Cassandras Kopfkino
Mittwoch, 29. November 2006
KONTOAUSZUGSAUSZUG
cassandra, Mittwoch, 29. November 2006, 22:46
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Hallo meine liebe Deutsche Bank,

ich wollte Dir mal sagen, dass ich ganz entsetzlich enttäuscht von Dir bin. Eigentlich bin ich ja zu Dir gewechselt, weil meine andere Bank mir zu frech wurde. Haben die mir doch tatsächlich irgendwann ins Gesicht gesagt, dass ich nicht mit Geld umgehen könnte. Und das ohne einen einzigen Schufa-Eintrag, abzuzahlenden Kredit, irgendwelche anderweitigen Schulden von den 8 Euro für Zigaretten, die mir meine Kollegin geliehen hatte, konnten die echt wirklich nichts wissen., sondern nur, weil ich stets am Rande meines Dispos, den mir selbige Bank wohlwollend genehmigt und sich monatelang in Gold Zinsen hat vergelten lassen, wandelte. Die konnten ja nicht wissen, dass ich jährlich in meinem Job eigenverantwortlich so über 'n Daumen 3 Mio ausgebe. Mein Chef hat sich nie über mein monetäres Handlingsvermögen beschwert, aber das war mir dann auch zu doof, der alten Bank das zu erklären.

Also bin ich dann zu Dir gekommen. Im großen und ganzen lief das mit uns beiden auch okay.
Ein bißchen genervt war ich dann schon, dass du dich nicht an unsere Vereinbahrung, unsere Beziehung auf unpersönliche Online-Quickies zu beschränken, gehalten hast. Wir hatten uns darauf geeinigt: keine Gefühlsduselei und kein Gelaber. Reine Befriedigung unserer Bedürfnisse. Kein Händchenhalten, kein gemeinsames Gesehenwerden in der Öffentlichkeit. Wir beide sind alt genug, um genau zu wissen, was wir wollen und holen es uns vom anderen. Die auf reinem Egoismus fundierte Basis unseres Verhältnisses, das die Ewigkeit hätte überdauern können.
Das wirkte ja schon fast verzweifelt, dass mich regelmäßig eine deiner Beraterinnen anrief, um mal kurz zu reden, ich sie freundlich, aber bestimmt abwimmelte, nicht nur, weil es mitten am Tag, sondern auch mitten in einer Kundenabnahme geschah, nur um 30 Minuten später einen anderen Berater an der Strippe zu haben, der das gleiche wollte.
Ich muss gestehen, dass wir uns vermutlich beide nicht ganz richtig verhalten haben und mich aufrichtig bei dem zweiten Anrufer entschuldigen, den ich jedes Mal am Telefon anschrie, dass ICH GERADE ECHT NICHT REDEN KANN UND WILL. Das war wirklich nicht nett. Der Arme konnte ja gar nix dafür, dass auf deinen Angestelltenmonitoren pünktlich alle sechs Wochen zeitgleich (oder vielleicht auch um 30 Minuten versetzt) der Satz "Wir müssen heute unbedingt unsere Beziehung zu Cassandra vertiefen." aufblinkte. So eine Verführung hätte man sicher auch subtiler gestalten können, aber sie widersprach ganz klar meinem Bedürfnis nach Ungebundenheit und dem Wunsch nach anonymer, schneller und schmutziger unkomplizierter Befriedigung.
Ich weiss, das klingt jetzt furchtbar hart und gefühlskalt, aber leider empfinde ich nun mal so. Als Du im Sommer dann jeden dritten Tag um Rückruf flehend und verlockende Versprechungen flüsternd auf meine Mailbox gesprochen hast, habe ich erstmals gemerkt, dass wir uns (mit unseren Ansprüchen aneinander) auseinander gelebt haben. Aber so schnell kann niemand aus seiner Haut. Die eigene Bequemlichkeit bezüglich alter Gewohnheiten lässt sich nicht von heute auf morgen ausmerzen. Deine Verfügbarkeit, wenn mir der Sinn danach war, erschien mir schlicht und ergreifend recht praktisch. Ich ging Dir aus dem Weg und ignorierte deine Anrufe. Ganz schön clever von Dir, dass Du mich dann letzte Woche, ohne der Empfangsdame am Telefon dein Anliegen zu verraten, in der Firma erwischt hast.
Als ich Dir erklärte, dass ich keinen Kredit aufnehmen möchte, um meinen Dispo zurückzuzahlen, mit der Begründung, dass die hohen Dispo-Zinssätze eine willkommende und selbst auferlegte Bestrafung für meinen ausschweifenden Lebenswandel sind, hast Du ganz schön geschluckt, nicht? Dass ich keine Altersvorsorge abzuschliessen wünsche, weil ich ja schon tod sein könnte, wenn ich in deren Genuss käme, hat Dir dann vollständig die Sprache verschlagen. Aber so bin ich nun mal und du hast es nie erkannt.

Heute hast Du diese Sache zwischen uns beiden dann endgültig versaut.
Was muss ich da auf meinem Kontoauszug lesen:



Ich soll Dir die Adresse meiner Wohnung mitteilen, in der ich seit 1,5 Jahren wohne und in deren (mit meinem Namen beschrifteten) Briefkasten Du in der Vergangenheit bereits des öfteren die eine oder andere Nachricht hinterlassen hast, weil Du bereits 14,00 Euro meines Geldes ungefragt und offensichtlich erfolglos für einen Anruf bei der Auskunft ausgegeben hast? 14,00 Euro für einen Anruf? Für einen Bruchteil dieses Geldes hättest Du doch auf meinem Handy, bei mir zu Hause oder in meiner Firma anrufen können. Die Nummern hast Du doch auch alle herausbekommen, ohne mir das in Rechnung zu stellen.
Ist das jetzt die Strafe dafür, dass ich nicht das selbe wollte wie Du? Jetzt hast Du es mir aber mal so richtig gezeigt, gell? Zwar nicht so effektvoll, wie Autotüren mit dem Schlüssel zu zerkratzen oder herumzuerzählen, dass ich voll das kleine, unbedeutene, unaufregende Konto habe, aber Du wusstest genau, dass ich mich trotzdem ärgern würde. Jaaaa. Geschafft. Ich mache Schluss. Gibt ja noch genügend Fische im Meer und so. Ich kann es mir auch von wem anderes besorgen lassen. Schade das alles, aber Du hast es so gewollt.

P.S.: Ich weiss, dass Dich jetzt mein Zorn geballt trifft. Das ist natürlich ein wenig unfair. Meinem lieben Postboten schreibe ich jetzt gleich auch noch ne Mail. Von ihm werde ich mich nämlich auch trennen. Ein Paket aus Amerika (50 Euro Versand) und ein Brief sind zurückgegangen. Soweit ich weiss. Empfänger nicht bekannt.


P.P.S.: Weiss eigentlich irgendeiner meiner sehr verehrten Leser, an wen ich mich bei der Deutschen Post wenden muss, um denen zu bestätigen, dass ich, deren Name auf Klingelschild und Briefkasten steht, auch wirklich hier wohne?

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