... neuere Einträge
ICH WERDE EUROPA NIE WIEDER VERLASSEN
cassandra, Donnerstag, 3. August 2006, 15:26
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Vorsichtig ausgedrückt, könnte man behaupten, ich stünde derzeit ein wenig unter Stress. Trotzdem möchte ich es mir nicht nehmen lassen, auf den Zug Flieger aufzuspringen und meinen Senf zum Thema „etwas verkompliziertere Einreisbedingungen in die Vereinten Staaten“ abzugeben. (wie man hier und hier sieht, reist ja halb Kleinbloggersdorf in diesem Jahr in die USA.)
Momentan habe ich ja gerade mal sehr viel Zeit, sitze ich doch gerade zum zweiten mal innerhalb einer Woche auf dem Einwohnermeldeamt.
Es hätte alles so schön sein können: der Liebste und ich reisen vier Wochen durch den Südwesten der USA. Erst neulich schwelgte ich in Erinnerungen, als ich mit ihm telefonierte. Ich erzählte ihm von meiner letzten Reise von vor 5 Jahren, als ich beim Packen in der Nacht vor dem Flug feststellte, dass der Reisepass abgelaufen war. Wie ich heulend gegen Mitternacht mit den Jungs vom Bundesgrenzschutz auf dem Flughafen telefonierte, die zwar viel Mitleid, aber auch nicht wirklich Hilfe anbieten konnten. Wie ich am nächsten Morgen, einem Samstag, zwei Tage vor Weihnachten, morgens vor dem Amt stand, eine Handynotfallnummer entdeckte, sich der Herr, der nicht einmal in Düsseldorf wohnte, sich tatsächlich sofort ins Auto setzte, um mich zu treffen und mir einen vorläufigen Pass auszustellen und ich trotzdem meinen Flieger erwischte, der um 10 Uhr vom Boden abhob.
Ich musste angesichts der Erinnerung an meine Schusseligkeit schmunzeln und während der Liebste mir seine Vorstellungen über das ferne Land in den Hörer säuselte, stand ich vom Sofa auf, um doch einen kurzen, beruhigenden Blick auf meinen Pass zu werfen. Nun. Was soll ich sagen. Das unzuverlässige Stück war bereits im Mai ausgelaufen.
Ich liess also in den folgenden Tagen ein den biometrischen Normen entsprechendes Abbild meiner selbst anfertigen. Leider entfaltet sich der Charme meiner Physiogonomie erst bei einem Lächeln mit leicht geneigtem Kopf. Ich war jedoch an diesem Tag zu müde, um die blutunterlaufenen Augen, das von der Hitze aufgeschwemmte Gesicht und den Mund mit den herabhängenden Winkeln zu kritisieren und ergab mich klaglos meinem Schicksal. Vermutlich ist es auf diese Weise auch ganz spannend. Bisher lief ich nämlich mit einem Foto in Pass und Personalausweis (muss ich erwähnen, dass er ebenfalls abgelaufen war?) durch der Herren Länder, dass meinem Aussehen eher schmeichelte, um nicht zu sagen übertrieb. Zumindest hatte es den Effekt, dass die Beamten bei der Grenzüberschreitung immer erwartungsvoll von meinen Papieren aufblickten und dann verstört wieder den Kopf senkten. Mit meinem neuen Pass kann ich wenigstens garantieren, dass ich in persona stets wesentlich besser aussehe, als auf dem enthaltenen Bildnis.
Ich beantragte ohne erwähnenswerte Probleme die Dokumente und das könnte bereits das Ende einer vollkommen nichtssagenden Geschichte sein, wenn da nicht der eingangs erwähnte Stress wäre.
Ich arbeite nämlich gerade an einem recht aufwendigen Projekt, bei dem ich es mit Chinesen und Amerikanern zu tun habe. Eine auf Grund der Zeitverschiebungen äusserst ungünstige Kombination, die meine Anwesenheit im Büro eigentlich rund um die Uhr erforderlich macht. Nun hat es sich vor zwei Tagen ergeben, dass ich vermutlich am 13. August in die USA fliegen muss. Selbstverständlich ist mein Reisepass bis dahin nicht fertig und die Einreise mit einem vorläufigen Pass seit Anfang des Jahres unmöglich.
Nun gibt es genau zwei Möglichkeiten, doch noch in die USA zu kommen. Die erste besteht darin, einen Express-Antrag für einen Reisepass zu stellen. Dieser Prozess beschleunigt nicht etwa die bereits vorliegende Bestellung, sondern startet einen neuen Erstellungsvorgang, während der erste storniert wird. Ich entschied mich für die zweite Variante, denn über die Tatsache, dass man dafür noch einmal fast 100 Euro zahlen muss, ohne die bereits gezahlten 59 Euro erstattet oder angerechnet zu bekommen, geriet ich ein wenig in Rage.
Die zweite Möglichkeit hört sich einfach an: man beantragt einen vorläufigen Pass und ein Besuchervisum. Nach ein paar Telefonaten stellte sich die Abwicklung wie folgt dar:
• Man vereinbahrt einen Termin im amerikanischen Konsulat in Frankfurt zu einem Interview, in dem man auf Herz und Nieren auf seine Absichten geprüft wird.
Pech, wenn der nächstmögliche Termin übermorgen um 7:30 Uhr ist und der darauf folgende am Tag nach dem geplanten Abflug. Dann hat man nämlich genau einen Tag Zeit, um die anderen Dinge zu erledigen.
• Man rennt zum Einwohnermeldeamt. Nicht das Bürgerbüro, wo man 5 Minuten aber leider eben auch ein paar Tage auf den vorläufigen Pass wartet, sondern die Hauptniederlassung. Das ist die, wo man zwei Stunden versucht, das Prinzip der Nummernverlosung zu verstehen und man, während munter 700er und 800er Nummern aufpoppen, fassungslos auf seinen Zettel mit der 124 starrt.
• Man überweist die Visa Gebühren. Natürlich nicht online, das wäre zwar einfach, aber nachweislos und prinzipiell muss man sich an den Gedanken gewöhnen, im Umgang mit den amerikanischen Behörden alles nachzuweisen. Also geht man zu seiner Bank des Vertrauens und lässt sich einen Stempel machen.
• Man geht wieder zum Fotografen. Nun könnte man darauf verweisen, dass man ja noch vom letzten Mal ein paar Verbrecherfotos übrig hat... Gilt aber nicht. Für’s Visum hätte man gerne eine quadratische Form von 5x5cm. Mir sind keinerlei Automaten und Fotografen bekannt, die das überhaupt anbieten.
• Man lädt ein Formular aus dem Netz herunter und füllt es aus. (Zu Beginn glaubte ich tatsächlich, dass dies der einzige zu vollziehende Schritt auf dem Weg in die USA ist.)
• Man erbringt schriftliche Nachweise über die Notwendigkeit der Reise, die Finanzierbarkeit der Reise und den Beweis, dass man vorhat definitiv wieder das Land zu verlassen. Fragen nach der Art dieser Nachweise bleiben unbeantwortet. Reicht z.B. ein Schreiben meiner Firma, das besagt, dass sie für die Kosten der Reise aufkommen oder will man zusätzlich Kontoauszüge sehen? Muss ich meinen kompletten E-Mail-Verkehr, das Projekt betreffend mitbringen? Wie soll ich meinem Rückreisewunsch Ausdruck verleihen, wenn ich noch gar kein Flugtickt habe, weil ich derzeit weder weiss, wohin ich fliege, noch wann es zurück geht. „Auskünfte über die Art der Nachweise und darüber, was anerkannt wird oder nicht, erteilen wir prinzipiell nicht." teilte man mir am Telefon mit.
Diese Tortur erschien mir dann doch etwas unmöglich doch vorsorglich meldete ich mich für den heutigen Termin um 7:30 an. Eine Mail informierte mich darüber, dass man die Einladung zum Interview sehr ernst nimmt, dass ich auf keinen Fall mehr als 15 Minuten vor dem Termin erscheinen darf, weder Handy, Laptop, iPod oder Fotoapparat mit mir führen dürfte, weil man sie sonst wegwerfen würde und das man mich köpfen würdem wenn ich zu spät zu dem ca. 4-stundendauernden Termin erscheinen würde.
Vor lauter Arbeit vergass ich nur leider gestern, den Termin wieder abzusagen und nun haben wir den Salat: heute morgen um 7 Uhr war der Termin nicht mehr stornierbar und ich glänzte durch unentschuldigtes Fehlen. Da man meine Daten im System hat, müssen der Liebste und ich wohl langsam über alternative Urlaubspläne nachdenken.
*Die Nummer 124 wird aufgerufen. Ich bin gleich zurück...*
Nachtrag: Die spinnen doch alle, diese verdammten, vollidiotischen Panikmacher.
Die Warterei war umsonst. Mein Passbild wird nicht akzeptiert. Es interessiert auch niemanden, dass das selbe Bild vor wenigen Tagen noch für den beantragten Pass akzeptiert wurde. Plötzlich ist mein Gesicht 2mm zu kurz. War es letzte Woche nicht. Muss wohl geschrumpft sein. Auf dem Foto.
Jetzt wieder zum Fotografen. Wieder zum Amt.
Ihr könnt mich mal. Ich fahre an die Ostsee.
Momentan habe ich ja gerade mal sehr viel Zeit, sitze ich doch gerade zum zweiten mal innerhalb einer Woche auf dem Einwohnermeldeamt.
Es hätte alles so schön sein können: der Liebste und ich reisen vier Wochen durch den Südwesten der USA. Erst neulich schwelgte ich in Erinnerungen, als ich mit ihm telefonierte. Ich erzählte ihm von meiner letzten Reise von vor 5 Jahren, als ich beim Packen in der Nacht vor dem Flug feststellte, dass der Reisepass abgelaufen war. Wie ich heulend gegen Mitternacht mit den Jungs vom Bundesgrenzschutz auf dem Flughafen telefonierte, die zwar viel Mitleid, aber auch nicht wirklich Hilfe anbieten konnten. Wie ich am nächsten Morgen, einem Samstag, zwei Tage vor Weihnachten, morgens vor dem Amt stand, eine Handynotfallnummer entdeckte, sich der Herr, der nicht einmal in Düsseldorf wohnte, sich tatsächlich sofort ins Auto setzte, um mich zu treffen und mir einen vorläufigen Pass auszustellen und ich trotzdem meinen Flieger erwischte, der um 10 Uhr vom Boden abhob.
Ich musste angesichts der Erinnerung an meine Schusseligkeit schmunzeln und während der Liebste mir seine Vorstellungen über das ferne Land in den Hörer säuselte, stand ich vom Sofa auf, um doch einen kurzen, beruhigenden Blick auf meinen Pass zu werfen. Nun. Was soll ich sagen. Das unzuverlässige Stück war bereits im Mai ausgelaufen.
Ich liess also in den folgenden Tagen ein den biometrischen Normen entsprechendes Abbild meiner selbst anfertigen. Leider entfaltet sich der Charme meiner Physiogonomie erst bei einem Lächeln mit leicht geneigtem Kopf. Ich war jedoch an diesem Tag zu müde, um die blutunterlaufenen Augen, das von der Hitze aufgeschwemmte Gesicht und den Mund mit den herabhängenden Winkeln zu kritisieren und ergab mich klaglos meinem Schicksal. Vermutlich ist es auf diese Weise auch ganz spannend. Bisher lief ich nämlich mit einem Foto in Pass und Personalausweis (muss ich erwähnen, dass er ebenfalls abgelaufen war?) durch der Herren Länder, dass meinem Aussehen eher schmeichelte, um nicht zu sagen übertrieb. Zumindest hatte es den Effekt, dass die Beamten bei der Grenzüberschreitung immer erwartungsvoll von meinen Papieren aufblickten und dann verstört wieder den Kopf senkten. Mit meinem neuen Pass kann ich wenigstens garantieren, dass ich in persona stets wesentlich besser aussehe, als auf dem enthaltenen Bildnis.
Ich beantragte ohne erwähnenswerte Probleme die Dokumente und das könnte bereits das Ende einer vollkommen nichtssagenden Geschichte sein, wenn da nicht der eingangs erwähnte Stress wäre.
Ich arbeite nämlich gerade an einem recht aufwendigen Projekt, bei dem ich es mit Chinesen und Amerikanern zu tun habe. Eine auf Grund der Zeitverschiebungen äusserst ungünstige Kombination, die meine Anwesenheit im Büro eigentlich rund um die Uhr erforderlich macht. Nun hat es sich vor zwei Tagen ergeben, dass ich vermutlich am 13. August in die USA fliegen muss. Selbstverständlich ist mein Reisepass bis dahin nicht fertig und die Einreise mit einem vorläufigen Pass seit Anfang des Jahres unmöglich.
Nun gibt es genau zwei Möglichkeiten, doch noch in die USA zu kommen. Die erste besteht darin, einen Express-Antrag für einen Reisepass zu stellen. Dieser Prozess beschleunigt nicht etwa die bereits vorliegende Bestellung, sondern startet einen neuen Erstellungsvorgang, während der erste storniert wird. Ich entschied mich für die zweite Variante, denn über die Tatsache, dass man dafür noch einmal fast 100 Euro zahlen muss, ohne die bereits gezahlten 59 Euro erstattet oder angerechnet zu bekommen, geriet ich ein wenig in Rage.
Die zweite Möglichkeit hört sich einfach an: man beantragt einen vorläufigen Pass und ein Besuchervisum. Nach ein paar Telefonaten stellte sich die Abwicklung wie folgt dar:
• Man vereinbahrt einen Termin im amerikanischen Konsulat in Frankfurt zu einem Interview, in dem man auf Herz und Nieren auf seine Absichten geprüft wird.
Pech, wenn der nächstmögliche Termin übermorgen um 7:30 Uhr ist und der darauf folgende am Tag nach dem geplanten Abflug. Dann hat man nämlich genau einen Tag Zeit, um die anderen Dinge zu erledigen.
• Man rennt zum Einwohnermeldeamt. Nicht das Bürgerbüro, wo man 5 Minuten aber leider eben auch ein paar Tage auf den vorläufigen Pass wartet, sondern die Hauptniederlassung. Das ist die, wo man zwei Stunden versucht, das Prinzip der Nummernverlosung zu verstehen und man, während munter 700er und 800er Nummern aufpoppen, fassungslos auf seinen Zettel mit der 124 starrt.
• Man überweist die Visa Gebühren. Natürlich nicht online, das wäre zwar einfach, aber nachweislos und prinzipiell muss man sich an den Gedanken gewöhnen, im Umgang mit den amerikanischen Behörden alles nachzuweisen. Also geht man zu seiner Bank des Vertrauens und lässt sich einen Stempel machen.
• Man geht wieder zum Fotografen. Nun könnte man darauf verweisen, dass man ja noch vom letzten Mal ein paar Verbrecherfotos übrig hat... Gilt aber nicht. Für’s Visum hätte man gerne eine quadratische Form von 5x5cm. Mir sind keinerlei Automaten und Fotografen bekannt, die das überhaupt anbieten.
• Man lädt ein Formular aus dem Netz herunter und füllt es aus. (Zu Beginn glaubte ich tatsächlich, dass dies der einzige zu vollziehende Schritt auf dem Weg in die USA ist.)
• Man erbringt schriftliche Nachweise über die Notwendigkeit der Reise, die Finanzierbarkeit der Reise und den Beweis, dass man vorhat definitiv wieder das Land zu verlassen. Fragen nach der Art dieser Nachweise bleiben unbeantwortet. Reicht z.B. ein Schreiben meiner Firma, das besagt, dass sie für die Kosten der Reise aufkommen oder will man zusätzlich Kontoauszüge sehen? Muss ich meinen kompletten E-Mail-Verkehr, das Projekt betreffend mitbringen? Wie soll ich meinem Rückreisewunsch Ausdruck verleihen, wenn ich noch gar kein Flugtickt habe, weil ich derzeit weder weiss, wohin ich fliege, noch wann es zurück geht. „Auskünfte über die Art der Nachweise und darüber, was anerkannt wird oder nicht, erteilen wir prinzipiell nicht." teilte man mir am Telefon mit.
Diese Tortur erschien mir dann doch etwas unmöglich doch vorsorglich meldete ich mich für den heutigen Termin um 7:30 an. Eine Mail informierte mich darüber, dass man die Einladung zum Interview sehr ernst nimmt, dass ich auf keinen Fall mehr als 15 Minuten vor dem Termin erscheinen darf, weder Handy, Laptop, iPod oder Fotoapparat mit mir führen dürfte, weil man sie sonst wegwerfen würde
Vor lauter Arbeit vergass ich nur leider gestern, den Termin wieder abzusagen und nun haben wir den Salat: heute morgen um 7 Uhr war der Termin nicht mehr stornierbar und ich glänzte durch unentschuldigtes Fehlen. Da man meine Daten im System hat, müssen der Liebste und ich wohl langsam über alternative Urlaubspläne nachdenken.
*Die Nummer 124 wird aufgerufen. Ich bin gleich zurück...*
Nachtrag: Die spinnen doch alle, diese verdammten, vollidiotischen Panikmacher.
Die Warterei war umsonst. Mein Passbild wird nicht akzeptiert. Es interessiert auch niemanden, dass das selbe Bild vor wenigen Tagen noch für den beantragten Pass akzeptiert wurde. Plötzlich ist mein Gesicht 2mm zu kurz. War es letzte Woche nicht. Muss wohl geschrumpft sein. Auf dem Foto.
Jetzt wieder zum Fotografen. Wieder zum Amt.
Ihr könnt mich mal. Ich fahre an die Ostsee.
Kommentare (3 Kommentare) Kommentieren
... ältere Einträge