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HOMECOMING
cassandra, Mittwoch, 25. Juli 2007, 19:42
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Langsam fühlt es sich ein wenig an, wie nach Hause kommen. Seit gestern bin ich nun wieder auf der Station.
Mein schlechtes Gewissen, dass ich den Schwestern keinen Kuchen mitgebracht habe, plagt mich zwar immer noch ein wenig, aber dank meines zuckersüßen Wesens rechne ich mir inzwischen sehr gute Chancen bei der diesjährigen Wahl des beliebtesten Patienten der Augenstation aus.
Sogar bei meinen kleinen Intrigen greifen mir die Schwestern hilfreich unter die Arme. Ich fühle mich inzwischen ganz in meinem Element. Heute habe ich eine meiner Mitbewohnerin aus dem Zimmer gemoppt. Die hat mich nämlich um den Schlaf gebracht. Durch ihre Furze. Und ich rede hier nicht von ein paar kleinen Pupsern, die wohl jedem mal entfleuchen können. Nein. Ich rede von sehr lauten, sehr häufigen und sehr langen Furzen. Ungefähr 5-10 pro Stunde. Die ganze Nacht. Man stelle sich mal vor, da liegt man als armes Häschen, frisch das Auge aufgeschnitten, umwabert von den Resten der Vollnarkose und träumt von Nächten unter Palmen mit dem Liebsten und dann furzt es sehr laut. Und während man sich im Halbtraum vergewissert, dass dieses Geräusch nicht aus dem Liebsten kommt, in dessen Armen man gerade liegt, wird man wach, findet sich in einem gezwungener Massen geschlossenem (hier ist es nämlich stets schrecklich laut, es zieht schrecklich und überhaupt gibt es immer einen Grund für ältere Herrschaften, die Frischluft auszusperren) Raum wieder und hört den nächsten Furz. Das ist gar nicht schön.
Nun ja. ich bin ja ein alter Hase hier und nachdem ich ein paar Strippen zog, zieht die Dame mit der schlechten Verdauung noch heute um. Unter einem sehr raffinierten Vorwand, versteht sich. Ich bin ja so gemein. Man nennt mich auch den Hospitalterminator.
Passend zu meinem Ruf habe ich mir natürlich auch wieder ein Auge zugelegt, dass jeder Kneipenschlägerei die Ehre machen würde. Frau Gröner zu liebe verzichte ich jetzt mal auf ein Foto. (Zugegeben: Der wahre Grund ist, dass ich das geschwollene Auge nicht weit genug auf bekomme, damit man die Einblutungen richtig sehen kann.)
Helge aus dem OP war gestern eher verhalten und gar nicht mehr zu Frosch-Kuss-Späßen aufgelegt. Ich glaube, er wird langsam weich und zeigt erste Anzeichen von Mitleid. Während er mich durch die Gänge kutschierte, mussten wir einen kurzen Zwischenstopp bei einem sehr jungen Pfleger einlegen, der mir Augentropfen verabreichte, mit der Begründung, diese würden die Gefässe zusammenziehen, damit ich nicht so doll bluten würde. Diese Aussage brüskierte mich ein wenig, weil ich meines Wissens im OP nie eine Riesensauerei hinterlasse und auch Helge war etwas schockiert. So etwas darf man nämlich den Patienten hier nicht sagen, weil sie dann Angst bekämen.
Angst habe ich im übrigen keine. Ich danke allen für die liebevollen Wünsche, Gedanken und Vorschläge.
Trotzdem habe ich mich jetzt erst einmal entschlossen, hier zu bleiben. Ich führe meine eigene Akte (für alle Fälle, denn die meine richtige Krankenakte kann eh' kein Mensch lesen) und meine Recherchen haben ergeben, dass ich hier ganz gut aufgehoben bin. Ich habe meinen Oberarzt zurück und der bemüht sich nicht nur sehr, sondern ist auch der einzige, dem ich gerzeit vertraue.
Mein schlechtes Gewissen, dass ich den Schwestern keinen Kuchen mitgebracht habe, plagt mich zwar immer noch ein wenig, aber dank meines zuckersüßen Wesens rechne ich mir inzwischen sehr gute Chancen bei der diesjährigen Wahl des beliebtesten Patienten der Augenstation aus.
Sogar bei meinen kleinen Intrigen greifen mir die Schwestern hilfreich unter die Arme. Ich fühle mich inzwischen ganz in meinem Element. Heute habe ich eine meiner Mitbewohnerin aus dem Zimmer gemoppt. Die hat mich nämlich um den Schlaf gebracht. Durch ihre Furze. Und ich rede hier nicht von ein paar kleinen Pupsern, die wohl jedem mal entfleuchen können. Nein. Ich rede von sehr lauten, sehr häufigen und sehr langen Furzen. Ungefähr 5-10 pro Stunde. Die ganze Nacht. Man stelle sich mal vor, da liegt man als armes Häschen, frisch das Auge aufgeschnitten, umwabert von den Resten der Vollnarkose und träumt von Nächten unter Palmen mit dem Liebsten und dann furzt es sehr laut. Und während man sich im Halbtraum vergewissert, dass dieses Geräusch nicht aus dem Liebsten kommt, in dessen Armen man gerade liegt, wird man wach, findet sich in einem gezwungener Massen geschlossenem (hier ist es nämlich stets schrecklich laut, es zieht schrecklich und überhaupt gibt es immer einen Grund für ältere Herrschaften, die Frischluft auszusperren) Raum wieder und hört den nächsten Furz. Das ist gar nicht schön.
Nun ja. ich bin ja ein alter Hase hier und nachdem ich ein paar Strippen zog, zieht die Dame mit der schlechten Verdauung noch heute um. Unter einem sehr raffinierten Vorwand, versteht sich. Ich bin ja so gemein. Man nennt mich auch den Hospitalterminator.
Passend zu meinem Ruf habe ich mir natürlich auch wieder ein Auge zugelegt, dass jeder Kneipenschlägerei die Ehre machen würde. Frau Gröner zu liebe verzichte ich jetzt mal auf ein Foto. (Zugegeben: Der wahre Grund ist, dass ich das geschwollene Auge nicht weit genug auf bekomme, damit man die Einblutungen richtig sehen kann.)
Helge aus dem OP war gestern eher verhalten und gar nicht mehr zu Frosch-Kuss-Späßen aufgelegt. Ich glaube, er wird langsam weich und zeigt erste Anzeichen von Mitleid. Während er mich durch die Gänge kutschierte, mussten wir einen kurzen Zwischenstopp bei einem sehr jungen Pfleger einlegen, der mir Augentropfen verabreichte, mit der Begründung, diese würden die Gefässe zusammenziehen, damit ich nicht so doll bluten würde. Diese Aussage brüskierte mich ein wenig, weil ich meines Wissens im OP nie eine Riesensauerei hinterlasse und auch Helge war etwas schockiert. So etwas darf man nämlich den Patienten hier nicht sagen, weil sie dann Angst bekämen.
Angst habe ich im übrigen keine. Ich danke allen für die liebevollen Wünsche, Gedanken und Vorschläge.
Trotzdem habe ich mich jetzt erst einmal entschlossen, hier zu bleiben. Ich führe meine eigene Akte (für alle Fälle, denn die meine richtige Krankenakte kann eh' kein Mensch lesen) und meine Recherchen haben ergeben, dass ich hier ganz gut aufgehoben bin. Ich habe meinen Oberarzt zurück und der bemüht sich nicht nur sehr, sondern ist auch der einzige, dem ich gerzeit vertraue.
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FÜR ZWISCHENDURCH MAL WAS NETTES
cassandra, Dienstag, 24. Juli 2007, 02:58
Filed under: Aus dem Leben einer Tussi
Mit einem zugedrückten Auge könnte man behaupten, dass ich einen sehr netten Job habe (auch wenn ich in den letzten vier Wochen nicht in diesen Genuss kam). Trotzdem beschert mir die Arbeit nur einmal im Jahr ein Projekt, bei dem ich merke, warum ich meine Arbeit liebe. Vor ein paar Monaten verschlug es mich nach Uruguay und Argentinien und ich war nicht nur mit tollem Wetter, traumhaften Landschaften und unglaublich liebenswürdigen Kunden gesegnet, sondern konnte auch einen meiner Träume erfüllen und echte Indianer kennen lernen, was mich wieder an meine große Liebe erinnerte.
Dieser kleine Film gibt einen kleinen Einblick in die Dreharbeiten.
Dieser kleine Film gibt einen kleinen Einblick in die Dreharbeiten.
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TAG 9-21: ALLES SCHEISSE
cassandra, Mittwoch, 18. Juli 2007, 01:33
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
9. Tag: Mittwoch. Alles super. Ich darf nach Hause. Meine Vorderkammer ist sehr hübsch und stabil, der Druck perfekt, mein Sicherkissen sieht aus wie aus dem Lehrbuch.
Zwei Tage später, am Freitag, muss ich morgens um 7 Uhr zur Visite erscheinen, um nochmals den Druck zu überprüfen. Eine Stunde später liege ich im OP. Der Druck ist wieder rasant angestiegen. Mein Körper heilt besser als erwartet und das Sicherkissen vernarbt zu gut. Im Grunde genommen ist das Loch in meinem Auge wie eine Schürfwunde an der Hand, die nicht verschorfen darf. Tut sie aber und zwar sehr schnell und gründlich.
Der Doktor möchte den Schorf entfernen. Klingt nicht nach einer effektiven Methode mit Langzeitwirkung. Er will mit einem Skalpell unter die Bindehaut und ein wenig in dem Loch rumbohren. Selbstredend ohne Narkose. Ich versuche, mich mit Hilfe von Yogatechniken zu beruhigen. Das klappt nur leidlich. Nach dem Eingriff bekomme ich einen kleinen Nervenzusammenbruch. Liege zitternd auf meiner Liege und kann nicht aufhören zu heulen.
Der Arzt geht heute für die nächsten 2 Wochen in den Urlaub. Seine Kollegin soll am Wochenende den Druck erneut überprüfen. Am Samstag liege ich bei 36. Meinem Auge geht es schlechter als vor den ganzen Eingriffen. Ich muss am Montag wieder ins Krankenhaus einziehen und soll erneut operiert werden. Ich bekomme eine Vollnarkose. Es wird der 6. Eingriff. Meine neue Ärztin will auch noch mal in dem Loch rumbohren und dafür die angenähte Netzhaut an einer Ecke ablösen. Ich muss danach noch eine Woche hier bleiben.
Ich bemühe mich, unbeschwert zu sein. Scherze mit Schwestern und Pflegern, lasse mich von meinen Besuchern zu Starbucks entführen und versuche, meinen Optimismus nicht zu verlieren. Das ist nicht einfach. Ich lebe in einem Altersheim. Ich bin umgeben von Menschen jenseits der 70. Hole Getränke, schmiere Brote, helfe bei dem Gang zur Toilette. Die Tochter einer 85jährigen Patientin verdonnert mich ungefragt dazu, mich um ihre Mutter zu kümmern, ihr zu helfen und sie zu trösten. Ich will das nicht. Ich will nicht, dass man mir immer wieder die selben persönlichen Geschichten aus der Nachkriegszeit oder von alten Krankheiten erzählt oder dass ich Menschen bedauern und in den Arm nehmen muss, denen es schlecht geht und die mir täglich androhen, dass sie sich umbringen wollen, wenn sie noch einmal operiert werden müssen. Ich will egoistisch sein. Mich nicht in das Leid fremder Menschen reinziehen lassen, sondern mich in meinem eigenen Selbstmitleid suhlen.
Ich fiebre den täglichen Besuchen des Liebsten entgegen, der mich mit Essen, Kaffee und Liebe versorgt. Zwischendurch schaue ich mir sämtliche Staffeln von Grey’s Anatomy an. Hirntumore, Operationen am offenen Herzen, Tote und Liebeskummer entspannen mich tatsächlich und führen mir vor Augen, wie unkomplziert mein Leben doch ist.
Am Freitag, Tag 18 seitdem das alles anfing, probieren wir mal was neues. Inzwischen bin ich wohl in den Genuss sämtlicher medizinischen Vorrichtungen und Methoden gekommen, die dieses Krankenhaus zu bieten hat.
Heute lasern wir ein wenig. Zirka 15 Schüsse werden auf mein Auge abgefeuert. Grüne Blitze sollen den einzig darstellbaren (von 4 vorhandenen) Faden trennen, um mein Sickerkissen anzuheben. Am zu hohen Druck ändert sich trotzdem nichts. Ob der Faden nun weg ist oder nicht, kann auch niemand sagen, weil eine meiner Häute im Auge wohl ungewöhnlich dick ist.
Samstag darf ich mir ein paar Stunden Urlaub nehmen. Gegen Unterschrift, dass ich gegen den Willen der Ärzte, auf eigene Gefahr und ohne Absicht, das Krankenhaus zu verklagen, bekomme ich bis Mitternacht Ausgang, um die Hochzeit einer Freundin aufzusuchen.
Mehrere Stunden verbringe ich mit meinem Styling. Frisiere die Haare so, dass sie über die komplette rechte Gesichtshälfte fallen und man weder Auge noch Allergieausschlag sehen kann. Trage eine Kontaktlinse im linken Auge und verzichte auf den Gebrauch des rechten dessen Sehvermögen selbst mit Hilfe von Sehhilfen auf 30% geschrumpft ist.
Trotz Zugabe alkoholischer Muntermacher geht es mir bescheiden während der festlichen Aktivitäten. Mein Schädel brummt und ich muss mich immer wieder setzen, um nicht aus den hohen Schuhen zu kippen. Mein Blutdruck ist seit einer Woche konstant bei 90 zu 60, was wohl dem Kreislauf nicht allzu zuträglich ist. Die Hitze tut ihr übriges und ganz im Stile von Aschenputtel ziehe ich mich punkt Mitternacht von der Party zurück.
Den Brautstrauss habe ich im übrigen auch nicht gefangen. Wie auch, halbblind im dunklen. Der Liebste bemängelte jedoch meine Initiative, die auf unserer Seite im Vergleich zur anderen sehr zu wünschen ürbig liess.
Am Montag (gestern) habe ich mich selbst entlassen.
Man weiss nicht weiter. Man könnte erneut die Netzhaut lösen und im Loch herumstochern, den Schorf zur Seite schieben. Man könnte darüber nachdenken, die gesamte Prozedur zu wiederholen und an einer neuen Stelle ein neues Loch zu bohren. Keiner kann mir garantieren, dass wenige Millimeter neben dem alten Loch meine Vernarbungstendenz auf wundersame Weise weniger stark ist. Ich habe auch keine Lust, mir einmal wöchentlich in meinem Sickerkissen herumstochern zu lassen. Man könnte auch das gesamte Sickerkissen lösen und lockerer wieder annähen.
Ich will nach Hause.
Ich schlage selbiges der Ärztin vor. Sage ihr, dass ich gerne am nächsten Montag wiederkomme, wenn mein Arzt, der mich von Anfang an nicht operieren wollte, weil er vermutlich mit genau diesen ganzen Problemen rechnete, wieder aus dem Urlaub zurück ist. Inzwischen ist er der einzige, dem ich vertraue. Er wollte mich damals bereits an ein anderes Krankenhaus verweisen, dass neuere, experimentellere Operationsmethoden anwendet. Genau darüber möchte ich am Montag mit ihm reden. Ich möchte einen Shunt. Eine kleine Röhre, die ins Auge eingesetzt wird und den Kammerwasserabfluss reguliert. Die kann dann wenigstens nicht zuwachsen. Angeblich ist diese Methode noch nicht so weit ausgereift. Verstehe ich nicht ganz, da die ersten Shunt Implantationen in den USA bereits Anfang der 70er durchgeführt wurden.
Ein gutes hat dieser ganze Mist derzeit. Wenn ich mal wieder bei einem trostlosen Abendessen mit Kunden sitze und die Gesprächsthemen drohen auszugehen, kann ich vielleicht ein keckes "Wollt ihr mal mein Sickerkissen sehen? Eine Röhre im Auge hätte ich auch noch anzubieten." in die Runde werfen.
In welche Stadt mich diese Operation demnächst verschlagen wird, weiss ich noch nicht. Hier war es letzten Endes ganz schön, weil mich Freunde, Mitarbeiter und diverse Blogger besuchen konnten und mich ein wenig abgelenkt haben. (Dafür danke ich Euch von Herzen.) Ich hoffe, dass sich in einer anderen Stadt auch jemand erbarmt. Einige, sehr liebe Angebote habe ich ja bereits ;-)
Zwei Tage später, am Freitag, muss ich morgens um 7 Uhr zur Visite erscheinen, um nochmals den Druck zu überprüfen. Eine Stunde später liege ich im OP. Der Druck ist wieder rasant angestiegen. Mein Körper heilt besser als erwartet und das Sicherkissen vernarbt zu gut. Im Grunde genommen ist das Loch in meinem Auge wie eine Schürfwunde an der Hand, die nicht verschorfen darf. Tut sie aber und zwar sehr schnell und gründlich.
Der Doktor möchte den Schorf entfernen. Klingt nicht nach einer effektiven Methode mit Langzeitwirkung. Er will mit einem Skalpell unter die Bindehaut und ein wenig in dem Loch rumbohren. Selbstredend ohne Narkose. Ich versuche, mich mit Hilfe von Yogatechniken zu beruhigen. Das klappt nur leidlich. Nach dem Eingriff bekomme ich einen kleinen Nervenzusammenbruch. Liege zitternd auf meiner Liege und kann nicht aufhören zu heulen.
Der Arzt geht heute für die nächsten 2 Wochen in den Urlaub. Seine Kollegin soll am Wochenende den Druck erneut überprüfen. Am Samstag liege ich bei 36. Meinem Auge geht es schlechter als vor den ganzen Eingriffen. Ich muss am Montag wieder ins Krankenhaus einziehen und soll erneut operiert werden. Ich bekomme eine Vollnarkose. Es wird der 6. Eingriff. Meine neue Ärztin will auch noch mal in dem Loch rumbohren und dafür die angenähte Netzhaut an einer Ecke ablösen. Ich muss danach noch eine Woche hier bleiben.
Ich bemühe mich, unbeschwert zu sein. Scherze mit Schwestern und Pflegern, lasse mich von meinen Besuchern zu Starbucks entführen und versuche, meinen Optimismus nicht zu verlieren. Das ist nicht einfach. Ich lebe in einem Altersheim. Ich bin umgeben von Menschen jenseits der 70. Hole Getränke, schmiere Brote, helfe bei dem Gang zur Toilette. Die Tochter einer 85jährigen Patientin verdonnert mich ungefragt dazu, mich um ihre Mutter zu kümmern, ihr zu helfen und sie zu trösten. Ich will das nicht. Ich will nicht, dass man mir immer wieder die selben persönlichen Geschichten aus der Nachkriegszeit oder von alten Krankheiten erzählt oder dass ich Menschen bedauern und in den Arm nehmen muss, denen es schlecht geht und die mir täglich androhen, dass sie sich umbringen wollen, wenn sie noch einmal operiert werden müssen. Ich will egoistisch sein. Mich nicht in das Leid fremder Menschen reinziehen lassen, sondern mich in meinem eigenen Selbstmitleid suhlen.
Ich fiebre den täglichen Besuchen des Liebsten entgegen, der mich mit Essen, Kaffee und Liebe versorgt. Zwischendurch schaue ich mir sämtliche Staffeln von Grey’s Anatomy an. Hirntumore, Operationen am offenen Herzen, Tote und Liebeskummer entspannen mich tatsächlich und führen mir vor Augen, wie unkomplziert mein Leben doch ist.
Am Freitag, Tag 18 seitdem das alles anfing, probieren wir mal was neues. Inzwischen bin ich wohl in den Genuss sämtlicher medizinischen Vorrichtungen und Methoden gekommen, die dieses Krankenhaus zu bieten hat.
Heute lasern wir ein wenig. Zirka 15 Schüsse werden auf mein Auge abgefeuert. Grüne Blitze sollen den einzig darstellbaren (von 4 vorhandenen) Faden trennen, um mein Sickerkissen anzuheben. Am zu hohen Druck ändert sich trotzdem nichts. Ob der Faden nun weg ist oder nicht, kann auch niemand sagen, weil eine meiner Häute im Auge wohl ungewöhnlich dick ist.

Mehrere Stunden verbringe ich mit meinem Styling. Frisiere die Haare so, dass sie über die komplette rechte Gesichtshälfte fallen und man weder Auge noch Allergieausschlag sehen kann. Trage eine Kontaktlinse im linken Auge und verzichte auf den Gebrauch des rechten dessen Sehvermögen selbst mit Hilfe von Sehhilfen auf 30% geschrumpft ist.
Trotz Zugabe alkoholischer Muntermacher geht es mir bescheiden während der festlichen Aktivitäten. Mein Schädel brummt und ich muss mich immer wieder setzen, um nicht aus den hohen Schuhen zu kippen. Mein Blutdruck ist seit einer Woche konstant bei 90 zu 60, was wohl dem Kreislauf nicht allzu zuträglich ist. Die Hitze tut ihr übriges und ganz im Stile von Aschenputtel ziehe ich mich punkt Mitternacht von der Party zurück.
Den Brautstrauss habe ich im übrigen auch nicht gefangen. Wie auch, halbblind im dunklen. Der Liebste bemängelte jedoch meine Initiative, die auf unserer Seite im Vergleich zur anderen sehr zu wünschen ürbig liess.

Am Montag (gestern) habe ich mich selbst entlassen.
Man weiss nicht weiter. Man könnte erneut die Netzhaut lösen und im Loch herumstochern, den Schorf zur Seite schieben. Man könnte darüber nachdenken, die gesamte Prozedur zu wiederholen und an einer neuen Stelle ein neues Loch zu bohren. Keiner kann mir garantieren, dass wenige Millimeter neben dem alten Loch meine Vernarbungstendenz auf wundersame Weise weniger stark ist. Ich habe auch keine Lust, mir einmal wöchentlich in meinem Sickerkissen herumstochern zu lassen. Man könnte auch das gesamte Sickerkissen lösen und lockerer wieder annähen.
Ich will nach Hause.
Ich schlage selbiges der Ärztin vor. Sage ihr, dass ich gerne am nächsten Montag wiederkomme, wenn mein Arzt, der mich von Anfang an nicht operieren wollte, weil er vermutlich mit genau diesen ganzen Problemen rechnete, wieder aus dem Urlaub zurück ist. Inzwischen ist er der einzige, dem ich vertraue. Er wollte mich damals bereits an ein anderes Krankenhaus verweisen, dass neuere, experimentellere Operationsmethoden anwendet. Genau darüber möchte ich am Montag mit ihm reden. Ich möchte einen Shunt. Eine kleine Röhre, die ins Auge eingesetzt wird und den Kammerwasserabfluss reguliert. Die kann dann wenigstens nicht zuwachsen. Angeblich ist diese Methode noch nicht so weit ausgereift. Verstehe ich nicht ganz, da die ersten Shunt Implantationen in den USA bereits Anfang der 70er durchgeführt wurden.
Ein gutes hat dieser ganze Mist derzeit. Wenn ich mal wieder bei einem trostlosen Abendessen mit Kunden sitze und die Gesprächsthemen drohen auszugehen, kann ich vielleicht ein keckes "Wollt ihr mal mein Sickerkissen sehen? Eine Röhre im Auge hätte ich auch noch anzubieten." in die Runde werfen.
In welche Stadt mich diese Operation demnächst verschlagen wird, weiss ich noch nicht. Hier war es letzten Endes ganz schön, weil mich Freunde, Mitarbeiter und diverse Blogger besuchen konnten und mich ein wenig abgelenkt haben. (Dafür danke ich Euch von Herzen.) Ich hoffe, dass sich in einer anderen Stadt auch jemand erbarmt. Einige, sehr liebe Angebote habe ich ja bereits ;-)
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TAG 8: KEINE NEUIGKEITEN AUS LALALAND
cassandra, Dienstag, 17. Juli 2007, 01:14
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Ich habe seit einer Woche nicht gekackt. Normalerweise habe ich keinerlei Probleme damit, mich in der Fremde heimisch zu fühlen, aber da esse ich ja auch. Hier ernähre ich mich ausschliesslich von den Dingen, die mir meine Besucher mitbringen. Ich darf sogar Bestellungen aufgeben. Der Liebste kommt heute abend mit einem Thunfischsandwich vorbei. Neulich brachte er eine doppelte Currywurst mit.
Zur Visite lege ich heute ein wenig Rouge auf. Make-up darf ich in nächster Zeit nicht verwenden, aber die Wangen sind ja ausserordentlich weit vom Auge entfernt und wenigstens lassen sich auf diese Weise die Kraterlandschaften von der Pflasterallergie kaschieren. Eigenlich sehe ich auch gar nicht mehr so schlimm aus, seit ich immer ein wenig von der Kortisonsalbe, die man mir abends ins Auge schmiert, abzweige und über den Pusteln verteile. Bisher war ich ein großer Gegner von Kortison, aber das Zeug bewirkt wahre Wunder.
Das Rouge soll heute ebenfalls dem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen. Wenn ich den Herrn Doktor bei der Visite ein wenig anschmachte, lässt er mich hoffentlich aus ethischen Gründen gehen. Er interessiert sich jedoch nicht für meine gefälligen Jochbeine, sondern lediglich für mein Matschauge. Inzwischen bekomme ich das Auge auch von allein auf und kann es für ein paar Sekunden ohne Hilfe offen lassen. Sehen tue ich dabei jedoch wenig. Zwischen den Wimpern des Oberlides und dem unteren Wimpernkranz ziehen sich beim Öffnen schleimige Fäden. Gelbe Krümelchen verkrusten die Haarwurzeln der Wimpern und die Augenwinkel. Das Weiss im Auge ist blutdurchtränkt und die Iris scheint ein wenig verbogen zu sein. Zumindest sieht sie nicht mehr rund, sondern eher oval aus. Dadurch erhält der objektive Betrachter (also ich – die Ärzte und der Liebste sehen es angeblich nicht) den Eindruck, als würde ich schielen.
Der Herr Doktor ist mal wieder hoch zufrieden. Alles sieht ganz klasse und superhübsch aus. Er sagt das mit weniger Worten, aber Sie dürfen meiner Interpretation vertrauen.
Im Gang stapeln sich die neuen Gäste. Es sind jedoch keinerlei freie Betten verfügbar. Klassischer Fall von Überbuchung. Ich biete an, auch ohne Gutschein meinen Platz zu räumen und mein Bett einem anderen Bedürftigen anzubieten. Der Herr Doktor lehnt dankend ab. Er möchte noch warten, bis der ganze Rotz hinfort geschwemmt ist. Ich vermute, dass wird noch ewig dauern.
Mir fällt die Decke aus dem Kopf. Ich renne zwischen Zigarettenpausen und Bett hin und her und warte sehnsüchtig auf meine Verabredungen.
Gestern habe ich im Laufe des Tages 7 Mal in der Firma angerufen. Wegen Kleinigkeiten. Ich versuche, dies heute zu unterlassen, weil man dort bereits ein wenig genervt von mir ist.
Dann rufe ich doch an und bestelle unseren System Admin hierher. Er bringt das Internet mit. Das beruhigt enorm, bringt aber nicht viel, weil ich eigentlich nichts lesen darf.
Ich melde mich im Chatprogramm an und nerve jede einzelne Person, die auf meiner Kontaktliste steht. Die meisten haben nicht viel Zeit, weil sie arbeiten müssen.
Mehr ist nicht passiert, aber bereits morgen geht es super ganz toll spannend weiter mit:
TAG 9-21: ALLES SCHEISSE
Zur Visite lege ich heute ein wenig Rouge auf. Make-up darf ich in nächster Zeit nicht verwenden, aber die Wangen sind ja ausserordentlich weit vom Auge entfernt und wenigstens lassen sich auf diese Weise die Kraterlandschaften von der Pflasterallergie kaschieren. Eigenlich sehe ich auch gar nicht mehr so schlimm aus, seit ich immer ein wenig von der Kortisonsalbe, die man mir abends ins Auge schmiert, abzweige und über den Pusteln verteile. Bisher war ich ein großer Gegner von Kortison, aber das Zeug bewirkt wahre Wunder.
Das Rouge soll heute ebenfalls dem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen. Wenn ich den Herrn Doktor bei der Visite ein wenig anschmachte, lässt er mich hoffentlich aus ethischen Gründen gehen. Er interessiert sich jedoch nicht für meine gefälligen Jochbeine, sondern lediglich für mein Matschauge. Inzwischen bekomme ich das Auge auch von allein auf und kann es für ein paar Sekunden ohne Hilfe offen lassen. Sehen tue ich dabei jedoch wenig. Zwischen den Wimpern des Oberlides und dem unteren Wimpernkranz ziehen sich beim Öffnen schleimige Fäden. Gelbe Krümelchen verkrusten die Haarwurzeln der Wimpern und die Augenwinkel. Das Weiss im Auge ist blutdurchtränkt und die Iris scheint ein wenig verbogen zu sein. Zumindest sieht sie nicht mehr rund, sondern eher oval aus. Dadurch erhält der objektive Betrachter (also ich – die Ärzte und der Liebste sehen es angeblich nicht) den Eindruck, als würde ich schielen.
Der Herr Doktor ist mal wieder hoch zufrieden. Alles sieht ganz klasse und superhübsch aus. Er sagt das mit weniger Worten, aber Sie dürfen meiner Interpretation vertrauen.
Im Gang stapeln sich die neuen Gäste. Es sind jedoch keinerlei freie Betten verfügbar. Klassischer Fall von Überbuchung. Ich biete an, auch ohne Gutschein meinen Platz zu räumen und mein Bett einem anderen Bedürftigen anzubieten. Der Herr Doktor lehnt dankend ab. Er möchte noch warten, bis der ganze Rotz hinfort geschwemmt ist. Ich vermute, dass wird noch ewig dauern.
Mir fällt die Decke aus dem Kopf. Ich renne zwischen Zigarettenpausen und Bett hin und her und warte sehnsüchtig auf meine Verabredungen.
Gestern habe ich im Laufe des Tages 7 Mal in der Firma angerufen. Wegen Kleinigkeiten. Ich versuche, dies heute zu unterlassen, weil man dort bereits ein wenig genervt von mir ist.
Dann rufe ich doch an und bestelle unseren System Admin hierher. Er bringt das Internet mit. Das beruhigt enorm, bringt aber nicht viel, weil ich eigentlich nichts lesen darf.
Ich melde mich im Chatprogramm an und nerve jede einzelne Person, die auf meiner Kontaktliste steht. Die meisten haben nicht viel Zeit, weil sie arbeiten müssen.
Mehr ist nicht passiert, aber bereits morgen geht es super ganz toll spannend weiter mit:
TAG 9-21: ALLES SCHEISSE
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