Cassandras Kopfkino
Montag, 15. August 2005
SCHÖNER WOHNEN MIT DEN ELTERN
cassandra, Montag, 15. August 2005, 16:12
Filed under: Alltag
Bisher konnte ich sämtliche Besuche meiner Eltern in meiner neuen Wohnung erfolgreich vermeiden.
Immerhin gelte ich auf Grund meines Alters mittlerweile als erwachsen und sollte einen Umzug und eine Renovierung auch ohne die Hilfe meiner Erzeuger durchführen können.
Um meinem Vater jedoch das Gefühl zu geben, nach wie vor eine überlebensunfähige Tochter zu sein, die auf seine Hilfe angwiesen ist, habe ich mir ein paar weniger schöne Tätigkeiten (Waschmaschinenabfluss, Küchenmöbel und Wohnzimmerlampen in 4 Meter Deckenhöhe anbringen (also die Lampen, nicht die Schränke) für den ersten KontrollBesuch aufgehoben.

Am Donnerstag reisten sie dann mit einem riesigen Arsenal von Werkzeug im Kofferraum und vielen guten Ratschlägen in der Blaumannbrusttasche an, um meinem neuen Domizil den letzten Schliff zu verpassen.

Natürlich wurde mein bisheriges Wirken und Schaffen mit keiner Silbe gewürdigt. Weder die Tapete, die ich mit Hilfe des Liebsten fast allein an die Wände verfrachtet habe, noch meine wunderschöne Lampen-Spiegel-Konstruktion im Badezimmer, deren Bau ich trotz Stromschlag überlebt habe, entlockte meinem Vater einen wohlwollenden Blick.
Endlich war er da, um meinen Schlampenhaushalt auf Vordermann zu bringen.

Gottseidank Leider musste ich am Freitag arbeiten und daher schickte ich die beiden mit einer detailierten Einkaufsliste und angekreuztem Küchenkatalog zu Ikea.
Bereits um 11 Uhr klingelte das Telefon.

Kannst Du schon Schluss machen?

Ääääh..... ????

Das klappt hier alles nicht. Wir wissen nicht, welche Front du haben willst.

Aber... Die habe ich doch angekreuzt.

Ich buchstabiere den Namen vorsichtshalber noch einmal.

Ach so. Na gut. Wann bist Du denn zu Hause?

Ich weiss nicht. Ich muss ja arbeiten.


Um 13 Uhr klingelt das Handy erneut.

Kannst Du jetzt kommen? Hier läuft alles schief. Wir müssen noch einmal zu Ikea. Wir haben den einen Schrank mit der falschen Front gekauft.

Ich erkläre meinem Chef, dass ich jetzt sofort das Büro verlassen muss, um weiteres Unheil zu vermeiden und fahre mit meiner Mutter zu Ikea.

Als wir nach Hause kommen hängen die Schränke bereits und ich darf meinem Vater ausnahmsweise helfen.
Mir wird das Anzeichen von Markierungen an den neuen Küchenoberschranktüren für die Griffe übertragen. Nach einer 15minütigen mündlichen sowie schriftlichen Einweisung mache ich mich an die Arbeit und halte mich penibel an die Skizzen.
Während ich, nach vollbrachter Aufgabe, meiner Mutter über die Schulter schaute, die seit 24 Stunden dabei ist, meine Wäsche zu bügeln, höre ich mit bösen Worten versetzte Flüche aus der Küche, in der mein Vater die Bohrungen an meinen Markierungen tätigt.
Instiktiv spüre ich, der Grund für seine Schimpftiraden zu sein und verdrücke mich ins Badezimmer. Die Toilette traue ich mich nicht zu benutzen, da ungefähr ein Liter dunkelblauer Urinsteinlöserflüssigkeit seinen Weg durch die Emaille bahnt. Ich setzte mich also auf den Deckel und starre minutenlang auf den gewienerten Fussboden. Ich kann mich jedoch nicht auf Dauer den chemischen Dämpfen aussetzen, ohne bleibende geistige Schäden davon zu tragen und beschliesse, mich der väterlichen Wut zu stellen.

Es stellt sich heraus, dass ich mich bei zwei Türen um jeweils 5 Millimeter vermessen und bei zwei weiteren Türen die Markierungen auf die falsche Seite gesetzt habe. Da die Griffe jedoch nicht in drei Metern Höhe angebracht werden können, prangen dort jetzt ein paar unschöne Löcher.
Manno. Nicht meine Schuld.
Ich habe doch bereits zugegeben, dass ich beim Handwerken zur Schusseligkeit neige.
Ausserdem hätte mein Vater die Markierungen ja überprüfen können, bevor er bohrt.

Als meine Eltern um 23 Uhr ins Bett gehen, beschliesse ich, mich hoffnungslos zu betrinken doch noch auf die Abschiedsparty einer Kollegin zu fahren.
Ich schaffe es tatsächlich, mich mit Hilfe diverser Getränke und Gespräche zu entspannen und falle gegen halb vier in einen glückseligen Schlaf.
Selbiger endet abrupt in den frühen Morgenstunden und ich finde mich mit dröhnendem Schädel am Frühstückstisch wieder, wo weitere Pläne geschmiedet werden.

Was machen wir denn mit dem Küchenboden?.

Die Frage verwirrt mich für einen Moment. Worauf will mein Vater hinaus? Soll ich die alten Holzdielen abschleifen und versiegeln lassen? Das würde meinem Konto den letzten Todesstoss versetzen.

Saubermachen???

Nein, nein. Da muss Linoleum rauf. Man hat doch keinen Holzboden in der Küche.


Ich verschlucke mich an meinem Brötchen, dessen Verzehr mir um 8 Uhr morgens an einem Samstag ohnehin nur mässig gelingen will.

Und wann schmeisst Du endlich diese Stühle weg?

Ich schaue betreten auf das Polster meiner 70er JahreTulip Stühle zwischen meinen Beinen.

Warum? Irgendwo drauf muss ich doch sitzen...

Die sehen aus, wie von der Müllhalde und dort gehören sie auch hin.

Ich schmolle ein wenig vor mich hin, da mein Zickpotential um diese Uhrzeit eher dürftig ist.

Nach der Abreise meiner Eltern ziehe ich mich für den Rest des Wochenendes auf die Couch zurück, um erst einmal gründlich auszuschlafen und von den Strapazen zu erholen.

Gestern abend rief meine Mutter noch einmal an und schlug mir vor, eine Putzfrau einzustellen, die auch bügelt. Ausserdem soll ich mit meinem Vater besprechen, wann er das nächste Mal kommt, um die Terrasse zu renovieren.
Den Termin muss ich erst einmal mit meinem Urlaub koordinieren, damit ich definitiv nicht zu Hause bin.

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