Cassandras Kopfkino
Montag, 6. November 2006
MANCHMAL MÖGEN FRAUEN EIN KLEINES BISSCHEN HAUE GERN
cassandra, Montag, 6. November 2006, 13:52
Filed under: Erinnerungen
Ich bin ja eher martialisch veranlagt und habe überhaupt kein Problem mit dem Einsatz von Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung. Selbstverständlich nur dann, wenn es gerechtfertigt ist, und z.B. ein vorwitziger BMW Fahrer einfach in die einzige frei werdene Parklücke fährt, obwohl man bereits seit fünf Minuten mit gesetztem Blinker davor steht. Einige Menschen sind halt vernünftigen Argumenten gegenüber unaufgeschlossen und das Leben ist zu kurz, sich über eine aufgetackelte und besoffene Tussi in einem Club zu ärgern, die meint, einen grundlos als Schlampe beschimpfen zu müssen.
Mein Standpunkt gegenüber körperlicher Gewalt war jedoch nicht immer derart klar definiert oder ihr Einsatz nicht immer rechtschaffend.

Eines schönen Tages spielte ich mit den Nachbarkindern auf dem Asphalt inmitten einer Plattenbausiedlung. Silvio, der Rotzlöffel aus dem dritten Stock war der Meinung, dass ihm mein rotes Dreirad viel besser zu Gesicht stünde und bemächtigte sich kurzerhand des Gefährtes. Wütend schimpfend rannte ich hinter ihm her während er seine Runden drehte. In diesem Augenblick kam mein Vater vom Einkaufen zurück und bog um die Ecke. Sobald ich ihn erblickte, tat ich dass, was die Evolution uns Weibchen seit Urgedenken einflüstert:
Ich fiel in mich zusammen und fing an zu heulen. Leider hatte der Papa zuvor beobachtet, dass ich mich auch ohne seine Hilfe zur Wehr setzen konnte und übte scharfe Kritik an meinem weibischen Habitus.
Ich musste mich auf seinen Schoss setzen und bekam eine Lektion zum Thema Konfliktlösungen durch brachiale Gewaltanwendung. Papa wollte plötzlich, dass ich ihn schlage. "Nur zu. Haue mir ins Gesicht. Richtig doll. Wenn jemand dich ärgert oder dir dein Spielzeug wegnimmt, haust du ihn einfach."
Mir ist der pädagogische Hintergrund dieser Anweisungen bis heute nicht zu voller Gänze klar geworden, aber den Worten meines Vaters konnte man eine gewisse Logik auch nicht absprechen.
Vorsichtig hauchte ich ihm einen Klapps auf die Wange. "Döller. Du kannst ruhig mit aller Kraft zuschlagen. Das tat ich dann auch und Papa war zufrieden.
Er zwang mich von da an, mit ihm gemeinsam Bud Spencer & Terence Hill Filme anzusehen und so prügelte ich mich in den folgenden Jahren mehr oder minder erfolgreich durch mein (Beziehungs-)Leben. Frauen wurden nie Ziel meiner körperlichen Attacken. Dafür kamen sie mir emotional nie nahe genug. Wenn mich jedoch ein männliches Geschöpf verbal oder durch seine Handlungen verletzte und die Tränen drohten, die Augen zu überschwemmen, überkam mich eine derartige Wut auf mich selbst und mein weibisches Rumgeheule, daß ich nur noch selber wehtun wollte.
Der Tritt zwischen die Beine oder das blaue Auge scheiterten jedoch daran, dass ich Hemmung hatte, auf Weichteile einzuschlagen, aber die Platzwunde an Christians Kopf, als ein Heizungskörper versehentlich gegen ihn rannte, weil der Achtjährige tatsächlich die Frechheit besaß zu gestehen, daß er meine beste Freundin lieber mochte als mich, konnte sich auch sehen lassen.

Mit meiner ersten großen Liebe führte ich eine physisch sehr intensive Beziehung.
Als ich aus seiner Stadt wegzog, häufte sich das Schlussmachen und Wiederzusammenkommen. Meinem ersten Gedanken, als ich ihn beim Fremdgehen erwischte, war: "in MEINER Bettwäsche, die ich ihm zu Weihnachten geschenkt habe" folgte ein Schlag in sein Gesicht, der ihn filmreif drei Meter nach hinten schleuderte. Als wir zwei Stunden später wieder „zusammen waren", war seine Wange immer noch leicht gerötet.
Als wir uns im gemeinsamen Skiurlaub mal wieder stritten und er mir in einer Disko zubrüllte, ich würde doch eh' mit allen Männern meiner neuen Heimatstadt ins Bett gehen (was, obwohl es hier nichts zur Sache tut, leider nicht der Fall war), ging ich auf ihn los und der DJ unterbrach die Musik, um per Mikro den jungen Mann aufzufordern, damit aufzuhören, seine Freundin zu schlagen, obwohl er lediglich versuchte, seine Arme im Schutz vor den Ohrfeigen und mit Beseitigung des Rotweines, der sich auf seinem Hemd ergossen hatte zu koordinieren.
Am nächsten Tag reiste ich ab.
Erst als er mir eine Karte schrieb, auf der stand, dass er mich vermissen und lieben würde, dass ich ihm jedoch versprechen müsste, ihn nie wieder zu schlagen, fing ich an, mir ein paar Gedanken über meine Unfähigkeit zur verbalen Auseinandersetzung zu machen.

Geschlagen habe ich mich seitdem nur noch einmal und das lediglich für Ruhm, Ehre und Preisgeld.
Nachdem ich im Ju Jutsu die Prüfung zum orangenen Gürtel bestanden hatte, gingen die Pferde mit mir durch und ich Dummerchen prahlte wohl etwas zu laut in der Schule mit meinen Fertigkeiten, mit denen ich jeden Möchtegernvergewaltiger oder Handtaschenklauer in die Flucht schlagen könnte. Es kam zu meinem Unglück zu einem kleinen Schau-Kampf in der Turnhalle, wo ich vor versammelter Klasse gegen Jörg antrat. Wer den anderen innerhalb von 3 Minuten bezwang, hatte gewonnen, dem war die Klassenvorherrschaft, ewiger Respekt und ein Kasten Bier sicher. Ich war mir meines Sieges bewusst, handelte es sich bei Jörg doch um einen untrainierten, etwas schwach auf der Brust anmutenden, bebrillten Computernerd.
Wir standen uns gegenüber und starrten uns an. Ich versuchte, die Zuschauer auszublenden und mich einzig und allein auf meine innere Stärke zu konzentrieren. Mit einem Schulterwurf würde ich ihn binnen Sekunden von den Beinen fegen und mit einer Festhalte für die restliche Zeit bewegungslos auf die Erde nageln. Während ich ihm den Rücken zukehrte, um zum Wurf anzusetzen, nutze er seine Chance, griff um meinen Hals und riss mich nach hinten. Unter der Wucht seiner Bewegung fiel ich auf den Rücken und er wälzte sich auf mich und hielt mir beide Hände fest. Nicht einmal 30 Sekunden waren bis dahin vergangen. Nach einer weiteren halben Minute fingen die Mädchen an, mich kreischend anzufeuern, obwohl ich noch immer in der selben Position lag und versuchte, mich zu befreien. Nach eineinhalb Minuten wurde er langsam zu schwer und mir die Intimität der Situation bewusst. Nach zwei Minuten beschloss ich, auf die Etikette des orangenen Gürtels und alle guten Manieren zu verzichten und besann mich auf meine weiblichen Stärken. Ich biss ihm in die Schulter und er liess vor Schreck meine Hand los. Meine Fingernägel ratschten über seinen Rücken, aber bei Minute 2,5 hatte er sich der Hand bereits wieder bemächtigt und die restlichen 30 Sekunden verbrachte ich wild strampelnd unter seinem Gewicht.

Heute raufe ich mich nur noch zum Spaß mit dem Liebsten, ohne vorher verletzt worden zu sein, ohne Gewinnzwang (naja, stimmt nicht ganz) und unter Zuhilfenahme aller Tricks. ( Aua, auuuu. Jetzt hast du mir die Schulter ausgekugelt.... ) Meistens endet es damit, dass wir hemmungslos lachen oder ich eingeschnappt bin. Aber nicht für lange.

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