Cassandras Kopfkino
Mittwoch, 15. November 2006
GLÜCK GEHABT
cassandra, Mittwoch, 15. November 2006, 16:42
Filed under: Alltag
Puh, da fällt mir ja ein Stein vom Herzen, dass mein Süßer in der Novemberausgabe von Ökotest mit "Sehr gut" abgeschnitten hat.
Schwarzes Silikon.
Kann ich guten Gewissens weiter empfehlen.

Kommentare (3 Kommentare)   Kommentieren



WIE ICH MEINE LIEBE ZU JAMES DEAN IN DEN SAND SETZTE
cassandra, Mittwoch, 15. November 2006, 14:33
Filed under: Erinnerungen
Steven war James Dean. Schon als ich damals den Film "Rebel without a cause" sah, habe ich mich Hals über Kopf in den Schauspieler verliebt. Aber welche Frau hätte diesem verlorenen jungen Mann, der voll Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung das Leid der Welt auf seinen Schultern trug, schon wiederstehen können? Es zerriss mir das Herz, ihn nicht von der Leinwand herunterholen zu können, um ihn zu knuddeln, in meine starken Arme zu nehmen, um ihn zu retten und zu beschützen.
Steven hingegen war real. Nicht ganz so gut gebaut wie James und auch ohne fesche Tolle, aber aus Fleisch und Blut und bereit, von der Bühne der amerikanischen Highschool direkt in mein Leben gezerrt zu werden. Der Dramakurs hatte sich zu Beginn meines Austauschjahres die Inszenierung des gleichnahmigen Theaterstückes zur Aufgabe gemacht. Noch heute bin ich davon überzeugt, dass Steven dem wirklichen James Dean in der Rolle des Jim Stark die Show gestohlen hätte. Er sah nicht nur blendend aus, sondern war darüber hinaus hochbegabt. Mit einem Blick konnte er die Geschichte seiner ganzen verkorksten Jugend, seine Suche nach dem Sinn des Lebens und sein Bedürfnis nach Liebe ausdrücken. So fragil wie der Charakter, den er darstellte, war auch sein Erscheinungsbild. Strohblondes Haar, das er halblang trug, ein weiches, filigran gezeichnetes Gesicht, braune, sanfte Augen, schmale Hände und lange, feingliedrige Finger, mit denen er immer wieder durch seine Haare fuhr. Er war groß und androgyn und seine ganze Gestalt hatte etwas ätherisches, fast schon weibliches an sich, eingehüllt in eine Aura der Verletzbarkeit und Reinheit.
Ich schmolz in einem Plüschsessel dahin. Nicht nur einmal, sondern in jeder Vorstellung, die der Dramakurs gab.

Meine Erfahrungen mit dem männlichen Geschlecht begrenzten sich damals auf ein bißchen knutschen und fummeln (in Unterwäsche) mit Jungen, die mir egal waren und unerfüllte Schwämereien für Jungen, für die ich - nun ja - schwärmte. In letzterem Fall hatte meine bisherige Eroberungstaktik darin bestanden, jeglichen Kontakt mit dem Objekt meines Herzens zu meiden, allen Gesprächen durch verständnisloses Kopfschütteln auszuweichen und das Weite zu suchen, falls man sich doch zufällig über den Weg lief.
Den Jungen erschloss sich die Raffinität dieser Verführung leider nicht und so hatte ich bis zum fortgeschrittenen Alter von 18 Jahren keine echte Beziehung vorzuweisen. Mit Steven sollte sich dies nun ändern. Ich wollte ausnahmsweise meine Schüchternheit vergessen und so verbrachte ich ein Jahr mit der aktiven Eroberung seines Herzens.
Die Schwärmerei einer seiner Freunde für mich, der mich mit roten Rosen, selbstverfassten Gedichten und liebevoll zusammengestellten CDs überhäufte, nutzte ich gnadenlos aus, um in seinen Dunstkreis zu gelangen. Ich schrieb mich für die geplante neue Aufführung des Dramakurses ein und verbrachte viele einsame Stunden mit dem Bemalen und Bekleben von Bühnenbildern, musste in jeder Mittagspause eine Freundin beknien, mich zu dem kleinen Fastfoodladen ausserhalb des Campus', wo sich die Raucher immer aufhielten, zu begleiten, obwohl ich, genau wie die Freundinnen, damals noch gar nicht rauchte - tat eben alles menschenmögliche, um in seiner Nähe zu sein und ihm die Gelegenheit zu bieten, mich anzusprechen.
Ich hatte viel Zeit ihn zu beobachten. Er beschäftigte sich ausschließlich mit geistigen Dingen und verzichtete gänzlich auf die Teilnahme an den für die amerikanischen Highschools so typischen sportlichen Ertüchtigungen. Statt dessen las er viel, sang im Konzertchor der Schule und spielte leidenschaftlich gerne Theater. Geredet haben wir zwei Mal miteinander. Jeweils einen Satz.

Der Schulcampus bestand aus mehrenen kleinen Gebäuden, die den Fachrichtungen zugeordnet waren. Irgendwann bemerkte ich, dass Steven die 6. Stunde täglich in dem Gebäude verbrachte, in dem meine 5. Stunde abgehalten wurde. Daraufhin änderte ich meine Route zum anderen Gebäude, in dem meine 6. Stunde stattfand so ab - nicht ohne dabei einen beträchtlichen Umweg in Kauf zu nehmen - dass wir uns über den Weg liefen. Diese Maßnahme perfektionierte ich im Laufe der Monate. Sobald das Ende der 5. Stunde eingeläutet wurde, stürzte ich zum Fenster. Dort verharrte ich so lange, bis ich ihn beim Verlassen des gegenüberliegenden Hauses erblickte, rannte dann in Windeseile den Flur entlang und 3 Stockwerke nach unten, um ihm ganz beiläufig genau an der Tür zu treffen.
Meist war mein Timing derart perfekt, dass wir uns gegenseitig die Tür öffneten. Von Zeit zu Zeit blickte er mir dabei tief in die Augen. Ich verbrachte ganze Nächte damit, lächelnd daran zu denken, mich an diesen Blick zu erinnern, ihn zu analysieren und darin seine Gefühle für mich zu entdecken. Gegrüßt hat er mich nie.
Irgendwann hatte er dann so eine kleine, hässliche Punkfreundin mit schwarzgefärbten Zottelhaaren und schlechten Zähnen. Seltsamerweise begegneten wir uns kaum noch im Treppenhaus und obwohl ich mir wenig später die Haare schwarz färbte, schien ich mich in seiner Gegenwart in Luft aufzulösen.


In Ermangelung eines vernünftigen Fotos von Steven hier eines von mir aus dem Jahrbuch

Zwei Jahre später kehrte ich nach Amerika zurück, um meine Gasteltern zu besuchen. Ich weiß nicht, aus welcher Motivation heraus ich zum Telefonbuch griff, um Stevens Nummer herauszusuchen. Zuhause in Deutschland wartete eine "echte" Beziehung auf mich, mit der ich meistens recht glücklich war und ich hatte in den vergangenen Jahren nicht mehr an Steven gedacht.
Aber ich war vermutlich neugierig auf meine Empfindungen meinem Highschool-Schwarm gegenüber und empfand das Bedürfnis, ihm zu gestehen, dass ich ihn ein Jahr lang aus der Ferne angebetet hatte. Bei einem Kaffee könnten wir bestimmt beide darüber lachen.
Steven hatte sich kaum verändert. Ein wenig in sich zurückgezogen, unsicher, worüber er mit mir sprechen könnte und darüber, warum ich mich mit ihm hatte treffen wollen und mit den typischen Verlegenheiten kämpfend, die ein Teenager so mit sich herum schleppt. Mir war der Altersunterschied von zwei Jahren zuvor gleichgültig gewesen, doch nun zeigte sich, dass ich als Berufstätige mit dem 12Klässler, der noch immer nicht wusste, was er mit seinem Leben anfangen sollte, wenig gemeinsam hatte. Süß und beschützenswert fand ich ihn immer noch, doch von der starken früheren Anziehungkraft war nichts mehr zu spüren. Nach dem einen oder anderen Kaffee (was anderes durfte er leider nicht trinken) wurde der Abend immer entspannter. Wir lachten über gemeinsame Bekannte und irgendwann fasste ich mir ein Herz und erzählte ihm von den Gefühlen ihm gegenüber, die ich ein Jahr mit mir herumgetragen hatte. Zuerst wurde Steven ganz still. Dann zauberte er ein Lächeln auf seine Lippen und gestand mir, daß er damals in mich verliebt war. Daß er jeden Tag nach der 5. Stunde in dieses eine Gebäude lief, obwohl sein nächster Unterricht ganz woanders stattfand, nur um mir zu begegnen. Dass er sich nie getraut hat, mich anzusprechen, aus Angst vor Zurückweisung und weil sein Freund von mir schwärmte.
An diesem Abend brachte er mich nach Hause. Wir standen vor der Tür und schwiegen uns an. Und da war er wieder. Dieser Blick aus dem Treppenhaus nach der 5. Stunde. Ich überlegte, ob ich ihn küssen sollte, um wenigsten ein klein wenig für all' die verlorenen, weil nicht gemeinsam verbrachten Stunden, Wochen und Monate gutzumachen. Das Gefühl seiner Hände auf meiner Haut und seiner Lippen auf den meinen als Trost für verpasste Chancen im Leben mit nach Hause nehmen zu können.
Ich hauchte ihm einen Abschiedskuss auf die Wange, drehte mich um und ging ins Haus.

Kommentare (2 Kommentare)   Kommentieren



... ältere Einträge