Cassandras Kopfkino
Dienstag, 4. September 2007
cassandra, Dienstag, 4. September 2007, 23:19
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Ich kann gerade nicht mehr.
Ich will das alles nicht mehr.

Mich nervt es, meinen Optimismus verloren zu haben.

Mich nervt es, keine Hoffnung mehr zu haben, dass das alles irgendwann ein Ende hat.

Mich nervt es, alle zwei Wochen operiert werden zu müssen.

Mich nervt es, nur noch Chemie in meinem Körper zu haben.

Mich nervt es, dass die keine Venen mehr bei mir finden, wo sie reinstechen können.

Mich nervt es, heute schon wieder im Krankenhaus gewesen zu sein, ausserplanmäßig, weil von einer Sekunde auf die andere mein Auge weh tat und ich das Gefühl hatte, jemand würde meinen Augapfel in der Hand halten und fest zuzudrücken.

Mich nervt es, gestern bereits da gewesen zu sein.

Mich nervt es, in der letzten Woche am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Sonntag dort gewesen zu sein.

Mich nervt es, dass ich mein Kontigent an Krankschreibungen aufgebraucht habe (und noch mehr nerven würde mich dieser ganze 80% Gehalt Bürokratiekram.)

Mich nervt es, dass ich mich jeden Tag extrem fraulich und figurbetont anziehe, um ein kleines bißchen meines verloren gegangenen Selbstwertgefühls zurückzugewinnen (erfolglos).

Mich nervt es, dass ich ständig nur noch auf den Boden schaue, wenn ich durch die Stadt laufe, die Haare ins Gesicht fallen lasse und jeden Blickkontakt meide.

Mich nervt es, dass mir Leute auf der Straße im ersten Augenblick hinterhersehen und wenn ich mich dann umdrehe oder endlich mal jemanden in die Augen sehe, die Leute erschrocken zurückstarren.

Mich nervt es, dass ich zu 100%er Wahrscheinlichkeit nächste Woche schon wieder unters Messer muss.

Mich nervt es, immer stark und lustig und frohen Mutes zu sein und den "Sonnenschein" der Station und des OPs zu spielen.

Mich nervt es, dass ich inzwischen so eine Krankenhausapathie habe, dass ich mich nach meinem letzten ambulanten Eingriff, schnellstmöglich aus dem Krankenhaus entfernt habe, die Ärztin angelogen habe, obwohl ich kaum drei Meter geradeaus laufen konnte, ohne zusammenzubrechen. Mit einem Augeninnendruck von 42 (um die 10 ist normal).

Mich nervt es, dass die mich haben gehen lassen, obwohl ich mich wie ein Haufen Dreck fühlte.

Mich nervt es, dass ich einen Job in Hongong wegen dieser ganzen Scheisse absagen musste.

Mich nervt es, über das alles reden zu wollen, aber keines dieser Gespräche mir wirklich weiterhilft.

Mich nervt es, über das alles reden zu müssen, es mein Gegenüber jedoch stets in absolute Hllflosigkeit stürzt, so dass schnellstmöglichst das Thema gewechselt wird.

Mich nervt es, dass mich das ganze in eine Art Midlifecrisis / Ichmussplänefürdiezukunftschmiedenaktionismus / Torschlusspanik stürzt.

Mich nervt es und ich will morgen früh aufstehen und alles ist wieder gut.

Das seltsame ist, dass ich mich beim Schreiben jetzt wieder einigermassen beruhigt und mit dem Rumheulen aufgehört habe.
Morgen früh werde ich frohen Mutes, wie ein Sonnenschein bei der Visite erscheinen und alles wird gut. Und dann wird dies kein Jammerblog mehr sein. Versprochen.

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Mittwoch, 29. August 2007


cassandra, Mittwoch, 29. August 2007, 17:01
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Heute war ich eine sehr, sehr böse Patientin.
Es begann damit, dass ich eine halbe Stunde zu spät zu meiner eigenen Operation erschien und endete mit meinem Rauswurf aus dem OP.
Beim Kaffeetrinken mit einem Freund, der mich am Krankenhaus absetzen wollte, habe ich wohl ein wenig die Zeit vergessen. Böse Zungen könnten natürlich auch behaupten, dass meine Motivation, mich einem erneuten Eingriff zu stellen, gegen Null tendierte.
Ich hatte mich absichtlich gegen eine Narkose entschieden. Ich verspürte den leicht masochistisch angehauchten Wunsch danach, mal wieder meinen eigenen Körper durch den ihm zugefügten Schmerz zu spüren. Nun gut, nicht wirklich. Zum einen bin ich es leid, mich ständig mit Chemie vollpumpen zu lassen, da mein Körper und meine Haut dies in letzter Zeit nicht unbedingt zu schätzen wissen, zum anderen sah ich darin wohl so eine Art perverse Mutprobe, mich dem Kampf gegen die eigenen Ängste zu stellen und meine Beherrschung zu trainieren.
Dabei sah alles bereits so gut aus. Noch vor einer Woche bestätigte mir der Herr Doktor, dass wir wohl über den Berg seien. Der Druck nach dem letzten Eingriff hatte sich stabil niedrig eingependelt und Euphorie machte sich bei mir und meinen Ärzten breit.
Gestern dann die Ernüchterung angesichts eines erneuten Druckanstiegs und der Entschluss, heute abermals mit einer Nadel und einem Spatel das neu gebildete Narbengewebe wegzuspachteln.

Als ich 30 Minuten nach Plan mit einem Kaffeebecher die Station frohen Mutes betrat, erwartete man mich bereits mit gewetzten Messern und bösen Blicken. Der OP hatte schon diverse Male nach mit verlangt und die Zeit für eine (von mir geforderte) Beruhigungstablette - und vor allem deren Wirkung - war abgelaufen.
Also Klamotten heruntergerissen, eine rasante Fahrt mit dem Rollstuhl gen heiliger Hallen, Augentropfen ins Auge kippen, Zugang legen, EKG Aufkleber positionieren, Jod ins Auge kippen, Kopf festkleben, Plastikfolie über den Kopf ziehen, Loch über dem Auge reinschneiden - und das alles in Rekordzeit.
Den Teil mit der Feststellklammer (ich weiss gar nicht, wie das Ding heisst. "Augenspreizer" finde ich ja auch sehr hübsch) habe ich heute ausgesprochen tapfer hinter mich gebracht, doch das Setzen der Spritze wurde von meiner Seite mit einem (ganz) leisen Jammern und Seufzen begleitet. Eigentlich tat es noch nicht mal so sehr weh, aber so ein Seufzen auf Verdacht sensibilisiert die Anwesenden hoffentlich schon mal ein wenig.
Leider erzielte ich damit genau den gegenteiligen Effekt. Die Operation wurde abgebrochen und ich nach Hause geschickt. Der Herr Doktor meinte, meine Unruhe würde den Erfolg des Eingriffs schmälern, da er sich vor lauter Mitleid nicht konzentrieren könne ich zu angespannt und zappelig wäre.
Für die morgige Operation unter Vollnarkose habe ich Besserung gelobt. Solange man mit der Behandlung des anderen Auges noch nicht einmal begonnen hat, will ich es mir mit der Herrschaften ja nicht verderben.

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Dienstag, 28. August 2007
EIN WORT
cassandra, Dienstag, 28. August 2007, 15:40
Filed under: Herdentrieb
Schon wieder nix zu tun. Daher habe ich mir einen Fragebogen geklaut, dessen Fragen kurz und bündig beantwortet werden müssen.

Dein Handy? ausgeschaltet

Dein/e Partner/in? vermisst

Deine Haare? frisurbedürftig

Deine Mama? geliebt

Dein Papa? geliebt

Lieblingsgegenstand? Taschen

Dein Traum von letzter Nacht? verwirrend

Dein Lieblingsgetränk? Wein

Dein Traumauto? momentan

Der Raum, in dem du dich befindest? Büro

Dein/e Ex? vergessen

Deine Angst? Augenoperationen

Was möchtest du in zehn Jahren sein? reich gesund

Mit wem verbrachtest du den gestrigen Abend? Katzen

Was bist du nicht? ausgeschlafen

Das letzte, was du getan hast? Augeninnendruckmessen

Was trägst du? schwarz

Dein Lieblingsbuch? Harry (Bosch, nicht Potter)

Das letzte, was du gegessen hast? Sauerkraut

Dein Leben? planlos

Deine Stimmung? resigniert

Deine Freunde? geduldig

Woran denkst du gerade? Hunger

Was machst du gerade? Fragebogen

Dein Sommer? verregnet

Was läuft in deinem TV? Sommerpause

Wann hast du das letzte Mal gelacht? Samstag

Das letzte Mal geweint? vorhin

Schule? vergessen

Was hörst du gerade? Babygeschrei

Liebste Wochenendbeschäftigung? schlafen

Traumjob? Reisefotografin

Dein Computer? Miststück

Außerhalb deines Fensters? Jalousie

Bier? Bäh

Mexikanisches Essen? Bäh

Winter? Ekelhaft

Religion? nix

Urlaub? bitte

Auf deinem Bett? gemütlich

Liebe? unbedingt

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Sonntag, 26. August 2007
WIEDER MAL 'NE HOCHZEIT
cassandra, Sonntag, 26. August 2007, 06:49
Filed under: Aus dem Leben einer Tussi
Es ist unfassbar heiss im Taxi. Ich kurbel das Fenster hinunter und provoziere einen direkten Anschiss vom Fahrer.
Ich hab' die Klimaanlage an. Die funktioniert nicht, wenn sie das Fenster auf machen.
Ich kurbel das Fenster wieder hoch.
Das nigelnagelneue Seidenkleid droht an den achselnaheliegenden Stellen dunkle und äusserst unschöne Schweissabsonderungsnachweise zu bilden. Die Klimaanlage ist auf 23 Grad eingestellt und ich überlege ca. 9 Minuten lang, ob ich das Thema gedenke auszudiskutieren. Leider sind wir da bereits am Ziel unserer Fahrt angekommen.

++++++

Leider ist das Ziel nicht mein Ziel. Die Kirche liegt inmitten der Düsseldorfer Altstadt. Da fährt kein Taxi rein. Ich laufe im schweissdurchtränktem Seidenkleid und silbernen High Heels durch die Altstadt, die an einem Samstag, der endlich mal durch schönes Wetter glänzt, von Horden von Altbiersäufern, Junggesellenabschiedsteilnehmern und Fortunafans bevölkert ist, die mich blöd anstarren.
Laufen ist ein wenig übertrieben. Die Saumweite des Kleides macht aus einem würdevollen und eleganten Schreiten eine Art Geishaesques Dahintrippeln. Das Kopfsteinpflaster addiert eine beinahe komische Note.

++++++

In der Kirche merke ich, dass ich leider vergessen habe, den Reissverschluss meines komplett schweissdurchtränkten Seidenkleides zu schliessen. Der Reissverschluss reicht genau bis zur Poritze und endblösst den pinken Slip, den ich darunter trage.
Scheisse, wenn man sich allein anziehen muss.

++++++

Die Braut schreitet vor den Altar, die Tränen steigen in die Augen. Sie sieht aus, wie eine Prinzessin.
Man freut sich, ist aufgeregt, erregt, gerührt - der Pfarrer beginnt zu sprechen... und erzählt, das es nicht nett wäre, wenn man jetzt sein Handy an hätte oder fotografieren würde. Das turnt ab. Das könnte man auch ins Programm schreiben. Das ist auch irgendwie selbstverständlich.
Die nächsten 1,5 Stunden reichen nicht aus, um den schlechten Eindruck bezüglich des Herren wieder gut zu machen.

++++++

Vor lauter Aufregung beim Gratulieren und Hinundherumarme dem Bräutigam versehentlich auf den Mund geküsst. Nicht mein Tag, heute.

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Mal eine nette Idee: das Brautpaar und die gesamte Gesellschaft laufen zu Fuss durch die Altstadt. Bester Spruch der herumstehenden Altbiersäufer/Junggesellen/Fortunafans:
Na, dass die Jungfern noch Jungfrauen sind, bezweifel ich ja.

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45 Minuten (ungelogen und nicht geschönt) über den Fussboden gerobbt und meinen linken, silbernen High Heel gesucht. Die Stühle waren mit so Bettlackenüberziehern bezogen. Unter jedem verdammten Stuhlkondom im Ballsaal nachgesehen. Irgendwann die Suche aufgegeben. Dann beim (barfüssigen) Warten auf's Taxi meint der Freund einer Kollegin (!):
Ich hab' da vorhin einen Schuh gefunden und den in den Leuchter gehängt.
Glückliche Wiedervereinigung.
Arschloch.

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