wildfremden Badezimmern wiederfinde, in denen sich ein geschmacksverirrter Mähdrescherfahrer ausgetobt hatte, der schon immer von einem Dasein als Interior Designer träumte und sich in den Fliesenzwischenräumen über die Jahrhunderte angesammelter Urinstein, Schimmel und Kalk tummelt.
In meinen Träumen schlage ich dann mit einem großen Hammer wild um mich und treffe auch zumeist einige der Fliesen. Der Putz bröckelt mir entgegen, entblösst rissige, feuchte Wände, die Pilzkulturen gründen neue Niederlassungen unter meinen Nägeln und ich schrecke schweissgebadet hoch.
Eine ambitionierte Traumanalystin interpretierte meine Renovierungsträume als eine allgemeine Unzufriedenheit mit meinem Leben (Bad=Wohnung=Leben / Ekel=Unwohlsein / Renovierungsgelüste=Erneuerungswunsch), doch als Frau der Tat zog ich als Grund dafür die Jahrzehnte alte, in beruhigenden Auscheidungsbrauntönen gehaltene Einrichtung des Badezimmers meiner neuen Wohnung vor und beschloss frohen Mutes, ein wenig Stil ins Örtchen einfliessen zu lassen.

Bad ausräumen, Tapete abreissen, Decke streichen, alte Fliesen mit einer Grundierung streichen war dann auch innerhalb weniger Wochen zügig erledigt. Mittlerweile habe ich mich auch an den Umstand gewöhnt, für jedes Cremetiegelchen suchend durch die Wohnung zu laufen, fluchend unter der Dusche zu stehen, während das Handtuch seelenruhig über dem Bett im Schlafzimmer hängt und keinen Spiegel im Bad zu haben. Vielleicht hätte ich mich in den nächsten Monaten auch an die Tatsache gewöhnt, keine Lampe mehr im Badezimmer zu haben, denn wo kein Spiegel ist, braucht man ja nun auch nichts zu sehen. Als ich jedoch eines frühen Morgens das erste Mal auf einer Katze ausrutschte, Halt suchend nach der nicht mehr vorhandenen Handtuchhalterstange griff und dabei über einen Farbeimer strauchelte, entschied ich mich dafür, eine Stehlampe vorrübergehend im Bad aufzustellen. Da selbiges jedoch nur über eine Steckdose verfügt und der Akku der Zahnbürste in den letzten Zügen liegt, beginnt ein jeder Tag mit der Endscheidung zwischen einem frischen minzigen Atem oder einem erleuchtetem, unfallfreiem Tagesbeginn.

Aber wer will schon jammern, wenn er so kurz vor der Vollendung eines heeren Zieles steht. Inzwischen sind zwei Drittel drei Achtel der alten Fliesen mit neuen Mosaikfliesen beklebt. Wenn ich damit fertig bin, muss ich lediglich noch 20 qm verfugen und die restlichen Wände tapezieren. Laut Arbeitsplanung hätte ich Anfang des neuen Jahres wieder Besuch in meinen heiligen Hallen empfangen können. Hätte. Leider gehen mir jeden Augenblick die Fliesen aus. Eine Nachkalkulation am gestrigen Abend bestätigte den Verdacht, dessen Ahnung sich bereits seit einigen Tagen im hintersten Winkel meines Kopfes manifestierte. Es fehlen sieben Quadratmeter. Und ungefähr 24 Liter Fliesenkleber. Ich habe keine Ahnung an welcher Stelle sich dieser folgenschwere Fehler in meine Berechnungen geschlichen hat, aber ein erneuter Besuch des Baumarktes wurde fällig.
(Falls Sie es bis hierher geschafft haben, lieber Leser, möchte ich Sie beglückwünschen, Sie haben gerade die Exposition hinter sich gebracht.)

Das Bestellen von Fliesen ist ein in weiten Teilen der Bevölkerung stark unterschätzter, diffizieler Vorgang, der sehr viel Geduld erfordert. Beim ersten Mal benötigte der mir zugewiesene Baumarktangestellte dafür geschlagene dreissig Minuten. Da müssen Kundendatensätze angelegt, Lieferanten recherchiert, Nummern gesucht, Kataloge durchblättert und Daten in den Computer eingegeben werden. Dann marschiert man dem Baumarktangestellten hinterher zum Servicebereich am Eingang, wo diverse der bereits verrichteten Arbeitsschritte wiederholt werden müssen. Die Mühe belohnt ein Drucker, der schlussendlich viele bedruckte Seiten Papier ausspuckt. (Die man aber nicht benötigt, wie mir einige Wochen später bei Abholung der Fliesen mit verlustig gegangenen Bestellzettelmappe bewusst wurde.)

Irrtümlicherweise mutmasste ich heute, dass mein Besuch zum Zwecke der NACHbestellung in die Mittagspause passen würden. Im Service / Empfangsbereich begrüsste mich gähnende Leere. Vermutlich war ich nicht die einzige, die ein Päuschen abhielt. Nach etwa zehn Minuten erbarmte sich ein Herr, den sein Namensschildchen am Kittel als Herrn Vollmer auswies. Herr Vollmer bemühte sich nach Kräften, mich nach den ersten geäusserten Wünschen schnellstmöglichst wieder loszuwerden und schickte mich in die Fliesenabteilung. Ich beteuerte, dass sich mein Auftrag noch im System befinde und er zog die Stirn in Falten. Verzweifelt tracktierte er die Tastatur. In meiner Naivität ging ich von einer Copy- and Paste-Funktion aus. Weit gefehlt. Herr Vollmer seufzte und stöhnte. Er wisse ja nicht einmal, wie der Lieferant hiesse und wollte mich erneut an die entsprechende Abteilung verweisen, doch den Namen Fliesenfuchs vergesse ich bestimmt nicht so schnell und daher konnte ich ihm hilfreich unter die Arme greifen. Er seufzte erneut, runzelte die Stirn und verzweifelte an der Fragestellung, wieviele qm in ein Paket passen. Ich beruhigte den guten Mann und bestellte sieben Pakete. Irgendwo auf seinem Bildschirm erschien wohl eine Fehlermeldung, da pro Paket 1,07 qm enthalten waren und er so nicht auf sieben qm käme. Inzwischen hatte sich ein Dauergrinsen auf meinem Gesicht breit gemacht und ich kopfschüttelte ihm mein Einverständnis entgegen. Der Magen knurrte und ich verspürte das dringende Bedürfnis, zu meinem Schreibtisch zurückzukehren.
Nach weiteren zehn Minuten seufzender Versuche, eine Bestellung entgegenzunehmen, gab Herr Vollpfostenmer auf und schickte mich in die Badezimmerabteilung. Dort sass ein einzelner Angestellter in ein Gespräch mit zwei verschleierten Damen vertieft. „Die gibt es in Plexi und Echtglas. Was hätten sie denn gerne?“ Eine der Frauen zeigt mit dem Finger auf ein aufgeklapptes Prospekt. „Ja klar. In Plexi oder Glas?“ „Die da.“ Erneuter Fingerzeig. „Die gibt es in zwei verschiedenen Ausführungen. Glas ist teurer.“ „Nicht teuer. Glas.“ ...
Das konnte noch eine Weile dauern. Ich schob meinen Einkaufswagen auf der Suche nach einem weiteren Badezimmerfliesenspezialisten durch die Gegend. Seit mir bei meinem letzten Baumarktbesuch ein Unhold meinen Wagen inklusive Glücks-Schweizer-Frankenstück geklaut hatte, liess ich das Gefährt nie aus den Augen.
In diesem Moment entdeckte ich Frau Schröder. Frau Schröder sass auf einer Hebebühne und hiefte riesige Fliesenpakete über die Köpfe der Einkaufenden in die Regale. Wider besseren Wissens fragte ich Frau Schröder höflich, ob sie gerade zu tun hätte. Mit tiefer Barritonstimme, die eines seit fünf JahrzehntenWhisky trinkenden Countysängers würdig gewesen wäre, antwortete sie „Jetzt nicht mehr.“ „Ich würde gerne Fliesen nachbestellen.“ „Na, dann machen wir das halt jetze mal.“
Behende sprang die kleine, korpulente Dame von ihrem Ungetüm. Ich wollte ihr den Stapel Notizzettel, den Herr Vollmer bereits nach meinen Angaben erstellt hatte in die Hand drücken. „Nee. Lassen se mal. Zeigen sie sie mir lieber. Ich muss die Fliesen immer gesehen und angefasst haben.“ Frau Schröder warf einen kurzen Blick auf meinen kleinen schwarzen Fliesenwunsch. Dann notierte sie meine Kundennummer. „Jetzt lassen se mich mal machen. Ich habe keine Ahnung von dem Computerkram. Braucne se nicht warten. Ich kümmere mich drum.“ Wow. Das hatte gerade mal zwei Minuten gedauert. Ich bedankte und verabschiedete mich. Auf dem Weg überfielen mich erste Zweifel, ob ich jemals meine Fliesen zu Gesicht bekommen würde. Zurück bei Frau Schröder fragte ich, ob ich nicht einen Auftrag oder so etwas bräuchte. „Nö. Das wird schon. Und das mit der Anzahlung vergessen we ma’ janz schnell.“
Ich machte mich auf den Weg zu den Dispersionsfliesenklebern. Leider waren nur noch 8 der benötigten 24 Liter vorhanden. Zurück bei Frau Schröder drückte diese mir ein Prospekt in die Hand. „Is was ganz neues. Kleber und Fugmasse in einem.“ „Waaaas? So etwas gibt’s?“ Ich war entzückt. Das spart nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Am liebsten hätte ich Frau Schröder umarmt.
Ach. Ich mag Baumärkte. Trotz einiger Vollpfosten, geklauter Einkaufswagen und großen Zeit- und Geduldaufwandes.
Ich mochte Baumärkte auch immer noch, als ich an der Kasse stand.
Da die Katzen seit gestern abend kein richtiges Futter mehr bekommen hatten und ich gezwungen war, sie mit abgelaufender Katzenwurst, die wie gepresste Kuhfladen in roter Plastikpelle aussahen und rochen und die ich mal in einem Wahn von Spontanität gekauft hatte, zu füttern, hatte ich meinen Baumarktbesuch gleich für einen Futternachschub genutzt. Und einen Glühbirnennachschub. Und einen Lacknachschub. Ich finde, man kann nie genügend Lacke und Glühbirnen im Hause haben. (Katzenfutter sowieso nicht.) Nachdem die Kassiererin jede einzelne der 58 Tierfutterdosen und den ganzen Kleinkram eingescannt hatte und ich mir bereits die ersten lustigen Sprüche der jungen Männer, die gerade zwei Mäuse gekauft hatten nach mir anstehenden Kunden anhören durfte, wurde die junge Frau plötzlich blass. Hektisch hantierte sie an der Kasse, panisch fummelte sie am Bon herum. „Müssen sie nochmal einscannen?“ „Leider ja.“ „Was?“ „Alles.“ „Macht doch nichts. Ich habe Zeit.“
Das meinte ich zum Entsetzen der anderen Kunden tatsächlich ernst.

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SCHÖNER SCHENKEN
cassandra, Dienstag, 8. November 2005, 18:14
Filed under: Aufgeschnappt
Weihnachten steht vor der Tür.
Wer noch eine Idee für ein hübsches, nicht zu teures, aber trotzdem individuelles Geschenk braucht, kann sich hier inspirieren lassen.
Auch eine feine Sache, wenn man sich selbst beschenken möchte. Gibt's auch im Abo.

Nachtrag: Gerade rief der Liebste in Panik an. Nein. Ich schenke mir dieses Jahr etwas anderes.

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