VON DER CHANCE, SICH ZWISCHEN EINEM KERL UND EINEM FAHRRAD ZU ENTSCHEIDEN
cassandra, Mittwoch, 22. Dezember 2004, 12:07
Filed under: Erinnerungen
Bis zu heutigen Tage bin ich immer noch nicht in den Genuss von Blitzlichtgewitter, in Ohnmacht fallenden pickligen Jungs und nach einem Autogramm kreischenden Teenies gekommen. Wenngleich ich zweimal ganz knapp an der Berühmtheit vorbeigeschlittert bin.
Vergessen wir mal die Theaterauftritte in der ostdeutschen Provinz, in der ich die nackte Auguste aus Dürrenmatts „Meteor“ mit viel Enthusiasmus spielte.
Meine erste Chance vor eine Kamera zu treten bekam ich vor ein paar Jahren. Ich war jung, schön und Single. Grund genug für ein paar Caster, mich in einer sehr schlechten Diskothek, in die mich meine Wege nur durch Zufall und aus Langerweile geführt haben, anzusprechen. Sie fragten, ob ich denn Lust hätte, mich für eine geplante Single Show auf SAT. 1 casten zu lassen. Ich hatte. Wie bereits erwähnt, war ich jung. Und naiv. Nicht unbedingt wild darauf, ins Fernsehen zu kommen, aber wild an allem interessiert, was mit Film und Fernsehen zu tun hatte. Einen Blick hinter die Kulissen einer Show zu werfen, ein Teil des ganzen zu sein erschien mir damals verlockend.
Zwei Wochen später klingelte das Telefon. Man wäre begeistert von mir, wollte mich unbedingt in der Show. Lektion 1 der Motivationsschulung. Du bist toll. Deine Ausstrahlung hat unsere Produzenten begeistert. Wir wollen Dich unbedingt in der Show haben. Würdest Du auch Fallback sein. Du bekommst 80 Mark und musst nur da sein. Falls einer der Hauptkandidaten ausfällt. Das heisst nicht, dass wir dich nicht als Hauptkandidaten wollen. Wir wollen eine ganze Show mit dir als Hero machen. Aber momentan suchen wir noch Fallbacks. Du musst nichts machen. Nur da sein und zuschauen. Dann siehst Du gleich mal, wie das abläuft, ohne Druck und so... Klar, hatte ich Lust. Geld brauchte ich auch immer. Ich machte mich daher eine paar Tage später auf dem Weg nach Köln-Hürth. Nun waren leider alle Kandidatinnen ausgefallen. Ich konnte zwar nicht drei Damen ersetzen, doch zum Glück hatte die Produktionsfirma vorgesorgt. Auf diese Weise war ich nicht die einzige, die mit der Nachricht konfrontiert wurde, in ein paar Stunden vor eine Kamera und einen gefüllten Zuschauerraum treten zu müssen.
Dennoch wurde es Zeit für Teil 2 der Motivationsschulung: Macht gar nichts. Nun werde nur nicht nervös. Das kriegen wir schon hin. Hast Du was besseres zum anziehen? Egal. Du bist eh so viel besser, als die Kandidatinnen, die wir vorher hatten.
Man steckte mich in einen oben-herum-Fummel, der eigentlich der Moderatorin gehörte. Meine Hose durfte ich anbehalten. Dann ging es in die Maske. Ha. Das war aufregend. Ich hatte noch nie ein/einhalb Stunden still vor einem Spiegel gesessen, während eine betagte Dame in meinem Gesicht herumwischte. Neunzig Minuten und acht Millimeter Gesichtsauftrag später, erkannte man mich nicht wieder. Meine Motivationstrainer (übrigens die selben, die mich in der Diskothek aufgelesen hatten) beäugten mich kritisch.
Irgendetwas war anders. Ich hatte doch tatsächlich vergessen zu erwähnen, dass ich in den zwei Wochen, die zwischen Casting und Fallbacktätigkeit lagen, meine langen dunklen Haare gegen kurze blonde eingetauscht hatte. (Ich bitte vielmals um Verzeihung. EINMAL im Leben darf man blond sein. Auch wenn die Haare im Schnitt nur 4 cm lang sind. Es war eine kurze Phase (erstaunlich, wie viel Wortspiele sich um das Thema Haare basteln lassen.). Alle Frauen, die ich kannte fanden es „Mutig, aber ich würde mich das nie trauen“ und alle Schwulen “Geil“. Heterosexuelle Männer bedachten mich jedoch mit Sprüchen, wie “Es kommt eh’ nur auf die inneren Werte an.“ und “Vielleicht kannst Du den Friseur ja verklagen.“. Da ich damals ein sexuell aktives Wesen war, das Wert auf den Kontakt zu heterosexuellen Exemplaren der männlichen Gattung legte, habe ich nach einer sich für meinen Stolz ziemenden Zeit wieder umgefärbt. Dies ist übrigens der einzige Grund, aus dem ich dieses Foto veröffentliche, denn man würde mich nicht auf der Straße erkennen.)
Da ich nun ein wenig vom Thema abgeschweift bin, möchte ich an dieser Stelle kurz das grandiose Konzept dieser Show erläutern. Die Show hiess „BUZZ. Singles am Drücker.“ Nie davon gehört? Nun das könnte an der Genialität der Sendung liegen: Drei Single Weibchen mussten sich hinter einer Schattenwand vorstellen. Der männliche Kandidat durfte auf Grund der Vorstellungen und Körper-Silouhetten eine Dame sofort herausschmeissen. Die anderen beiden Damen wurden dann zu ihm auf die Bühne gebeten und er durfte ihnen Fragen stellen. Daraufhin konnte er seine Wahl zwischen ihnen treffen und dann ging es in die finale Runde. ER und SIE mussten sich in eine Art Kabuff stellen und 10 Fragen der Moderatorin beantworten. Übereinstimmende Antworten hatten einen Einfluss auf die Aspekte des gemeinsamen Urlaubs, den die beiden gewinnen konnten. Zum Schluss durfte SIE dann entscheiden, ob sie mit ihm wegfahren wollte oder lieber ein Fahrrad haben möchte. Das ganze wurde dann noch einmal umgekehrt gespielt: drei Typen und eine Hero-Frau.
Ich glaube, das Publikum war einfach noch nicht reif für ein derart ausgefeiltes Konzept. Ihm dürstete nach mehr „Realität“. Daher wurde die Show damals nach ein paar Ausstrahlungen abgesetzt.
Zu meiner Verteidigung sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich erst zum Zeitpunkt der Maskenauftragung erfuhr, was mich erwartete.
Nach selbiger ging es zur Texterschmiede. Es war natürlich ausgeschlossen, dass ich in der Lage wäre, mir selbst ein paar zusammenhängende Worte zurechtzulegen, um meine Person hinter der Schattenwand gebührend zu präsentieren. Daher interviewten mich zwei Leutchen der Motivationsschule zu meinen Hobbys und Lebensgewohnheiten. Sie schrieben danach mit dem Gesagten einen flippig-fetzigen Text, der sich doch tatsächlich reimte. „Hey. Ich bin die aus Düsseldorf stammende Cassandra. Spaß haben ist mein Mantra. Mein Hobby ist die Schwarz-weiss-Fotografie, genau. Und deshalb ist meine Katze für mich auch am Tage grau. usw.“ So in der Art. Hübsch. ICH WAR DAMALS WIRKLICH JUNG UNDBLÖD NAIV. Genau genommen war ich furchtbar aufgeregt und es war mir damals ziemlich egal, ob ich mich zu einem Vollklops machte. (Meine Freunde schauen sich so etwas eh’ nicht an.) Ich musste den Text auswendig lernen. Habe ich schon erwähnt, dass der Text gerapt werden sollte und ich dabei wild herumhoppeln sollte? Nun. Ich hatte sogar einen Trainer, der mir beibrachte, wie ich mich cool-lässig-wippend zu meinen Reimen zu bewegen hatte. Während der ganzen Prozeduren wichen meine Motivationstrainer nicht von meiner Seite. “Du bist so lässig. Du machst das echt toll. Quatsch. Das ist nicht affig. Groovig. Echt wahr. Wir haben uns bereits die anderen Kandidatinnen angesehen. Du machst das echt am besten. Du rapst und tanzt so natürlich. Voll gut, Mann. Außerdem siehst Du so was von wahnsinnig gut aus. Echt und total geil.
Die ganze Vorbereitung zog sich über einige Stunden hin. Meine neu-gewonnen „Freunde“ hatten mich ermutigt, ein paar Freundinnen einzuladen, die meinen Auftritt im Publikum verfolgen könnten. Das habe ich in meinem vorüberauftretenden Schwachsinn tatsächlich getan. Es gibt doch nichts schöneres, als ein paar Freundinnen, die die größte Peinlichkeit deines Lebens life miterleben.
Endlich ging es auf die Bühne.
Der Herr Kandidat stellte sich vor und beantwortete ein paar Fragen der Moderatorin.
Leider fand diese Vorstellung außerhalb meiner Wahrnehmung statt, da ich mit Kopfhörern, die irgendein Gedudel von sich gaben, hinter der Bühne stand. Dank meinen Freundinnen und meinen eigenen Eindrücken, die ich später sammeln durfte, kann ich ihn jedoch recht gut beschreiben. ER war ca. 170 cm groß, hatte lange schwarze – sehr gut gepflegte – Haare und trug ein schwarzes, weit ausgeschnittenes Muscle-Shirt. Sein Teint war gut durchgebräunt und ja – er mag Spiegel im Schlafzimmer, weil er mit ihrer Hilfe seine eigene Performance im Auge haben konnte. (Das denke ich mir jetzt WIRKLICH nicht aus, das war seine Antwort auf die Frage der Moderatorin.) Auf die Frage, wie seine Traumfrau aussehe, antwortete er “Lange Haare, gutgebaut.". Der aufmerksame Leser wird sich nun meine bereits erwähnten 4 cm kurzen blonden Stoppel in Erinnerung rufen. Was ich nicht erwähnt habe, ist, dass es sich bei meinen Mitbewerberinnen um vollbusige, kurz-berockte, langhaarige Grazien handelte, deren IQ sich umgekehrt proportional zu ihrer Haarlänge verhielt und deren Rap-Text mindestens genauso hohl wie der meinige klang. Klein-Cassandra hoppelte daher auf-Grund-der-Kopfhörer-vollkommen-ahnungslos hinter die Schattenwand, sagte ihren Spruch fehlerfrei und an den richtigen Stellen betont auf, bewegte sich aufreizend im nicht vorhandenen Rhythmus der Worte und – flog raus. Sofort. Ungesehen. Ohne zweite Chance. Raus und vorbei.
Aber, HALLO! Auch für diesen Fall hatten die Motivationstrainer vorgesorgt. Sie hatten uns genaueste (Text-)vorgaben für einen eventuellen Rausschmiss diktiert. Trotteliges, Adrenalin-geputsches Herdentier, das ich war, habe ich diese auch exakt befolgt. Ich hüpfte daher freudestahlend an „Winnetou-in-arm“ vorbei, streifte die Kamera, warf einen tiefen Blick hinein und hauchte “Egal. Aber. Hey. Der Kameramann ist ja auch ein ganz Süßer.“
Ich versinke vor peinlich berührter Ehrfurcht in den Boden. Hatte ich erwähnt, das ich jung war und...
Ich hoffe, ich erkläre mit meiner Geschichte ein wenig, warum es so viele Trottel im deutschen Fernsehen gibt.
Den Rest der Show durfte ich mit meinen Freundinnen im Backstagebereich vor der Videoausspielung verfolgen.
Wir haben uns köstlich amüsiert. Die Show musste diverse Male abgebrochen werden, da die Auserwählte ständig ein Brett vor dem Kopf hatte. Es handelte sich um die letzte Runde. Beide standen in ihren Kabuffs, mussten Fragen beantworten, indem sie ein Schild hochhielten, auf dem JA oder NEIN stand. Die Anweisungen des Regisseurs waren deutlich. “Haltet das Schild über den Kopf, damit man es lesen kann und trotzdem euer Gesicht sieht.“ Die Dame kriegt das nicht wirklich hin. Jedes Mal hielt sie das Schild vor ihren Kopf. Zur Belustigung des Publikums, das inzwischen alle Antworten kannte, wurde das Spiel fünf Mal wiederholt. Sie gewannen eine hübsche Reise und SIE entschied sich, mit dem Herrn Kandidaten die Reise anzutreten und auf das Fahrrad zu verzichten.
Es wurde ein sehr lustiger Abend. Auf der Party nach der Aufzeichnung kam dann der Herr Kandidat nicht mit der Dame zusammen, die er gewonnen hatte, sondern mit der Hero-Kandidatin der zweiten Runde.
Meine neu-gewonnen motivierungsstarken Freunde zogen es vor, unter sich zu feiern und kannten mich plötzlich nicht mehr. Letzte Lektion zum Thema Motivierung: "Wir wussten von Anfang an, dass du zuerst rausfliegst. Er steht halt auf lange Haare und deine sind ja total kurz.“
Ich hatte gottseindank meine Freundinnen da und wir tranken erst einmal auf mein Glück, nicht gewonnen zu haben.
Geld bekam ich leider keines. Dadurch, dass ich vom Fallback zur Kandidatin befördert wurde, hatte ich ja die Chance, einen aufregenden Urlaub mit einem Traummann oder ein Fahrrad zu gewinnen.
Mein erster Blick hinter die Kulissen hat mich eine Menge gelehrt.
Ein paar Monate später ereilte mich ein Anruf der Produktionsfirma, mit der Frage, ob ich Lust hätte, bei einer ganz neuen, aufregenden Show mitzumachen. Ein paar Promis singen irgendetwas und ich stehe im Publikum und tanze. Der Fokus liegt natürlich auf der super Stimmung im Publikum. Ich könnte gerne auch ein paar Freundinnen mitbringen. Ich fragte, was ich dafür bekommen würde. Leichte Irritation am anderen Ende der Leitung. Na: ganz viel Spaß mit deinen Freundinnen Nein, danke. Den habe ich auch so.
Mein triumphaler Untergang in einer Fernsehshow wurde durch die Mädels erst spaßig. Trotzdem machte ich mir ein paar Gedanken darüber, was passieren würde, wenn jemand anderes die Show sehen würde. Ein Päckchen von SAT.1 erlöste mich von meinen Qualen. Ein Schreiben verkündete mir, dass die Pilotsendung leider nicht ausgestrahlt werden würde, weil man noch einige Änderungen im Bühnenbild in Betracht zöge. Als Trost für meinen verpassten Fernsehruhm hatte man dem Brief ein SAT.1 T-Shirt in Größe XL beigefügt. Ich habe mich über die Maßen gefreut.
Bleibt jetzt nur noch der 12-seitige Vertrag, in dem ich alle bestehenden und zukünftigen Rechte an meiner Person abgetreten habe. Aber an den komme ich auch schon noch ran.
Jetzt bin ich müde und der Text ist auch ein wenig lang geraten.
Daher der nächste und letzte Teil der „Almost Famous“ Serie ein anderes Mal. Es handelt sich um meinen Auftritt in dem legendären deutschen Blockbuster, der zur Zeit im Kino läuft. Cassandra goesHollywood Cannes.
Vergessen wir mal die Theaterauftritte in der ostdeutschen Provinz, in der ich die nackte Auguste aus Dürrenmatts „Meteor“ mit viel Enthusiasmus spielte.
Meine erste Chance vor eine Kamera zu treten bekam ich vor ein paar Jahren. Ich war jung, schön und Single. Grund genug für ein paar Caster, mich in einer sehr schlechten Diskothek, in die mich meine Wege nur durch Zufall und aus Langerweile geführt haben, anzusprechen. Sie fragten, ob ich denn Lust hätte, mich für eine geplante Single Show auf SAT. 1 casten zu lassen. Ich hatte. Wie bereits erwähnt, war ich jung. Und naiv. Nicht unbedingt wild darauf, ins Fernsehen zu kommen, aber wild an allem interessiert, was mit Film und Fernsehen zu tun hatte. Einen Blick hinter die Kulissen einer Show zu werfen, ein Teil des ganzen zu sein erschien mir damals verlockend.
Zwei Wochen später klingelte das Telefon. Man wäre begeistert von mir, wollte mich unbedingt in der Show. Lektion 1 der Motivationsschulung. Du bist toll. Deine Ausstrahlung hat unsere Produzenten begeistert. Wir wollen Dich unbedingt in der Show haben. Würdest Du auch Fallback sein. Du bekommst 80 Mark und musst nur da sein. Falls einer der Hauptkandidaten ausfällt. Das heisst nicht, dass wir dich nicht als Hauptkandidaten wollen. Wir wollen eine ganze Show mit dir als Hero machen. Aber momentan suchen wir noch Fallbacks. Du musst nichts machen. Nur da sein und zuschauen. Dann siehst Du gleich mal, wie das abläuft, ohne Druck und so... Klar, hatte ich Lust. Geld brauchte ich auch immer. Ich machte mich daher eine paar Tage später auf dem Weg nach Köln-Hürth. Nun waren leider alle Kandidatinnen ausgefallen. Ich konnte zwar nicht drei Damen ersetzen, doch zum Glück hatte die Produktionsfirma vorgesorgt. Auf diese Weise war ich nicht die einzige, die mit der Nachricht konfrontiert wurde, in ein paar Stunden vor eine Kamera und einen gefüllten Zuschauerraum treten zu müssen.
Dennoch wurde es Zeit für Teil 2 der Motivationsschulung: Macht gar nichts. Nun werde nur nicht nervös. Das kriegen wir schon hin. Hast Du was besseres zum anziehen? Egal. Du bist eh so viel besser, als die Kandidatinnen, die wir vorher hatten.
Man steckte mich in einen oben-herum-Fummel, der eigentlich der Moderatorin gehörte. Meine Hose durfte ich anbehalten. Dann ging es in die Maske. Ha. Das war aufregend. Ich hatte noch nie ein/einhalb Stunden still vor einem Spiegel gesessen, während eine betagte Dame in meinem Gesicht herumwischte. Neunzig Minuten und acht Millimeter Gesichtsauftrag später, erkannte man mich nicht wieder. Meine Motivationstrainer (übrigens die selben, die mich in der Diskothek aufgelesen hatten) beäugten mich kritisch.
Irgendetwas war anders. Ich hatte doch tatsächlich vergessen zu erwähnen, dass ich in den zwei Wochen, die zwischen Casting und Fallbacktätigkeit lagen, meine langen dunklen Haare gegen kurze blonde eingetauscht hatte. (Ich bitte vielmals um Verzeihung. EINMAL im Leben darf man blond sein. Auch wenn die Haare im Schnitt nur 4 cm lang sind. Es war eine kurze Phase (erstaunlich, wie viel Wortspiele sich um das Thema Haare basteln lassen.). Alle Frauen, die ich kannte fanden es „Mutig, aber ich würde mich das nie trauen“ und alle Schwulen “Geil“. Heterosexuelle Männer bedachten mich jedoch mit Sprüchen, wie “Es kommt eh’ nur auf die inneren Werte an.“ und “Vielleicht kannst Du den Friseur ja verklagen.“. Da ich damals ein sexuell aktives Wesen war, das Wert auf den Kontakt zu heterosexuellen Exemplaren der männlichen Gattung legte, habe ich nach einer sich für meinen Stolz ziemenden Zeit wieder umgefärbt. Dies ist übrigens der einzige Grund, aus dem ich dieses Foto veröffentliche, denn man würde mich nicht auf der Straße erkennen.)
Da ich nun ein wenig vom Thema abgeschweift bin, möchte ich an dieser Stelle kurz das grandiose Konzept dieser Show erläutern. Die Show hiess „BUZZ. Singles am Drücker.“ Nie davon gehört? Nun das könnte an der Genialität der Sendung liegen: Drei Single Weibchen mussten sich hinter einer Schattenwand vorstellen. Der männliche Kandidat durfte auf Grund der Vorstellungen und Körper-Silouhetten eine Dame sofort herausschmeissen. Die anderen beiden Damen wurden dann zu ihm auf die Bühne gebeten und er durfte ihnen Fragen stellen. Daraufhin konnte er seine Wahl zwischen ihnen treffen und dann ging es in die finale Runde. ER und SIE mussten sich in eine Art Kabuff stellen und 10 Fragen der Moderatorin beantworten. Übereinstimmende Antworten hatten einen Einfluss auf die Aspekte des gemeinsamen Urlaubs, den die beiden gewinnen konnten. Zum Schluss durfte SIE dann entscheiden, ob sie mit ihm wegfahren wollte oder lieber ein Fahrrad haben möchte. Das ganze wurde dann noch einmal umgekehrt gespielt: drei Typen und eine Hero-Frau.
Ich glaube, das Publikum war einfach noch nicht reif für ein derart ausgefeiltes Konzept. Ihm dürstete nach mehr „Realität“. Daher wurde die Show damals nach ein paar Ausstrahlungen abgesetzt.
Zu meiner Verteidigung sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich erst zum Zeitpunkt der Maskenauftragung erfuhr, was mich erwartete.
Nach selbiger ging es zur Texterschmiede. Es war natürlich ausgeschlossen, dass ich in der Lage wäre, mir selbst ein paar zusammenhängende Worte zurechtzulegen, um meine Person hinter der Schattenwand gebührend zu präsentieren. Daher interviewten mich zwei Leutchen der Motivationsschule zu meinen Hobbys und Lebensgewohnheiten. Sie schrieben danach mit dem Gesagten einen flippig-fetzigen Text, der sich doch tatsächlich reimte. „Hey. Ich bin die aus Düsseldorf stammende Cassandra. Spaß haben ist mein Mantra. Mein Hobby ist die Schwarz-weiss-Fotografie, genau. Und deshalb ist meine Katze für mich auch am Tage grau. usw.“ So in der Art. Hübsch. ICH WAR DAMALS WIRKLICH JUNG UND
Die ganze Vorbereitung zog sich über einige Stunden hin. Meine neu-gewonnen „Freunde“ hatten mich ermutigt, ein paar Freundinnen einzuladen, die meinen Auftritt im Publikum verfolgen könnten. Das habe ich in meinem vorüberauftretenden Schwachsinn tatsächlich getan. Es gibt doch nichts schöneres, als ein paar Freundinnen, die die größte Peinlichkeit deines Lebens life miterleben.
Endlich ging es auf die Bühne.
Der Herr Kandidat stellte sich vor und beantwortete ein paar Fragen der Moderatorin.
Leider fand diese Vorstellung außerhalb meiner Wahrnehmung statt, da ich mit Kopfhörern, die irgendein Gedudel von sich gaben, hinter der Bühne stand. Dank meinen Freundinnen und meinen eigenen Eindrücken, die ich später sammeln durfte, kann ich ihn jedoch recht gut beschreiben. ER war ca. 170 cm groß, hatte lange schwarze – sehr gut gepflegte – Haare und trug ein schwarzes, weit ausgeschnittenes Muscle-Shirt. Sein Teint war gut durchgebräunt und ja – er mag Spiegel im Schlafzimmer, weil er mit ihrer Hilfe seine eigene Performance im Auge haben konnte. (Das denke ich mir jetzt WIRKLICH nicht aus, das war seine Antwort auf die Frage der Moderatorin.) Auf die Frage, wie seine Traumfrau aussehe, antwortete er “Lange Haare, gutgebaut.". Der aufmerksame Leser wird sich nun meine bereits erwähnten 4 cm kurzen blonden Stoppel in Erinnerung rufen. Was ich nicht erwähnt habe, ist, dass es sich bei meinen Mitbewerberinnen um vollbusige, kurz-berockte, langhaarige Grazien handelte, deren IQ sich umgekehrt proportional zu ihrer Haarlänge verhielt und deren Rap-Text mindestens genauso hohl wie der meinige klang. Klein-Cassandra hoppelte daher auf-Grund-der-Kopfhörer-vollkommen-ahnungslos hinter die Schattenwand, sagte ihren Spruch fehlerfrei und an den richtigen Stellen betont auf, bewegte sich aufreizend im nicht vorhandenen Rhythmus der Worte und – flog raus. Sofort. Ungesehen. Ohne zweite Chance. Raus und vorbei.
Aber, HALLO! Auch für diesen Fall hatten die Motivationstrainer vorgesorgt. Sie hatten uns genaueste (Text-)vorgaben für einen eventuellen Rausschmiss diktiert. Trotteliges, Adrenalin-geputsches Herdentier, das ich war, habe ich diese auch exakt befolgt. Ich hüpfte daher freudestahlend an „Winnetou-in-arm“ vorbei, streifte die Kamera, warf einen tiefen Blick hinein und hauchte “Egal. Aber. Hey. Der Kameramann ist ja auch ein ganz Süßer.“
Ich versinke vor peinlich berührter Ehrfurcht in den Boden. Hatte ich erwähnt, das ich jung war und...
Ich hoffe, ich erkläre mit meiner Geschichte ein wenig, warum es so viele Trottel im deutschen Fernsehen gibt.
Den Rest der Show durfte ich mit meinen Freundinnen im Backstagebereich vor der Videoausspielung verfolgen.
Wir haben uns köstlich amüsiert. Die Show musste diverse Male abgebrochen werden, da die Auserwählte ständig ein Brett vor dem Kopf hatte. Es handelte sich um die letzte Runde. Beide standen in ihren Kabuffs, mussten Fragen beantworten, indem sie ein Schild hochhielten, auf dem JA oder NEIN stand. Die Anweisungen des Regisseurs waren deutlich. “Haltet das Schild über den Kopf, damit man es lesen kann und trotzdem euer Gesicht sieht.“ Die Dame kriegt das nicht wirklich hin. Jedes Mal hielt sie das Schild vor ihren Kopf. Zur Belustigung des Publikums, das inzwischen alle Antworten kannte, wurde das Spiel fünf Mal wiederholt. Sie gewannen eine hübsche Reise und SIE entschied sich, mit dem Herrn Kandidaten die Reise anzutreten und auf das Fahrrad zu verzichten.
Es wurde ein sehr lustiger Abend. Auf der Party nach der Aufzeichnung kam dann der Herr Kandidat nicht mit der Dame zusammen, die er gewonnen hatte, sondern mit der Hero-Kandidatin der zweiten Runde.
Meine neu-gewonnen motivierungsstarken Freunde zogen es vor, unter sich zu feiern und kannten mich plötzlich nicht mehr. Letzte Lektion zum Thema Motivierung: "Wir wussten von Anfang an, dass du zuerst rausfliegst. Er steht halt auf lange Haare und deine sind ja total kurz.“
Ich hatte gottseindank meine Freundinnen da und wir tranken erst einmal auf mein Glück, nicht gewonnen zu haben.
Geld bekam ich leider keines. Dadurch, dass ich vom Fallback zur Kandidatin befördert wurde, hatte ich ja die Chance, einen aufregenden Urlaub mit einem Traummann oder ein Fahrrad zu gewinnen.
Mein erster Blick hinter die Kulissen hat mich eine Menge gelehrt.
Ein paar Monate später ereilte mich ein Anruf der Produktionsfirma, mit der Frage, ob ich Lust hätte, bei einer ganz neuen, aufregenden Show mitzumachen. Ein paar Promis singen irgendetwas und ich stehe im Publikum und tanze. Der Fokus liegt natürlich auf der super Stimmung im Publikum. Ich könnte gerne auch ein paar Freundinnen mitbringen. Ich fragte, was ich dafür bekommen würde. Leichte Irritation am anderen Ende der Leitung. Na: ganz viel Spaß mit deinen Freundinnen Nein, danke. Den habe ich auch so.
Mein triumphaler Untergang in einer Fernsehshow wurde durch die Mädels erst spaßig. Trotzdem machte ich mir ein paar Gedanken darüber, was passieren würde, wenn jemand anderes die Show sehen würde. Ein Päckchen von SAT.1 erlöste mich von meinen Qualen. Ein Schreiben verkündete mir, dass die Pilotsendung leider nicht ausgestrahlt werden würde, weil man noch einige Änderungen im Bühnenbild in Betracht zöge. Als Trost für meinen verpassten Fernsehruhm hatte man dem Brief ein SAT.1 T-Shirt in Größe XL beigefügt. Ich habe mich über die Maßen gefreut.
Bleibt jetzt nur noch der 12-seitige Vertrag, in dem ich alle bestehenden und zukünftigen Rechte an meiner Person abgetreten habe. Aber an den komme ich auch schon noch ran.
Jetzt bin ich müde und der Text ist auch ein wenig lang geraten.
Daher der nächste und letzte Teil der „Almost Famous“ Serie ein anderes Mal. Es handelt sich um meinen Auftritt in dem legendären deutschen Blockbuster, der zur Zeit im Kino läuft. Cassandra goes
kinomu,
Donnerstag, 23. Dezember 2004, 00:20
Klingt, als wäre der Vertrag sowas von sittenwidrig ... den können Sie getrost vergessen.
(Die damalige Frisur sah ja wirklich fürchterlich aus.)
(Die damalige Frisur sah ja wirklich fürchterlich aus.)
cassandra,
Donnerstag, 23. Dezember 2004, 10:47
Herr Kinomu, Sie wissen wirklich, wie man einer Frau Komplimente macht ;-)