TAG 9-21: ALLES SCHEISSE
cassandra, Mittwoch, 18. Juli 2007, 01:33
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
9. Tag: Mittwoch. Alles super. Ich darf nach Hause. Meine Vorderkammer ist sehr hübsch und stabil, der Druck perfekt, mein Sicherkissen sieht aus wie aus dem Lehrbuch.
Zwei Tage später, am Freitag, muss ich morgens um 7 Uhr zur Visite erscheinen, um nochmals den Druck zu überprüfen. Eine Stunde später liege ich im OP. Der Druck ist wieder rasant angestiegen. Mein Körper heilt besser als erwartet und das Sicherkissen vernarbt zu gut. Im Grunde genommen ist das Loch in meinem Auge wie eine Schürfwunde an der Hand, die nicht verschorfen darf. Tut sie aber und zwar sehr schnell und gründlich.
Der Doktor möchte den Schorf entfernen. Klingt nicht nach einer effektiven Methode mit Langzeitwirkung. Er will mit einem Skalpell unter die Bindehaut und ein wenig in dem Loch rumbohren. Selbstredend ohne Narkose. Ich versuche, mich mit Hilfe von Yogatechniken zu beruhigen. Das klappt nur leidlich. Nach dem Eingriff bekomme ich einen kleinen Nervenzusammenbruch. Liege zitternd auf meiner Liege und kann nicht aufhören zu heulen.
Der Arzt geht heute für die nächsten 2 Wochen in den Urlaub. Seine Kollegin soll am Wochenende den Druck erneut überprüfen. Am Samstag liege ich bei 36. Meinem Auge geht es schlechter als vor den ganzen Eingriffen. Ich muss am Montag wieder ins Krankenhaus einziehen und soll erneut operiert werden. Ich bekomme eine Vollnarkose. Es wird der 6. Eingriff. Meine neue Ärztin will auch noch mal in dem Loch rumbohren und dafür die angenähte Netzhaut an einer Ecke ablösen. Ich muss danach noch eine Woche hier bleiben.
Ich bemühe mich, unbeschwert zu sein. Scherze mit Schwestern und Pflegern, lasse mich von meinen Besuchern zu Starbucks entführen und versuche, meinen Optimismus nicht zu verlieren. Das ist nicht einfach. Ich lebe in einem Altersheim. Ich bin umgeben von Menschen jenseits der 70. Hole Getränke, schmiere Brote, helfe bei dem Gang zur Toilette. Die Tochter einer 85jährigen Patientin verdonnert mich ungefragt dazu, mich um ihre Mutter zu kümmern, ihr zu helfen und sie zu trösten. Ich will das nicht. Ich will nicht, dass man mir immer wieder die selben persönlichen Geschichten aus der Nachkriegszeit oder von alten Krankheiten erzählt oder dass ich Menschen bedauern und in den Arm nehmen muss, denen es schlecht geht und die mir täglich androhen, dass sie sich umbringen wollen, wenn sie noch einmal operiert werden müssen. Ich will egoistisch sein. Mich nicht in das Leid fremder Menschen reinziehen lassen, sondern mich in meinem eigenen Selbstmitleid suhlen.
Ich fiebre den täglichen Besuchen des Liebsten entgegen, der mich mit Essen, Kaffee und Liebe versorgt. Zwischendurch schaue ich mir sämtliche Staffeln von Grey’s Anatomy an. Hirntumore, Operationen am offenen Herzen, Tote und Liebeskummer entspannen mich tatsächlich und führen mir vor Augen, wie unkomplziert mein Leben doch ist.
Am Freitag, Tag 18 seitdem das alles anfing, probieren wir mal was neues. Inzwischen bin ich wohl in den Genuss sämtlicher medizinischen Vorrichtungen und Methoden gekommen, die dieses Krankenhaus zu bieten hat.
Heute lasern wir ein wenig. Zirka 15 Schüsse werden auf mein Auge abgefeuert. Grüne Blitze sollen den einzig darstellbaren (von 4 vorhandenen) Faden trennen, um mein Sickerkissen anzuheben. Am zu hohen Druck ändert sich trotzdem nichts. Ob der Faden nun weg ist oder nicht, kann auch niemand sagen, weil eine meiner Häute im Auge wohl ungewöhnlich dick ist.
Samstag darf ich mir ein paar Stunden Urlaub nehmen. Gegen Unterschrift, dass ich gegen den Willen der Ärzte, auf eigene Gefahr und ohne Absicht, das Krankenhaus zu verklagen, bekomme ich bis Mitternacht Ausgang, um die Hochzeit einer Freundin aufzusuchen.
Mehrere Stunden verbringe ich mit meinem Styling. Frisiere die Haare so, dass sie über die komplette rechte Gesichtshälfte fallen und man weder Auge noch Allergieausschlag sehen kann. Trage eine Kontaktlinse im linken Auge und verzichte auf den Gebrauch des rechten dessen Sehvermögen selbst mit Hilfe von Sehhilfen auf 30% geschrumpft ist.
Trotz Zugabe alkoholischer Muntermacher geht es mir bescheiden während der festlichen Aktivitäten. Mein Schädel brummt und ich muss mich immer wieder setzen, um nicht aus den hohen Schuhen zu kippen. Mein Blutdruck ist seit einer Woche konstant bei 90 zu 60, was wohl dem Kreislauf nicht allzu zuträglich ist. Die Hitze tut ihr übriges und ganz im Stile von Aschenputtel ziehe ich mich punkt Mitternacht von der Party zurück.
Den Brautstrauss habe ich im übrigen auch nicht gefangen. Wie auch, halbblind im dunklen. Der Liebste bemängelte jedoch meine Initiative, die auf unserer Seite im Vergleich zur anderen sehr zu wünschen ürbig liess.
Am Montag (gestern) habe ich mich selbst entlassen.
Man weiss nicht weiter. Man könnte erneut die Netzhaut lösen und im Loch herumstochern, den Schorf zur Seite schieben. Man könnte darüber nachdenken, die gesamte Prozedur zu wiederholen und an einer neuen Stelle ein neues Loch zu bohren. Keiner kann mir garantieren, dass wenige Millimeter neben dem alten Loch meine Vernarbungstendenz auf wundersame Weise weniger stark ist. Ich habe auch keine Lust, mir einmal wöchentlich in meinem Sickerkissen herumstochern zu lassen. Man könnte auch das gesamte Sickerkissen lösen und lockerer wieder annähen.
Ich will nach Hause.
Ich schlage selbiges der Ärztin vor. Sage ihr, dass ich gerne am nächsten Montag wiederkomme, wenn mein Arzt, der mich von Anfang an nicht operieren wollte, weil er vermutlich mit genau diesen ganzen Problemen rechnete, wieder aus dem Urlaub zurück ist. Inzwischen ist er der einzige, dem ich vertraue. Er wollte mich damals bereits an ein anderes Krankenhaus verweisen, dass neuere, experimentellere Operationsmethoden anwendet. Genau darüber möchte ich am Montag mit ihm reden. Ich möchte einen Shunt. Eine kleine Röhre, die ins Auge eingesetzt wird und den Kammerwasserabfluss reguliert. Die kann dann wenigstens nicht zuwachsen. Angeblich ist diese Methode noch nicht so weit ausgereift. Verstehe ich nicht ganz, da die ersten Shunt Implantationen in den USA bereits Anfang der 70er durchgeführt wurden.
Ein gutes hat dieser ganze Mist derzeit. Wenn ich mal wieder bei einem trostlosen Abendessen mit Kunden sitze und die Gesprächsthemen drohen auszugehen, kann ich vielleicht ein keckes "Wollt ihr mal mein Sickerkissen sehen? Eine Röhre im Auge hätte ich auch noch anzubieten." in die Runde werfen.
In welche Stadt mich diese Operation demnächst verschlagen wird, weiss ich noch nicht. Hier war es letzten Endes ganz schön, weil mich Freunde, Mitarbeiter und diverse Blogger besuchen konnten und mich ein wenig abgelenkt haben. (Dafür danke ich Euch von Herzen.) Ich hoffe, dass sich in einer anderen Stadt auch jemand erbarmt. Einige, sehr liebe Angebote habe ich ja bereits ;-)
Zwei Tage später, am Freitag, muss ich morgens um 7 Uhr zur Visite erscheinen, um nochmals den Druck zu überprüfen. Eine Stunde später liege ich im OP. Der Druck ist wieder rasant angestiegen. Mein Körper heilt besser als erwartet und das Sicherkissen vernarbt zu gut. Im Grunde genommen ist das Loch in meinem Auge wie eine Schürfwunde an der Hand, die nicht verschorfen darf. Tut sie aber und zwar sehr schnell und gründlich.
Der Doktor möchte den Schorf entfernen. Klingt nicht nach einer effektiven Methode mit Langzeitwirkung. Er will mit einem Skalpell unter die Bindehaut und ein wenig in dem Loch rumbohren. Selbstredend ohne Narkose. Ich versuche, mich mit Hilfe von Yogatechniken zu beruhigen. Das klappt nur leidlich. Nach dem Eingriff bekomme ich einen kleinen Nervenzusammenbruch. Liege zitternd auf meiner Liege und kann nicht aufhören zu heulen.
Der Arzt geht heute für die nächsten 2 Wochen in den Urlaub. Seine Kollegin soll am Wochenende den Druck erneut überprüfen. Am Samstag liege ich bei 36. Meinem Auge geht es schlechter als vor den ganzen Eingriffen. Ich muss am Montag wieder ins Krankenhaus einziehen und soll erneut operiert werden. Ich bekomme eine Vollnarkose. Es wird der 6. Eingriff. Meine neue Ärztin will auch noch mal in dem Loch rumbohren und dafür die angenähte Netzhaut an einer Ecke ablösen. Ich muss danach noch eine Woche hier bleiben.
Ich bemühe mich, unbeschwert zu sein. Scherze mit Schwestern und Pflegern, lasse mich von meinen Besuchern zu Starbucks entführen und versuche, meinen Optimismus nicht zu verlieren. Das ist nicht einfach. Ich lebe in einem Altersheim. Ich bin umgeben von Menschen jenseits der 70. Hole Getränke, schmiere Brote, helfe bei dem Gang zur Toilette. Die Tochter einer 85jährigen Patientin verdonnert mich ungefragt dazu, mich um ihre Mutter zu kümmern, ihr zu helfen und sie zu trösten. Ich will das nicht. Ich will nicht, dass man mir immer wieder die selben persönlichen Geschichten aus der Nachkriegszeit oder von alten Krankheiten erzählt oder dass ich Menschen bedauern und in den Arm nehmen muss, denen es schlecht geht und die mir täglich androhen, dass sie sich umbringen wollen, wenn sie noch einmal operiert werden müssen. Ich will egoistisch sein. Mich nicht in das Leid fremder Menschen reinziehen lassen, sondern mich in meinem eigenen Selbstmitleid suhlen.
Ich fiebre den täglichen Besuchen des Liebsten entgegen, der mich mit Essen, Kaffee und Liebe versorgt. Zwischendurch schaue ich mir sämtliche Staffeln von Grey’s Anatomy an. Hirntumore, Operationen am offenen Herzen, Tote und Liebeskummer entspannen mich tatsächlich und führen mir vor Augen, wie unkomplziert mein Leben doch ist.
Am Freitag, Tag 18 seitdem das alles anfing, probieren wir mal was neues. Inzwischen bin ich wohl in den Genuss sämtlicher medizinischen Vorrichtungen und Methoden gekommen, die dieses Krankenhaus zu bieten hat.
Heute lasern wir ein wenig. Zirka 15 Schüsse werden auf mein Auge abgefeuert. Grüne Blitze sollen den einzig darstellbaren (von 4 vorhandenen) Faden trennen, um mein Sickerkissen anzuheben. Am zu hohen Druck ändert sich trotzdem nichts. Ob der Faden nun weg ist oder nicht, kann auch niemand sagen, weil eine meiner Häute im Auge wohl ungewöhnlich dick ist.
Samstag darf ich mir ein paar Stunden Urlaub nehmen. Gegen Unterschrift, dass ich gegen den Willen der Ärzte, auf eigene Gefahr und ohne Absicht, das Krankenhaus zu verklagen, bekomme ich bis Mitternacht Ausgang, um die Hochzeit einer Freundin aufzusuchen.
Mehrere Stunden verbringe ich mit meinem Styling. Frisiere die Haare so, dass sie über die komplette rechte Gesichtshälfte fallen und man weder Auge noch Allergieausschlag sehen kann. Trage eine Kontaktlinse im linken Auge und verzichte auf den Gebrauch des rechten dessen Sehvermögen selbst mit Hilfe von Sehhilfen auf 30% geschrumpft ist.
Trotz Zugabe alkoholischer Muntermacher geht es mir bescheiden während der festlichen Aktivitäten. Mein Schädel brummt und ich muss mich immer wieder setzen, um nicht aus den hohen Schuhen zu kippen. Mein Blutdruck ist seit einer Woche konstant bei 90 zu 60, was wohl dem Kreislauf nicht allzu zuträglich ist. Die Hitze tut ihr übriges und ganz im Stile von Aschenputtel ziehe ich mich punkt Mitternacht von der Party zurück.
Den Brautstrauss habe ich im übrigen auch nicht gefangen. Wie auch, halbblind im dunklen. Der Liebste bemängelte jedoch meine Initiative, die auf unserer Seite im Vergleich zur anderen sehr zu wünschen ürbig liess.
Am Montag (gestern) habe ich mich selbst entlassen.
Man weiss nicht weiter. Man könnte erneut die Netzhaut lösen und im Loch herumstochern, den Schorf zur Seite schieben. Man könnte darüber nachdenken, die gesamte Prozedur zu wiederholen und an einer neuen Stelle ein neues Loch zu bohren. Keiner kann mir garantieren, dass wenige Millimeter neben dem alten Loch meine Vernarbungstendenz auf wundersame Weise weniger stark ist. Ich habe auch keine Lust, mir einmal wöchentlich in meinem Sickerkissen herumstochern zu lassen. Man könnte auch das gesamte Sickerkissen lösen und lockerer wieder annähen.
Ich will nach Hause.
Ich schlage selbiges der Ärztin vor. Sage ihr, dass ich gerne am nächsten Montag wiederkomme, wenn mein Arzt, der mich von Anfang an nicht operieren wollte, weil er vermutlich mit genau diesen ganzen Problemen rechnete, wieder aus dem Urlaub zurück ist. Inzwischen ist er der einzige, dem ich vertraue. Er wollte mich damals bereits an ein anderes Krankenhaus verweisen, dass neuere, experimentellere Operationsmethoden anwendet. Genau darüber möchte ich am Montag mit ihm reden. Ich möchte einen Shunt. Eine kleine Röhre, die ins Auge eingesetzt wird und den Kammerwasserabfluss reguliert. Die kann dann wenigstens nicht zuwachsen. Angeblich ist diese Methode noch nicht so weit ausgereift. Verstehe ich nicht ganz, da die ersten Shunt Implantationen in den USA bereits Anfang der 70er durchgeführt wurden.
Ein gutes hat dieser ganze Mist derzeit. Wenn ich mal wieder bei einem trostlosen Abendessen mit Kunden sitze und die Gesprächsthemen drohen auszugehen, kann ich vielleicht ein keckes "Wollt ihr mal mein Sickerkissen sehen? Eine Röhre im Auge hätte ich auch noch anzubieten." in die Runde werfen.
In welche Stadt mich diese Operation demnächst verschlagen wird, weiss ich noch nicht. Hier war es letzten Endes ganz schön, weil mich Freunde, Mitarbeiter und diverse Blogger besuchen konnten und mich ein wenig abgelenkt haben. (Dafür danke ich Euch von Herzen.) Ich hoffe, dass sich in einer anderen Stadt auch jemand erbarmt. Einige, sehr liebe Angebote habe ich ja bereits ;-)
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TAG 8: KEINE NEUIGKEITEN AUS LALALAND
cassandra, Dienstag, 17. Juli 2007, 01:14
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Ich habe seit einer Woche nicht gekackt. Normalerweise habe ich keinerlei Probleme damit, mich in der Fremde heimisch zu fühlen, aber da esse ich ja auch. Hier ernähre ich mich ausschliesslich von den Dingen, die mir meine Besucher mitbringen. Ich darf sogar Bestellungen aufgeben. Der Liebste kommt heute abend mit einem Thunfischsandwich vorbei. Neulich brachte er eine doppelte Currywurst mit.
Zur Visite lege ich heute ein wenig Rouge auf. Make-up darf ich in nächster Zeit nicht verwenden, aber die Wangen sind ja ausserordentlich weit vom Auge entfernt und wenigstens lassen sich auf diese Weise die Kraterlandschaften von der Pflasterallergie kaschieren. Eigenlich sehe ich auch gar nicht mehr so schlimm aus, seit ich immer ein wenig von der Kortisonsalbe, die man mir abends ins Auge schmiert, abzweige und über den Pusteln verteile. Bisher war ich ein großer Gegner von Kortison, aber das Zeug bewirkt wahre Wunder.
Das Rouge soll heute ebenfalls dem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen. Wenn ich den Herrn Doktor bei der Visite ein wenig anschmachte, lässt er mich hoffentlich aus ethischen Gründen gehen. Er interessiert sich jedoch nicht für meine gefälligen Jochbeine, sondern lediglich für mein Matschauge. Inzwischen bekomme ich das Auge auch von allein auf und kann es für ein paar Sekunden ohne Hilfe offen lassen. Sehen tue ich dabei jedoch wenig. Zwischen den Wimpern des Oberlides und dem unteren Wimpernkranz ziehen sich beim Öffnen schleimige Fäden. Gelbe Krümelchen verkrusten die Haarwurzeln der Wimpern und die Augenwinkel. Das Weiss im Auge ist blutdurchtränkt und die Iris scheint ein wenig verbogen zu sein. Zumindest sieht sie nicht mehr rund, sondern eher oval aus. Dadurch erhält der objektive Betrachter (also ich – die Ärzte und der Liebste sehen es angeblich nicht) den Eindruck, als würde ich schielen.
Der Herr Doktor ist mal wieder hoch zufrieden. Alles sieht ganz klasse und superhübsch aus. Er sagt das mit weniger Worten, aber Sie dürfen meiner Interpretation vertrauen.
Im Gang stapeln sich die neuen Gäste. Es sind jedoch keinerlei freie Betten verfügbar. Klassischer Fall von Überbuchung. Ich biete an, auch ohne Gutschein meinen Platz zu räumen und mein Bett einem anderen Bedürftigen anzubieten. Der Herr Doktor lehnt dankend ab. Er möchte noch warten, bis der ganze Rotz hinfort geschwemmt ist. Ich vermute, dass wird noch ewig dauern.
Mir fällt die Decke aus dem Kopf. Ich renne zwischen Zigarettenpausen und Bett hin und her und warte sehnsüchtig auf meine Verabredungen.
Gestern habe ich im Laufe des Tages 7 Mal in der Firma angerufen. Wegen Kleinigkeiten. Ich versuche, dies heute zu unterlassen, weil man dort bereits ein wenig genervt von mir ist.
Dann rufe ich doch an und bestelle unseren System Admin hierher. Er bringt das Internet mit. Das beruhigt enorm, bringt aber nicht viel, weil ich eigentlich nichts lesen darf.
Ich melde mich im Chatprogramm an und nerve jede einzelne Person, die auf meiner Kontaktliste steht. Die meisten haben nicht viel Zeit, weil sie arbeiten müssen.
Mehr ist nicht passiert, aber bereits morgen geht es super ganz toll spannend weiter mit:
TAG 9-21: ALLES SCHEISSE
Zur Visite lege ich heute ein wenig Rouge auf. Make-up darf ich in nächster Zeit nicht verwenden, aber die Wangen sind ja ausserordentlich weit vom Auge entfernt und wenigstens lassen sich auf diese Weise die Kraterlandschaften von der Pflasterallergie kaschieren. Eigenlich sehe ich auch gar nicht mehr so schlimm aus, seit ich immer ein wenig von der Kortisonsalbe, die man mir abends ins Auge schmiert, abzweige und über den Pusteln verteile. Bisher war ich ein großer Gegner von Kortison, aber das Zeug bewirkt wahre Wunder.
Das Rouge soll heute ebenfalls dem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen. Wenn ich den Herrn Doktor bei der Visite ein wenig anschmachte, lässt er mich hoffentlich aus ethischen Gründen gehen. Er interessiert sich jedoch nicht für meine gefälligen Jochbeine, sondern lediglich für mein Matschauge. Inzwischen bekomme ich das Auge auch von allein auf und kann es für ein paar Sekunden ohne Hilfe offen lassen. Sehen tue ich dabei jedoch wenig. Zwischen den Wimpern des Oberlides und dem unteren Wimpernkranz ziehen sich beim Öffnen schleimige Fäden. Gelbe Krümelchen verkrusten die Haarwurzeln der Wimpern und die Augenwinkel. Das Weiss im Auge ist blutdurchtränkt und die Iris scheint ein wenig verbogen zu sein. Zumindest sieht sie nicht mehr rund, sondern eher oval aus. Dadurch erhält der objektive Betrachter (also ich – die Ärzte und der Liebste sehen es angeblich nicht) den Eindruck, als würde ich schielen.
Der Herr Doktor ist mal wieder hoch zufrieden. Alles sieht ganz klasse und superhübsch aus. Er sagt das mit weniger Worten, aber Sie dürfen meiner Interpretation vertrauen.
Im Gang stapeln sich die neuen Gäste. Es sind jedoch keinerlei freie Betten verfügbar. Klassischer Fall von Überbuchung. Ich biete an, auch ohne Gutschein meinen Platz zu räumen und mein Bett einem anderen Bedürftigen anzubieten. Der Herr Doktor lehnt dankend ab. Er möchte noch warten, bis der ganze Rotz hinfort geschwemmt ist. Ich vermute, dass wird noch ewig dauern.
Mir fällt die Decke aus dem Kopf. Ich renne zwischen Zigarettenpausen und Bett hin und her und warte sehnsüchtig auf meine Verabredungen.
Gestern habe ich im Laufe des Tages 7 Mal in der Firma angerufen. Wegen Kleinigkeiten. Ich versuche, dies heute zu unterlassen, weil man dort bereits ein wenig genervt von mir ist.
Dann rufe ich doch an und bestelle unseren System Admin hierher. Er bringt das Internet mit. Das beruhigt enorm, bringt aber nicht viel, weil ich eigentlich nichts lesen darf.
Ich melde mich im Chatprogramm an und nerve jede einzelne Person, die auf meiner Kontaktliste steht. Die meisten haben nicht viel Zeit, weil sie arbeiten müssen.
Mehr ist nicht passiert, aber bereits morgen geht es super ganz toll spannend weiter mit:
TAG 9-21: ALLES SCHEISSE
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TAG 7: DER AUSBRUCH
cassandra, Samstag, 14. Juli 2007, 17:20
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Visite ist heute wieder um erfrischende 7 Uhr. Der Herr Doktor schaut mir tief in die Augen. Alles ist super. Toll. Geradezu großartig.
Ihm rutscht versehentlich sogar ein „Erstaunlich“ angesichts der Werte meines linken, nicht operierten Auges heraus. Gemessen an seinem Temperament kommt diese Aussage eines rumpelstielzelesquen Rumgehopse und Hände über dem Kopf Geklatsche gleich. Grund für seine Verzückung sind die unerklärlich niedrigen Druckwerte, die ohne spezielle Behandlung auftreten und eventuell sogar die Operation am anderen Auge unnötig machen. Er kann sich die Entwicklung am linken Auge nicht erklären, doch ich weiss genau, was die plötzliche Verbesserung verursacht: Nackte Angst. Das linke Auge hat inzwischen dermassen die Hose voll, dass es sich jetzt am Riemen reisst, um ähnlichen Gäueltaten, die das rechte Auge erlitten hat, zu entgehen.
Der Herr Doktor sieht sehr glücklich aus, also bin ich es auch. Ich bin es leid, kompliziert zu sein. Ich will heim.
„Ich würde sie ungern gehen lassen.“ Das ist nicht nett, auch wenn es vermutlich so gemeint ist.
Einen halben Tag später, so gegen 10 Uhr, werde ich langsam wahnsinnig. Ein Freund von mir will heute auf dem Weg zur Arbeit vorbeischauen und mir einen Latte mitbringen. Ich wähle seine Nummer, um zu fragen, ob er bereits bei Starbucks in der Schlange steht. Er geht nicht ran. In der nächsten Stunde drücke ich noch ein paar Mal auf Wahlwiederholung. 14 unbeantwortete Anrufe später steht er endlich in der Tür. Ich greife nach meiner Handtasche und ziehe den Kerl hinter mir her in Richtung Ausgang. Wir müssen hier weg. Ich brauche was neues zum Anziehen. Ich stinke. Ich sehe schrecklich aus. Ich habe schlechte Laune.
Ich habe das Gefühl, dass der Krankenhausmuff mir aus allen Poren quillt. Ich muss sofort etwas zum Anziehen kaufen gehen und verlange, auf der Stelle zu einem bestimmten Baumwollhemdchengeschäft im Hafen gefahren zu werden. Der Freund setzt unsere Freundschaft gefährlich auf’s Spiel, indem er sich weigert. Letzten Endes hilft ein wenig sanfte Gewalt und moralische Erpressung. Er setzt mich am Hafen ab. Inzwischen ist es ein wenig sehr spät fürs Büro geworden und er muss los. Ist auch kein Problem, denn von hier aus kann ich nach dem Erwerb meiner neuen - und der Verbrennung meiner alten Leibchen, gemütlich zu Fuss in mein neues Heim zurückkehren.
Die plötzliche Weite, die mich umgibt ist erschreckend. Ich komme mir von einem Augenblick auf den nächsten vollkommen hilflos vor. Das eine Auge ist dick zugeschwollen und blutunterlaufen, das andere blickt durch ein Brillenglas, dass vor 10 Jahren vielleicht mal eine Stärke besass, die der Sehschwäche angemessen erschien.
Hier draussen ist alles sehr hell, sehr unscharf, das Blickfeld ist stark eingeschränkt und ich finde den Eingang vom Geschäft nicht. Aufgelöst renne ich links an der Glasfassade des Gebäudes entlang und rüttel an verschlossenen Türen. Ich kehre um und versuche es in der anderen Richtung. Alle Türen sind verschlossen. Ich presse die Nase an die Fensterscheiben, sehe jedoch auch keine Regale mit Kleidungsstücken, sondern statt dessen Schreibtische, an denen Menschen sitzen. Die mich komisch anstarren. Das könnte an meinem Schlapper-Samt-Jogginganzug-Outfit liegen, dass der Freund, der mich vorhin hier absetzte, nicht zu Unrecht als Schlafanzug bezeichnete.
Vielleicht starren die Leute auch auf diese eiternden Pusteln, die als allergische Reaktion auf die Pflaster, die man mir auf’s Auge klebt, meine rechte Gesichtshälfte zieren. Ich tapse einmal um das gesamte Gebäude herum und rüttle weiter an irgendwelchen Türen. Irgendwo entdecke ich einen Zettel. Das Geschäft gibt es gar nicht mehr. Es ist bereits vor einem halben Jahr umgezogen.
Ich würde jetzt gerne weinen, wenn ich dürfte, was jedoch nicht der Fall ist. Zudem werde ich gerade von einem erschreckenden Gedanken erhellt, der mich von meinem Unglück ablenkt. Ich werde mir nämlich darüber bewusst, dass ich hoffnungslos verloren wirkend, quasi im Schlafanzug, mit Matschauge, Ausschlag im Gesicht, bettzerwühltem Haar, ungeschminkt und in Flipflops inmitten des Medienhafens stehe. Einer Gegend, die fast ausschliesslich von meinen Kunden, potentiellen Kunden, Kollegen, freien Mitarbeitern unserer Firma, ehemaligen Kollegen und Dienstleistern von uns bevölkert ist. Und es ist Mittagspausenzeit. Vermutlich klingeln bereits jetzt die Telefone in der Firma und mein Chef muss darüber Auskunft erteilen, wie ich binnen so kurzer Zeit so tief abrutschen und auf der Straße landen konnte.
Ich drehe mich im Kreis auf der Suche nach Deckung und dem schnellst möglichen Rückweg zum Krankenhaus. In diesem Moment setzt ein Tornado ein. Es giesst aus Kannen. Es ist nicht nur verboten, dass Krankenhaus zu verlassen, sondern auch nicht sonderlich ratsam, mit kaputtem Auge in den von Keimen, Chemie und Bakterien durchsetzten Regen zu latschen.
Vor ein paar Jahren weilte ich einmal für ein paar Tage im Urlaub in irgend einer europäischen Großstadt. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann, wohin und mit wem ich diese Reise unternahm, aber ich erinnere mich an dieses Touristenpärchen. Sie waren beide um die 70, klein und unglaublich putzig, wie sie da beide nebeneinander an der Haltestelle standen und auf einen Bus warteten. Der Bus kam bereits sehr voll an. Ich vergass die beiden und drängelte mich mit den anderen Wartenden hinein. Als ich einen stabilen Stehplatz ergattert hatte, blickte ich wieder in Richtung Tür. Die ältere Dame war gerade eingestiegen. In diesem Moment schlossen sich ohne Vorwarnung die Türen des Busses und er fuhr los. Der alte Mann blieb an der Haltestelle stehend zurück. Er stand einfach nur absolut reglos da und starrte dem Bus nach, der seine Frau von ihm fortnahm.
Für einen kurzen Moment fühle ich mich wie dieser Mann. Vollkommen hilflos und mutterseelenallein in dieser fremden, kalten Welt.
Dann trete ich mir kurz und kräftig wegen dieses komplett überzogenen Anfalls von Selbstmitleid in den Hintern und rufe den Liebsten an, damit er mich abholen kommt.
Er fährt mich zur neuen Niederlassung des Geschäftes in der Innenstadt, ich ziehe mich bereits im Auto um und als ich ca. 3 Stunden nach meinem Ausbruch, strahlend und in komplett neuem Outfit wieder in der Station erscheine, fällt es noch nicht mal auf, dass ich weg war.
Den Rest des Tages verbringe ich damit, mir die Nägel schwarz zu lackieren.
Morgen geht es hier weiter mit den nägelkräuselnden Krankenhausgeschichten.
TAG 8: KEINE NEUIGKEITEN AUS LALALAND
Ihm rutscht versehentlich sogar ein „Erstaunlich“ angesichts der Werte meines linken, nicht operierten Auges heraus. Gemessen an seinem Temperament kommt diese Aussage eines rumpelstielzelesquen Rumgehopse und Hände über dem Kopf Geklatsche gleich. Grund für seine Verzückung sind die unerklärlich niedrigen Druckwerte, die ohne spezielle Behandlung auftreten und eventuell sogar die Operation am anderen Auge unnötig machen. Er kann sich die Entwicklung am linken Auge nicht erklären, doch ich weiss genau, was die plötzliche Verbesserung verursacht: Nackte Angst. Das linke Auge hat inzwischen dermassen die Hose voll, dass es sich jetzt am Riemen reisst, um ähnlichen Gäueltaten, die das rechte Auge erlitten hat, zu entgehen.
Der Herr Doktor sieht sehr glücklich aus, also bin ich es auch. Ich bin es leid, kompliziert zu sein. Ich will heim.
„Ich würde sie ungern gehen lassen.“ Das ist nicht nett, auch wenn es vermutlich so gemeint ist.
Einen halben Tag später, so gegen 10 Uhr, werde ich langsam wahnsinnig. Ein Freund von mir will heute auf dem Weg zur Arbeit vorbeischauen und mir einen Latte mitbringen. Ich wähle seine Nummer, um zu fragen, ob er bereits bei Starbucks in der Schlange steht. Er geht nicht ran. In der nächsten Stunde drücke ich noch ein paar Mal auf Wahlwiederholung. 14 unbeantwortete Anrufe später steht er endlich in der Tür. Ich greife nach meiner Handtasche und ziehe den Kerl hinter mir her in Richtung Ausgang. Wir müssen hier weg. Ich brauche was neues zum Anziehen. Ich stinke. Ich sehe schrecklich aus. Ich habe schlechte Laune.
Ich habe das Gefühl, dass der Krankenhausmuff mir aus allen Poren quillt. Ich muss sofort etwas zum Anziehen kaufen gehen und verlange, auf der Stelle zu einem bestimmten Baumwollhemdchengeschäft im Hafen gefahren zu werden. Der Freund setzt unsere Freundschaft gefährlich auf’s Spiel, indem er sich weigert. Letzten Endes hilft ein wenig sanfte Gewalt und moralische Erpressung. Er setzt mich am Hafen ab. Inzwischen ist es ein wenig sehr spät fürs Büro geworden und er muss los. Ist auch kein Problem, denn von hier aus kann ich nach dem Erwerb meiner neuen - und der Verbrennung meiner alten Leibchen, gemütlich zu Fuss in mein neues Heim zurückkehren.
Die plötzliche Weite, die mich umgibt ist erschreckend. Ich komme mir von einem Augenblick auf den nächsten vollkommen hilflos vor. Das eine Auge ist dick zugeschwollen und blutunterlaufen, das andere blickt durch ein Brillenglas, dass vor 10 Jahren vielleicht mal eine Stärke besass, die der Sehschwäche angemessen erschien.
Hier draussen ist alles sehr hell, sehr unscharf, das Blickfeld ist stark eingeschränkt und ich finde den Eingang vom Geschäft nicht. Aufgelöst renne ich links an der Glasfassade des Gebäudes entlang und rüttel an verschlossenen Türen. Ich kehre um und versuche es in der anderen Richtung. Alle Türen sind verschlossen. Ich presse die Nase an die Fensterscheiben, sehe jedoch auch keine Regale mit Kleidungsstücken, sondern statt dessen Schreibtische, an denen Menschen sitzen. Die mich komisch anstarren. Das könnte an meinem Schlapper-Samt-Jogginganzug-Outfit liegen, dass der Freund, der mich vorhin hier absetzte, nicht zu Unrecht als Schlafanzug bezeichnete.
Vielleicht starren die Leute auch auf diese eiternden Pusteln, die als allergische Reaktion auf die Pflaster, die man mir auf’s Auge klebt, meine rechte Gesichtshälfte zieren. Ich tapse einmal um das gesamte Gebäude herum und rüttle weiter an irgendwelchen Türen. Irgendwo entdecke ich einen Zettel. Das Geschäft gibt es gar nicht mehr. Es ist bereits vor einem halben Jahr umgezogen.
Ich würde jetzt gerne weinen, wenn ich dürfte, was jedoch nicht der Fall ist. Zudem werde ich gerade von einem erschreckenden Gedanken erhellt, der mich von meinem Unglück ablenkt. Ich werde mir nämlich darüber bewusst, dass ich hoffnungslos verloren wirkend, quasi im Schlafanzug, mit Matschauge, Ausschlag im Gesicht, bettzerwühltem Haar, ungeschminkt und in Flipflops inmitten des Medienhafens stehe. Einer Gegend, die fast ausschliesslich von meinen Kunden, potentiellen Kunden, Kollegen, freien Mitarbeitern unserer Firma, ehemaligen Kollegen und Dienstleistern von uns bevölkert ist. Und es ist Mittagspausenzeit. Vermutlich klingeln bereits jetzt die Telefone in der Firma und mein Chef muss darüber Auskunft erteilen, wie ich binnen so kurzer Zeit so tief abrutschen und auf der Straße landen konnte.
Ich drehe mich im Kreis auf der Suche nach Deckung und dem schnellst möglichen Rückweg zum Krankenhaus. In diesem Moment setzt ein Tornado ein. Es giesst aus Kannen. Es ist nicht nur verboten, dass Krankenhaus zu verlassen, sondern auch nicht sonderlich ratsam, mit kaputtem Auge in den von Keimen, Chemie und Bakterien durchsetzten Regen zu latschen.
Vor ein paar Jahren weilte ich einmal für ein paar Tage im Urlaub in irgend einer europäischen Großstadt. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann, wohin und mit wem ich diese Reise unternahm, aber ich erinnere mich an dieses Touristenpärchen. Sie waren beide um die 70, klein und unglaublich putzig, wie sie da beide nebeneinander an der Haltestelle standen und auf einen Bus warteten. Der Bus kam bereits sehr voll an. Ich vergass die beiden und drängelte mich mit den anderen Wartenden hinein. Als ich einen stabilen Stehplatz ergattert hatte, blickte ich wieder in Richtung Tür. Die ältere Dame war gerade eingestiegen. In diesem Moment schlossen sich ohne Vorwarnung die Türen des Busses und er fuhr los. Der alte Mann blieb an der Haltestelle stehend zurück. Er stand einfach nur absolut reglos da und starrte dem Bus nach, der seine Frau von ihm fortnahm.
Für einen kurzen Moment fühle ich mich wie dieser Mann. Vollkommen hilflos und mutterseelenallein in dieser fremden, kalten Welt.
Dann trete ich mir kurz und kräftig wegen dieses komplett überzogenen Anfalls von Selbstmitleid in den Hintern und rufe den Liebsten an, damit er mich abholen kommt.
Er fährt mich zur neuen Niederlassung des Geschäftes in der Innenstadt, ich ziehe mich bereits im Auto um und als ich ca. 3 Stunden nach meinem Ausbruch, strahlend und in komplett neuem Outfit wieder in der Station erscheine, fällt es noch nicht mal auf, dass ich weg war.
Den Rest des Tages verbringe ich damit, mir die Nägel schwarz zu lackieren.
Morgen geht es hier weiter mit den nägelkräuselnden Krankenhausgeschichten.
TAG 8: KEINE NEUIGKEITEN AUS LALALAND
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DEMNÄCHST EINZELZIMMER?
cassandra, Samstag, 14. Juli 2007, 11:03
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Marilyn folgt heute Angela und verlässt mich.
Eben fragte sie mich doch tatsächlich, ob sie den ganzen Ärzten und Assistenzärzten auch (!) Trinkgeld geben muss.
Eben fragte sie mich doch tatsächlich, ob sie den ganzen Ärzten und Assistenzärzten auch (!) Trinkgeld geben muss.
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OMEN
cassandra, Freitag, 13. Juli 2007, 19:38
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Freitag, der 13. und ein Hochdruckgebiet, das meinen (realen) Namen trägt.
Toll. Geradezu genial. Als hätte ich nicht schon genug Probleme mit zu hohem Druck. Das heisst dann wohl, dass ich NIEMALS aus diesem Krankenhaus komme.
By the way: Bis dato haben mich fast alle einheimischen Bloggerinnen hier drinnen besucht. Wann bewegen Sie denn mal Ihr knackiges Popöchen hierher, junge Frau? ;-)
(Morgen lasse ich mich für ein paar Stunden entführen, ummich hoffnungslos zu betrinken eine Hochzeit aufzusuchen, aber dann bin ich bestimmt noch ein Weilchen hier.)
Toll. Geradezu genial. Als hätte ich nicht schon genug Probleme mit zu hohem Druck. Das heisst dann wohl, dass ich NIEMALS aus diesem Krankenhaus komme.
By the way: Bis dato haben mich fast alle einheimischen Bloggerinnen hier drinnen besucht. Wann bewegen Sie denn mal Ihr knackiges Popöchen hierher, junge Frau? ;-)
(Morgen lasse ich mich für ein paar Stunden entführen, um
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TAG 4-6: AUF DEM WEG ZUR BESSERUNG
cassandra, Freitag, 13. Juli 2007, 11:20
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Am 4. Tag habe ich unerwartete Blutungen im Auge. Der Herr Doktor sagt mir bei der Visite, ich wäre kompliziert. Ich bin gekränkt. Man hat mich schon als vieles bezeichnet: zickig, anstrengend, nervtötend, egozentrisch, verwöhnt und rechthaberisch. Aber in der Regel bin ich mir darüber im klaren, dass ich zickig, anstrengend, nervtötend, egozentrisch, verwöhnt und rechthaberisch bin. Ich bin es oft sogar mit voller Absicht. Das macht mich berechenbar. Und Berechenbarkeit ist quasi das Gegenteil von Kompliziertheit. Trotzdem treffen bei mir all’ die Dinge ein, die stets im kleingedruckten als mögliche Risiken genannt werden.
Die Tage verlaufen relativ ereignislos. Mein Druck ist niedrig und gut. Mein Kreislauf stabilisiert sich, ich sehe aus, als hätte mir ein Pferd ins Auge getreten und renne einäugig durch die Gegend, weil alles so zugeschwollen ist, dass ich es nicht ohne Hilfe öffnen kann. Das Auge kann ich eh erst einmal vergessen. Nach den üblichen Untersuchungen will eine Assistenzärztin einen Sehtest machen. Ich frage sie, ob es ihr beliebt zu scherzen. Ich kann noch nicht einmal die Wand sehen, an der der Leuchtkasten hängt. Derzeit gelingt es mir lediglich, zwischen hell und dunkel zu unterscheiden.
Ich teile mein Zimmer mit Angela und Marilyn. Erstere ist Mitte 60, sehr dick und sehr gesprächig. Ohne Unterlass quasselt sie in breitem Neusser Dialekt. Sie ist ein wenig herrisch, aber auch sehr beliebt, denn wenn sie mir nicht gerade lautstark Geschichten aus ihrem Leben erzählt, hängt sie am Telefon oder unterhält riesige Besuchermengen, die sich in unserem winzigen Zimmer stapeln. Sie hat mich ins Herz geschlossen und ich wurde bereits von ihrem großen Bekannten- und Verwandtenkreis anektiert: muss ihren Besuchern von meinem Beruf erzählen, Fragen zu meinem Leben beantworten und ihr Ehemann flirtet sogar mit mir.
Marilyn hat nur eine Gemeinsamkeit mit Angela: sie redet auch gerne. Sie ist 75, sehr klein, zierlich und polnischer Herkunft. Sie spricht mich immer mit Frau Schulte an und nachdem ich ihr ungefähr 30x gesagt habe, dass ich nicht so heisse, ist sie zu Frau Cassandra übergegangen. Marilyn ist zwar sehr niedlich, macht meine Nächte jedoch zur Hölle. Sie kann nachts nicht bei geöffnetem Fenster schlafen und will stattdessen die Zimmertür geöffnet haben. Stundenlang starre ich des nächtens schwitzend an die Decke und bade in dem Neonflutlicht, das sich vom Flur aus ins Zimmer ergiesst.
Die Tatsache, dass beide Frauen ausdauernde Schnarcher sind, tut ihr übriges zu meiner Nachtruhe.
Während die beiden mich „unser Baby“ nennen, habe ich Ihnen ihre Namen bei einem Spiel verpasst.
So ein Tag im Krankenhaus kann nämlich sehr eintönig werden. Gegen 6 Uhr stehen die beiden Damen auf. Angela macht sich, lautstark die Ereignisse der Nacht auswertend, auf die Suche nach Kaffee (den es um diese Uhrzeit nie zu geben scheint), während Marilyn sich Lockenwickler in die Haare dreht. Sie wohnt bereits seit drei Wochen hier und bekommt nie Besuch, legt aber nach wie vor Wert auf eine tadelose Frisur.
Kurz vor 7 Uhr kommen die Schwestern ins Zimmer, um Blutdruck zu messen und Medikamente zu verteilen. Um 7:05 stehe ich auf und dusche manchmal (Hey. Immerhin wurde es mir untersagt.) und um 7:15 beginnt die Visite, zu der wir uns alle in einer Reihe auf Stühle vor die Behandlungszimmer setzen und darauf warten, aufgerufen zu werden. Ich komme stets zu spät und muss zum Ärger meiner Mitpatienten (die oft schon ab 7 Uhr dort sitzen) fast nie warten. Es zahlt sich also doch aus, kompliziert und unter 60 zu sein.
Um 8 Uhr gibt es Frühstück, um 12 Uhr Mittag und um 17 Uhr Abendbrot. Gegen 19 Uhr macht man sich bettfein und dazwischen passiert nichts. Es sei denn, man geht in den OP, aber ansonsten passiert GAR NICHTS. Nichts, nichts, nichts. Man darf nicht lesen und das Krankenhaus nicht verlassen.
Aus Ermangelung an Karten-, Brett- und Würfelspielen kam ich also auf die tolle Idee, dieses Post it Spiel zu spielen: man schreibt den Namen einer bekannten Persönlichkeit auf einen Post it und klebt ihn an die Stirn eines Mitspielers, der natürlich nicht sehen darf, was drauf steht. In Ermangelung von Post its, kann man auch durchaus Medikamentenanweisungszettel und Heftpflaster nehmen. So sass ich also mit Mrs. Monroe und Frau Merkel in der Runde, die beide nichts von Ihrer Identität wussten und nun raten mussten, wer sie sind. Frau Merkel und die Schwestern, die sich nach und nach in unserem Zimmer einfanden, umuns auszulachen mitzufiebern, hatten die Spielregeln schnell kapiert. Nur Marilyn tat sich damit ein wenig schwer.
Wir gaben ihr immer wieder Hinweise, um das Spiel in Gang zu halten.
“Fragen Sie doch mal, ob Sie schon tod sind.“ Marilyn bekam große, ängstliche Augen:
"Aber ich bin doch nicht tod. Ich sitze doch hier.“
„Doch. Sie sind tod. Sie sind ja nicht Sie selbst im Moment. Sie sind jemand anderes. Und diese Person ist tod.“
„Aber ich hatte doch noch gar keine Beerdigung. Ich kann nicht tod sein.“
Viele Erklärungsversuche später ist Marilyn wieder an der Reihe und schweigt hartnäckig.
“Sie müssen uns etwas fragen.“
Hilfloses Schweigen.
“Stellen Sie uns doch Fragen zu ihrem Beruf. Fragen Sie uns, was Sie beruflich gemacht haben.“
„Ich habe einen Schreibmaschinenkurs gemacht und später als Sekretärin gearbeitet...“
„NEIN.... Wir geben ihnen noch einen kleinen Tipp: Sie sind Schauspielerin. Aber manchmal singen sie auch.“
"Aber ich kann doch gar nicht singen. Meine Cousine, die Patrizia, die hat eine schöne Stimme..."
"NEIN. Sie sind raus. Ich bin dran."
Wenig später singen Angela und ich tatsächlich "Happy Birthday, Mr. President...", aber es hilft nichts.
Marilyn kam leider nie dahinter, wer sie war und wir haben es danach auch aufgegeben, weitere Spielchen zu spielen. (Wobei an dieser Stelle natürlich nicht unerwähnt bleiben sollte, dass ich bereits inach 3 läppischen Fragen gewann. Als Paris Hilton.)
Nun eilt uns unser Ruf über sämtliche Etagen des Krankenhauses voraus. Als einen Tag später eine neue Schwester das Zimmer betrat, um sich vorszustellen, fragte sie, ob wir denn die netten Damen seien, die immer so lustige Spiele spielen würden.
Freuen Sie sich jetzt schon auf die Fortsetzung dieser unglaublich spannenden Serie:
TAG 7: DER AUSBRUCH
Die Tage verlaufen relativ ereignislos. Mein Druck ist niedrig und gut. Mein Kreislauf stabilisiert sich, ich sehe aus, als hätte mir ein Pferd ins Auge getreten und renne einäugig durch die Gegend, weil alles so zugeschwollen ist, dass ich es nicht ohne Hilfe öffnen kann. Das Auge kann ich eh erst einmal vergessen. Nach den üblichen Untersuchungen will eine Assistenzärztin einen Sehtest machen. Ich frage sie, ob es ihr beliebt zu scherzen. Ich kann noch nicht einmal die Wand sehen, an der der Leuchtkasten hängt. Derzeit gelingt es mir lediglich, zwischen hell und dunkel zu unterscheiden.
Ich teile mein Zimmer mit Angela und Marilyn. Erstere ist Mitte 60, sehr dick und sehr gesprächig. Ohne Unterlass quasselt sie in breitem Neusser Dialekt. Sie ist ein wenig herrisch, aber auch sehr beliebt, denn wenn sie mir nicht gerade lautstark Geschichten aus ihrem Leben erzählt, hängt sie am Telefon oder unterhält riesige Besuchermengen, die sich in unserem winzigen Zimmer stapeln. Sie hat mich ins Herz geschlossen und ich wurde bereits von ihrem großen Bekannten- und Verwandtenkreis anektiert: muss ihren Besuchern von meinem Beruf erzählen, Fragen zu meinem Leben beantworten und ihr Ehemann flirtet sogar mit mir.
Marilyn hat nur eine Gemeinsamkeit mit Angela: sie redet auch gerne. Sie ist 75, sehr klein, zierlich und polnischer Herkunft. Sie spricht mich immer mit Frau Schulte an und nachdem ich ihr ungefähr 30x gesagt habe, dass ich nicht so heisse, ist sie zu Frau Cassandra übergegangen. Marilyn ist zwar sehr niedlich, macht meine Nächte jedoch zur Hölle. Sie kann nachts nicht bei geöffnetem Fenster schlafen und will stattdessen die Zimmertür geöffnet haben. Stundenlang starre ich des nächtens schwitzend an die Decke und bade in dem Neonflutlicht, das sich vom Flur aus ins Zimmer ergiesst.
Die Tatsache, dass beide Frauen ausdauernde Schnarcher sind, tut ihr übriges zu meiner Nachtruhe.
Während die beiden mich „unser Baby“ nennen, habe ich Ihnen ihre Namen bei einem Spiel verpasst.
So ein Tag im Krankenhaus kann nämlich sehr eintönig werden. Gegen 6 Uhr stehen die beiden Damen auf. Angela macht sich, lautstark die Ereignisse der Nacht auswertend, auf die Suche nach Kaffee (den es um diese Uhrzeit nie zu geben scheint), während Marilyn sich Lockenwickler in die Haare dreht. Sie wohnt bereits seit drei Wochen hier und bekommt nie Besuch, legt aber nach wie vor Wert auf eine tadelose Frisur.
Kurz vor 7 Uhr kommen die Schwestern ins Zimmer, um Blutdruck zu messen und Medikamente zu verteilen. Um 7:05 stehe ich auf und dusche manchmal (Hey. Immerhin wurde es mir untersagt.) und um 7:15 beginnt die Visite, zu der wir uns alle in einer Reihe auf Stühle vor die Behandlungszimmer setzen und darauf warten, aufgerufen zu werden. Ich komme stets zu spät und muss zum Ärger meiner Mitpatienten (die oft schon ab 7 Uhr dort sitzen) fast nie warten. Es zahlt sich also doch aus, kompliziert und unter 60 zu sein.
Um 8 Uhr gibt es Frühstück, um 12 Uhr Mittag und um 17 Uhr Abendbrot. Gegen 19 Uhr macht man sich bettfein und dazwischen passiert nichts. Es sei denn, man geht in den OP, aber ansonsten passiert GAR NICHTS. Nichts, nichts, nichts. Man darf nicht lesen und das Krankenhaus nicht verlassen.
Aus Ermangelung an Karten-, Brett- und Würfelspielen kam ich also auf die tolle Idee, dieses Post it Spiel zu spielen: man schreibt den Namen einer bekannten Persönlichkeit auf einen Post it und klebt ihn an die Stirn eines Mitspielers, der natürlich nicht sehen darf, was drauf steht. In Ermangelung von Post its, kann man auch durchaus Medikamentenanweisungszettel und Heftpflaster nehmen. So sass ich also mit Mrs. Monroe und Frau Merkel in der Runde, die beide nichts von Ihrer Identität wussten und nun raten mussten, wer sie sind. Frau Merkel und die Schwestern, die sich nach und nach in unserem Zimmer einfanden, um
Wir gaben ihr immer wieder Hinweise, um das Spiel in Gang zu halten.
“Fragen Sie doch mal, ob Sie schon tod sind.“ Marilyn bekam große, ängstliche Augen:
"Aber ich bin doch nicht tod. Ich sitze doch hier.“
„Doch. Sie sind tod. Sie sind ja nicht Sie selbst im Moment. Sie sind jemand anderes. Und diese Person ist tod.“
„Aber ich hatte doch noch gar keine Beerdigung. Ich kann nicht tod sein.“
Viele Erklärungsversuche später ist Marilyn wieder an der Reihe und schweigt hartnäckig.
“Sie müssen uns etwas fragen.“
Hilfloses Schweigen.
“Stellen Sie uns doch Fragen zu ihrem Beruf. Fragen Sie uns, was Sie beruflich gemacht haben.“
„Ich habe einen Schreibmaschinenkurs gemacht und später als Sekretärin gearbeitet...“
„NEIN.... Wir geben ihnen noch einen kleinen Tipp: Sie sind Schauspielerin. Aber manchmal singen sie auch.“
"Aber ich kann doch gar nicht singen. Meine Cousine, die Patrizia, die hat eine schöne Stimme..."
"NEIN. Sie sind raus. Ich bin dran."
Wenig später singen Angela und ich tatsächlich "Happy Birthday, Mr. President...", aber es hilft nichts.
Marilyn kam leider nie dahinter, wer sie war und wir haben es danach auch aufgegeben, weitere Spielchen zu spielen. (Wobei an dieser Stelle natürlich nicht unerwähnt bleiben sollte, dass ich bereits inach 3 läppischen Fragen gewann. Als Paris Hilton.)
Nun eilt uns unser Ruf über sämtliche Etagen des Krankenhauses voraus. Als einen Tag später eine neue Schwester das Zimmer betrat, um sich vorszustellen, fragte sie, ob wir denn die netten Damen seien, die immer so lustige Spiele spielen würden.
Freuen Sie sich jetzt schon auf die Fortsetzung dieser unglaublich spannenden Serie:
TAG 7: DER AUSBRUCH
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TAG 3: EIN WIEDERSEHEN IM OP
cassandra, Donnerstag, 12. Juli 2007, 09:51
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Ich kotze mir den ganzen Tag meine Seele aus dem Leib. Meine Seele ist zähflüssig und ein wenig braun. Speisen und Getränke finden sich nicht anbei, da ich die Nahrungsaufnahme verweigere. Nicht unbedingt eine gute Idee, da die Chemie meinem Körper jedes noch so kleine Tröpfchen Flüssigkeit entzieht. Doch sobald ich auch nur ein winziges Schlückchen Wasser zu mir nehme, hänge ich schon wieder über der Toilettenschüssel.
Mein Blutdruck liegt bei 90 zu irgendwas. Ich soll punkt 7 Uhr zur Visite erscheinen und möchte den Weg dorthin am liebsten auf allen vieren kriechend hinter mich bringen. Während mein Oberarzt meine Augen untersucht, möchte ich ihm am liebsten ins Gesicht kotzen. Das sage ich ihm auch. Daraufhin reicht man mir ein Nierenschale aus Pappe. Ich weiss nicht, wie ich dort hinein treffen soll und es wäre mir höchstgradig peinlich, wenn etwas daneben gelangt oder die Pappe durchweicht. Ausserdem habe ich gewisse Hemmungen, mich vor anderen Menschen zu übergeben. Angesichts des niedrigen Blutdrucks schaffe ich es in Rekordzeit zurück in mein Zimmer, knie’ zum wiederholten Male vor der mir inzwischen ans Herz gewachsenen Keramikschüssel und finde Erleichterung. Ich umarme die Schüssel und möchte nie wieder aufstehen. Muss ich aber, denn der Herr Doktor ist nicht sehr glücklich mit mir und verlangt, mich erneut in seinem OP zu sehen, um weiteres Gel abzulassen. Ich bin inzwischen zum Scherzobjekt der Stationsschwestern mutiert, die sich darüber auslassen, dass der Herr Doktor offenbar eine Schwäche für mich hat und mich deshalb ständig operieren will, weil er sich nicht traut, mich zu einem Kaffee einzuladen. Hätte ich mich doch nur in seinem Gesicht übergeben, dann würde er mich vielleicht nicht mehr mögen.
Den Eingriff im OP kenne ich ja nun schon. Er unterscheidet sich nicht wirklich von den gestrigen. Ich beisse die Zähne zusammen, kralle mich in meinen Teddy und schwöre, dass ich der nächsten Person, die fragt, ob es etwa weh tut oder die sagt, dass ich mich entspannen soll, damit es weniger weh tut, an die Gurgel springe und mit einem Skalpell immer wieder ins Auge steche.
Den Rest des Tages verbringe ich im Bett und auf den Fliesen des Badezimmers.
Auf Grund der ganzen Krankenhaus-Action hier habe ich gestern abend vergessen, diesen Beitrag online zu stellen. Daher gibt es heute bereits die Fortsetzung (und aus Mangel an erwähnenswerten Neuigkeiten gibt es auch gleich 3 Tage auf einmal):
TAG 4-6: AUF DEM WEG ZUR BESSERUNG
Mein Blutdruck liegt bei 90 zu irgendwas. Ich soll punkt 7 Uhr zur Visite erscheinen und möchte den Weg dorthin am liebsten auf allen vieren kriechend hinter mich bringen. Während mein Oberarzt meine Augen untersucht, möchte ich ihm am liebsten ins Gesicht kotzen. Das sage ich ihm auch. Daraufhin reicht man mir ein Nierenschale aus Pappe. Ich weiss nicht, wie ich dort hinein treffen soll und es wäre mir höchstgradig peinlich, wenn etwas daneben gelangt oder die Pappe durchweicht. Ausserdem habe ich gewisse Hemmungen, mich vor anderen Menschen zu übergeben. Angesichts des niedrigen Blutdrucks schaffe ich es in Rekordzeit zurück in mein Zimmer, knie’ zum wiederholten Male vor der mir inzwischen ans Herz gewachsenen Keramikschüssel und finde Erleichterung. Ich umarme die Schüssel und möchte nie wieder aufstehen. Muss ich aber, denn der Herr Doktor ist nicht sehr glücklich mit mir und verlangt, mich erneut in seinem OP zu sehen, um weiteres Gel abzulassen. Ich bin inzwischen zum Scherzobjekt der Stationsschwestern mutiert, die sich darüber auslassen, dass der Herr Doktor offenbar eine Schwäche für mich hat und mich deshalb ständig operieren will, weil er sich nicht traut, mich zu einem Kaffee einzuladen. Hätte ich mich doch nur in seinem Gesicht übergeben, dann würde er mich vielleicht nicht mehr mögen.
Den Eingriff im OP kenne ich ja nun schon. Er unterscheidet sich nicht wirklich von den gestrigen. Ich beisse die Zähne zusammen, kralle mich in meinen Teddy und schwöre, dass ich der nächsten Person, die fragt, ob es etwa weh tut oder die sagt, dass ich mich entspannen soll, damit es weniger weh tut, an die Gurgel springe und mit einem Skalpell immer wieder ins Auge steche.
Den Rest des Tages verbringe ich im Bett und auf den Fliesen des Badezimmers.
Auf Grund der ganzen Krankenhaus-Action hier habe ich gestern abend vergessen, diesen Beitrag online zu stellen. Daher gibt es heute bereits die Fortsetzung (und aus Mangel an erwähnenswerten Neuigkeiten gibt es auch gleich 3 Tage auf einmal):
TAG 4-6: AUF DEM WEG ZUR BESSERUNG
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TAG 2: MIT DEM SKALPELL IM AUGE IN DEN HEILENDEN SCHLAF
cassandra, Dienstag, 10. Juli 2007, 22:26
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Meine Vorderkammer droht zu kollabieren. Die gestrige OP, die den Augeninnendruck senken sollte, hat ganze Arbeit geleistet. Ich bin quasi komplett augeninnendrucklos. Das findet man hier jedoch auch nicht wünschenswert, da die Kammern im Auge ohne Druck in sich zusammenfallen können.
Zum Zeitpunkt der Visite, die hier zu einem taufrischen Zeitpunkt von 7 Uhr stattfindet, unterschreibe ich alles ohne Wiederspruch. Auch, dass ich nachher noch ein weiteres Mal, diesmal ohne Narkose operiert werde. In dieser Herrgottsfrühe sind mir die Ausmaße dieser Entscheidung ziemlich schnuppe. Es handelt sich auch nur um einen winzigen Eingriff. Mit einem Skalpell wird ein kleiner Schnitt in der Iris vorgenommen, in den dann mit Hilfe einer Spritze ein zähflüssiges Gel eingelassen wird. Dieses Gel soll die Vorderkammer stabilisieren und den Druck wieder aufbauen.
Endlich darf ich bewusst an dem Spaß teilhaben. Vielleicht kann ich heimlich auch ein paar Fotos schiessen.
Den Fotoapparat darf ich dann leider nicht mitnehmen. Dafür einen kleinen Teddy, in den ich in den nächsten Minuten meine Fingernägel krallen kann.
Ich werde in den OP gefahren, darf auf eine OP-Liege hüpfen, ernte ein paar lustige Sprüche über meine Unterwäsche, die man zweifelsohne gut erkennen kann, wenn man ein hinten offenes Krankenhaushemdchen trägt und es gibt ein großes Wiedersehenshallo mit den Jungs vom OP. Wir kommen noch einmal auf den gestrigen Aufwachkuss des Frosches zu sprechen, den ich zu meinem Bedauern verpasst habe und ich werde ab sofort von Ihnen nur noch Prinzessin genannt.
Leider kann ich das Erlebte nicht sehr präzise wiedergeben, da ich meine Brille im Zimmer lassen musste und ohne selbige relativ wenig sehe.
Die Räumlichkeiten im OP sind in knalligem Hellblau gestrichen. Ich habe mal mein Büro in der Firma in diesem Farbton angemalt, bis mein Chef plötzlich eine Freundin hatte, die Feng Shui Expertin war und meinte, dass diese Farbe furchtbar schlechte Schwingungen auslösen würde. Daraufhin mussten wir es wieder weiss streichen. Von Feng Shui scheint der Interior Desiger des Krankenhauses nicht viel zu halten. Ich finde jedoch, dass das blau gut zu der tiefgrünen Bettwäsche passt, in die ich gebettet bin.
Der Herr Doktor klebt meinen Kopf mit einem Klebestreifen fest. Das verstehe ich nicht ganz, denn die Konstruktion ist im Falle einer winzigen Bewegung meinerseits zum Scheitern verurteilt. Dann wird ein Tuch über mich ausgebreitet, dass ein kreisrundes folienverklebtes Loch hat, das genau über meinem Auge platziert wird. Der Arzt nähert sich mit einem metallisch glänzendem Gegenstand der Folie und schneidet sie auf. Das ist wohl der erste Moment, wo ich zusammenschrecke. Ich habe mir im Leben schon so häufig beim Öffnen von Verpackungen in die Finger geschnitten, dass ich zu niemandem großes Vertrauen habe, der an einem Stück hartnäckiger Folie säbelt, die nur wenige Millimeter über meinem Auge schwebt.
Als die Folie endlich weg ist, beginnt der wahrhaft spaßige Teil. Damit ich auch brav mein Auge während des Eingriffs geöffnet halte, wird ein monströses Metallklemmenteil zwischen meine Lider geschoben. Das ist gar nicht so einfach, weil ich den Verdacht nicht los werde, dass die Klammer größer ist als mein Auge. Der Eindruck könnte natürlich auch täuschen, da mein Auge von der gestrigen Operation noch so geschwollen ist, das es gar nicht richtig aufgehen kann. Ich will kein Weichei sein und jammere nur still und heimlich in mich hinein, während ich die ersten Krümel der Teddybärfüllung zwischen den Fingern spüre.
Nachdem die Klammer endlich sitzt, sehe ich nicht mehr wirklich viel ausser grell beissendes Licht, ein paar Schatten und ein wenig Metall. Ich kann mich voll und ganz meinen Empfindungen hingeben und die sind eher unschön. Der Arzt meint, dass ich mich entspannen soll, das der Schmerz nur durch meine Gegenwehr entsteht, aber das kann ich nicht. Jeder Muskel meines Körpers steht unter Hochspannung. Im Auge gibt es keine Nerven, so dass logischerweise auch keine Schmerzen geben kann. Das ist jedoch eine Lüge. Ich merke sehr genau, dass jemand in meinem Auge bohrt, der Augapfel hin und her geschoben wird und es tut verdammt noch mal weh.
Nach 5 Minuten ist alles vorbei. Ich darf zurück in mein Zimmer und meine Besucher lenken mich ein wenig von den erlitten Qualen ab.
Gegen Nachmittag macht sich ein ziemlich unangenehmer Kopfschmerz in meiner rechten Gehirn- und Gesichtshälfte breit. Ich lasse mir ein Mittel geben doch in den folgenden Stunden wird der Schmerz immer stärker.
Alle halbe Stunde stehe ich heulend vor der Stationsschwester und verlange nach höheren Dosen. Mein Kopf fühlt sich an, als würde eine sehr wütende Stilettoträgerin ihre Pfennigabsätze wieder und wieder in mein Hirn rammen.
Die Schwestern informieren die Bereitschaftsassistenzdokteuse, die jedoch keine Lust hat, mich zu sehen und per Ferndiagnose bescheinigt, dass der Kopfschmerz auf keinen Fall mit dem Auge zusammenhängen kann. Inzwischen bekomme ich sehr hochdosierte Schmerzmittel, doch nichts hilft. Stattdessen gesellt sich Übelkeit hinzu und schon bald übergebe ich sämtliche Inhalte meines Körpers in die Toilettenschüssel. Viel ist es nicht, wenn man bedenkt, dass ich seit 2 Tagen so gut wie überhaupt nichts gegessen habe.
Die Bereitschaftsassistenzdokteuse hat irgendwann ein Erbarmen und bestellt mich zu sich. Sie misst meinen Augeninnendruck. Der befindet sich jenseits von gut und böse.
Bei einem Druck über 20 ist der Druck zu hoch und kann den Sehnerv schädigen, bei meiner Einlieferung lag der Druck bei 30 und das Ziel nach einer OP liegt bei um die 10. Ich befinde mich heute bei 44. Ich wusste noch nicht einmal, dass ein derart hoher Druck überhaupt möglich ist. Offensichtlich leistet das Gel ganze Arbeit.
Man pumpt mich mit drucksenkender Chemie voll. Weder der Schmerz noch die Übelkeit nehmen ab. Die von mir hochgeschätzte Frau Bereitschaftsassistenzdokteuse ist wohl bereits auf dem Weg nach Hause, als die Nachtschwester sie zurückpfeift. Zumindest steht sie plötzlich in Jacke und mit Handtäschchen vor mir und erklärt sich bereit, nochmals meinen Druck zu messen. Ich liege immer noch bei 44.
Die Oberärztin wird aus dem Bett geholt und erscheint zu meiner Rettung.
Sie führt einen weiteren Eingriff durch. Sie führt ein Skalpell in den heute beigebrachten Schnitt in der Iris ein und drückt einen Teil des Gels wieder heraus. Das wird schwieriger als sie denkt, weil es wohl zwei Sorten dieses Gels gibt: ein dünnflüssiges und ein dickflüssiges, geradezu zementartiges. Raten Sie mal, welches ich im Auge habe. Eine Viertel Stunde schubbelt und drückt sie in dem Schlitz herum, doch ich bekomme davon kaum etwas mit, weil ich mit anderen Problemen beschäftigt bin. Es stimmt tatsächlich: die beste Methode, Schmerz vollkommen auszublenden ist eine andere Schmerzquelle.
Für den Rest der Nacht werde ich an den Tropf gehängt. Alle 2 Stunden schiebe ich das Gefährt in Richtung Toilette, um mich zu übergeben, was gar nicht so einfach im dunklen ist, wenn man seine Bettnachbarn nicht wecken will. Ich möchte nur noch ins Koma fallen und erst wieder erwachen, wenn dies hier alles vorbei ist.
Und morgen geht es schon weiter mit:
TAG 3: EIN WIEDERSEHEN IM OP
Zum Zeitpunkt der Visite, die hier zu einem taufrischen Zeitpunkt von 7 Uhr stattfindet, unterschreibe ich alles ohne Wiederspruch. Auch, dass ich nachher noch ein weiteres Mal, diesmal ohne Narkose operiert werde. In dieser Herrgottsfrühe sind mir die Ausmaße dieser Entscheidung ziemlich schnuppe. Es handelt sich auch nur um einen winzigen Eingriff. Mit einem Skalpell wird ein kleiner Schnitt in der Iris vorgenommen, in den dann mit Hilfe einer Spritze ein zähflüssiges Gel eingelassen wird. Dieses Gel soll die Vorderkammer stabilisieren und den Druck wieder aufbauen.
Endlich darf ich bewusst an dem Spaß teilhaben. Vielleicht kann ich heimlich auch ein paar Fotos schiessen.
Den Fotoapparat darf ich dann leider nicht mitnehmen. Dafür einen kleinen Teddy, in den ich in den nächsten Minuten meine Fingernägel krallen kann.
Ich werde in den OP gefahren, darf auf eine OP-Liege hüpfen, ernte ein paar lustige Sprüche über meine Unterwäsche, die man zweifelsohne gut erkennen kann, wenn man ein hinten offenes Krankenhaushemdchen trägt und es gibt ein großes Wiedersehenshallo mit den Jungs vom OP. Wir kommen noch einmal auf den gestrigen Aufwachkuss des Frosches zu sprechen, den ich zu meinem Bedauern verpasst habe und ich werde ab sofort von Ihnen nur noch Prinzessin genannt.
Leider kann ich das Erlebte nicht sehr präzise wiedergeben, da ich meine Brille im Zimmer lassen musste und ohne selbige relativ wenig sehe.
Die Räumlichkeiten im OP sind in knalligem Hellblau gestrichen. Ich habe mal mein Büro in der Firma in diesem Farbton angemalt, bis mein Chef plötzlich eine Freundin hatte, die Feng Shui Expertin war und meinte, dass diese Farbe furchtbar schlechte Schwingungen auslösen würde. Daraufhin mussten wir es wieder weiss streichen. Von Feng Shui scheint der Interior Desiger des Krankenhauses nicht viel zu halten. Ich finde jedoch, dass das blau gut zu der tiefgrünen Bettwäsche passt, in die ich gebettet bin.
Der Herr Doktor klebt meinen Kopf mit einem Klebestreifen fest. Das verstehe ich nicht ganz, denn die Konstruktion ist im Falle einer winzigen Bewegung meinerseits zum Scheitern verurteilt. Dann wird ein Tuch über mich ausgebreitet, dass ein kreisrundes folienverklebtes Loch hat, das genau über meinem Auge platziert wird. Der Arzt nähert sich mit einem metallisch glänzendem Gegenstand der Folie und schneidet sie auf. Das ist wohl der erste Moment, wo ich zusammenschrecke. Ich habe mir im Leben schon so häufig beim Öffnen von Verpackungen in die Finger geschnitten, dass ich zu niemandem großes Vertrauen habe, der an einem Stück hartnäckiger Folie säbelt, die nur wenige Millimeter über meinem Auge schwebt.
Als die Folie endlich weg ist, beginnt der wahrhaft spaßige Teil. Damit ich auch brav mein Auge während des Eingriffs geöffnet halte, wird ein monströses Metallklemmenteil zwischen meine Lider geschoben. Das ist gar nicht so einfach, weil ich den Verdacht nicht los werde, dass die Klammer größer ist als mein Auge. Der Eindruck könnte natürlich auch täuschen, da mein Auge von der gestrigen Operation noch so geschwollen ist, das es gar nicht richtig aufgehen kann. Ich will kein Weichei sein und jammere nur still und heimlich in mich hinein, während ich die ersten Krümel der Teddybärfüllung zwischen den Fingern spüre.
Nachdem die Klammer endlich sitzt, sehe ich nicht mehr wirklich viel ausser grell beissendes Licht, ein paar Schatten und ein wenig Metall. Ich kann mich voll und ganz meinen Empfindungen hingeben und die sind eher unschön. Der Arzt meint, dass ich mich entspannen soll, das der Schmerz nur durch meine Gegenwehr entsteht, aber das kann ich nicht. Jeder Muskel meines Körpers steht unter Hochspannung. Im Auge gibt es keine Nerven, so dass logischerweise auch keine Schmerzen geben kann. Das ist jedoch eine Lüge. Ich merke sehr genau, dass jemand in meinem Auge bohrt, der Augapfel hin und her geschoben wird und es tut verdammt noch mal weh.
Nach 5 Minuten ist alles vorbei. Ich darf zurück in mein Zimmer und meine Besucher lenken mich ein wenig von den erlitten Qualen ab.
Gegen Nachmittag macht sich ein ziemlich unangenehmer Kopfschmerz in meiner rechten Gehirn- und Gesichtshälfte breit. Ich lasse mir ein Mittel geben doch in den folgenden Stunden wird der Schmerz immer stärker.
Alle halbe Stunde stehe ich heulend vor der Stationsschwester und verlange nach höheren Dosen. Mein Kopf fühlt sich an, als würde eine sehr wütende Stilettoträgerin ihre Pfennigabsätze wieder und wieder in mein Hirn rammen.
Die Schwestern informieren die Bereitschaftsassistenzdokteuse, die jedoch keine Lust hat, mich zu sehen und per Ferndiagnose bescheinigt, dass der Kopfschmerz auf keinen Fall mit dem Auge zusammenhängen kann. Inzwischen bekomme ich sehr hochdosierte Schmerzmittel, doch nichts hilft. Stattdessen gesellt sich Übelkeit hinzu und schon bald übergebe ich sämtliche Inhalte meines Körpers in die Toilettenschüssel. Viel ist es nicht, wenn man bedenkt, dass ich seit 2 Tagen so gut wie überhaupt nichts gegessen habe.
Die Bereitschaftsassistenzdokteuse hat irgendwann ein Erbarmen und bestellt mich zu sich. Sie misst meinen Augeninnendruck. Der befindet sich jenseits von gut und böse.
Bei einem Druck über 20 ist der Druck zu hoch und kann den Sehnerv schädigen, bei meiner Einlieferung lag der Druck bei 30 und das Ziel nach einer OP liegt bei um die 10. Ich befinde mich heute bei 44. Ich wusste noch nicht einmal, dass ein derart hoher Druck überhaupt möglich ist. Offensichtlich leistet das Gel ganze Arbeit.
Man pumpt mich mit drucksenkender Chemie voll. Weder der Schmerz noch die Übelkeit nehmen ab. Die von mir hochgeschätzte Frau Bereitschaftsassistenzdokteuse ist wohl bereits auf dem Weg nach Hause, als die Nachtschwester sie zurückpfeift. Zumindest steht sie plötzlich in Jacke und mit Handtäschchen vor mir und erklärt sich bereit, nochmals meinen Druck zu messen. Ich liege immer noch bei 44.
Die Oberärztin wird aus dem Bett geholt und erscheint zu meiner Rettung.
Sie führt einen weiteren Eingriff durch. Sie führt ein Skalpell in den heute beigebrachten Schnitt in der Iris ein und drückt einen Teil des Gels wieder heraus. Das wird schwieriger als sie denkt, weil es wohl zwei Sorten dieses Gels gibt: ein dünnflüssiges und ein dickflüssiges, geradezu zementartiges. Raten Sie mal, welches ich im Auge habe. Eine Viertel Stunde schubbelt und drückt sie in dem Schlitz herum, doch ich bekomme davon kaum etwas mit, weil ich mit anderen Problemen beschäftigt bin. Es stimmt tatsächlich: die beste Methode, Schmerz vollkommen auszublenden ist eine andere Schmerzquelle.
Für den Rest der Nacht werde ich an den Tropf gehängt. Alle 2 Stunden schiebe ich das Gefährt in Richtung Toilette, um mich zu übergeben, was gar nicht so einfach im dunklen ist, wenn man seine Bettnachbarn nicht wecken will. Ich möchte nur noch ins Koma fallen und erst wieder erwachen, wenn dies hier alles vorbei ist.
Und morgen geht es schon weiter mit:
TAG 3: EIN WIEDERSEHEN IM OP
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NOCHMAL TAG 1:
cassandra, Montag, 9. Juli 2007, 21:41
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Die Jungs von der Anästhesie sind echte Pausenclowns. Erklären mir doch tatsächlich, dass ich gleich richtig gut schlafen werde bis ein Frosch vorbeikommt und mich wach küsst. Dass selbiger sich dann in einen Prinzen verwandeln würde, sei selbstredend.
Seit dieser Augengeschichte fühle ich mich tatsächlich wieder wie ein Teenager. Von allen Seiten hagelt es Anspielungen über mein junges Alter und nun versucht man mich auch noch mit Hilfe von Märchen ruhig zu stellen. Ich habe bereits eine Injektion erhalten und höre mich noch etwas von einem Frosch-Casting brummeln, dass ich vorab erst einmal durchzuführen gedenke, dann bin ich erst einmal weg.
Mein Alter war auch der Grund gewesen, warum ich das erste Mal kurz vor der Operation wieder aus dem Krankenhaus geschmissen wurde. In der Zwischenzeit hat mein Arzt versucht, jemanden zu finden, der Lust hat, mich zu operieren. Das Krankenhaus mit dem ganz neuen, ganz modernen Verfahren wollte mich jedoch genau so wenig, wie mein eigener Augenarzt, an den das Krankenhaus versuchte, mich zurück zu überweisen, damit er mich per Laser heilen könnte. Da mich niemand wollte, bin ich also zurück im ursprünglichen Haus, in den Händen eines Arztes, der mich nicht will und harre der Dinge, die da kommen.
Glücklicherweise durfte ich mich heute direkt in den OP begeben und ersparte mir einen erneuten Laufzettelmarathon.
So. Da ich diesen Tag mehr oder weniger im Koma verbrachte, gibt es wenig zu berichten, aber dafür wird es morgen so richtig spannend:
TAG 2: MIT DEM SKALPELL IM AUGE IN DEN HEILENDEN SCHLAF
Bis dahin gibt es als Pausenfüller das letzte Foto meiner Wenigkeit mit Kontaktlinsen. Es stammt von unserem Firmenausflug nach Cannes von dem ich vorgestern heimkehrte.
Dafür bitte einen kleinen Tusch.
P.S.: Wollte das Bild hier einfügen und habe dies jetzt 20x getan, aber die Qualität ist zum Kotzen. Trotz Komprimierung und Verkleinern sieht das Bild im Bildverarbeitungsprogramm gut aus. Sobald ich es hier hochlade (oder bei Flickr (ich weiss....), ist es pixelig. Das war früher nicht so. Habe ich was auf den Augen oder pixelt das?
Seit dieser Augengeschichte fühle ich mich tatsächlich wieder wie ein Teenager. Von allen Seiten hagelt es Anspielungen über mein junges Alter und nun versucht man mich auch noch mit Hilfe von Märchen ruhig zu stellen. Ich habe bereits eine Injektion erhalten und höre mich noch etwas von einem Frosch-Casting brummeln, dass ich vorab erst einmal durchzuführen gedenke, dann bin ich erst einmal weg.
Mein Alter war auch der Grund gewesen, warum ich das erste Mal kurz vor der Operation wieder aus dem Krankenhaus geschmissen wurde. In der Zwischenzeit hat mein Arzt versucht, jemanden zu finden, der Lust hat, mich zu operieren. Das Krankenhaus mit dem ganz neuen, ganz modernen Verfahren wollte mich jedoch genau so wenig, wie mein eigener Augenarzt, an den das Krankenhaus versuchte, mich zurück zu überweisen, damit er mich per Laser heilen könnte. Da mich niemand wollte, bin ich also zurück im ursprünglichen Haus, in den Händen eines Arztes, der mich nicht will und harre der Dinge, die da kommen.
Glücklicherweise durfte ich mich heute direkt in den OP begeben und ersparte mir einen erneuten Laufzettelmarathon.
So. Da ich diesen Tag mehr oder weniger im Koma verbrachte, gibt es wenig zu berichten, aber dafür wird es morgen so richtig spannend:
TAG 2: MIT DEM SKALPELL IM AUGE IN DEN HEILENDEN SCHLAF
Bis dahin gibt es als Pausenfüller das letzte Foto meiner Wenigkeit mit Kontaktlinsen. Es stammt von unserem Firmenausflug nach Cannes von dem ich vorgestern heimkehrte.
Dafür bitte einen kleinen Tusch.
P.S.: Wollte das Bild hier einfügen und habe dies jetzt 20x getan, aber die Qualität ist zum Kotzen. Trotz Komprimierung und Verkleinern sieht das Bild im Bildverarbeitungsprogramm gut aus. Sobald ich es hier hochlade (oder bei Flickr (ich weiss....), ist es pixelig. Das war früher nicht so. Habe ich was auf den Augen oder pixelt das?
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TAG 1: CHECK IN
cassandra, Sonntag, 8. Juli 2007, 16:07
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Morgen wird ein hoffentlich ausgeschlafener und froh gestimmter Arzt ein Loch in mein Auge meisseln.
Präziser ausgedrückt wird die Netzhaut aufgeschnitten und zurückgeklappt, mit der Lederhaut wird ebenso verfahren, ein winziger Teil der Iris wird entfernt und über dieses so entstandene Loch wird die Lederhaut leicht angenäht, so dass ein kleiner Hohlraum, ein so genanntes Sickerkissen, entsteht, in dem sich das Kammerwasser sammeln und abfliessen kann. Auf diese Weise wird der Augeninnendruck reduziert und das bei mir diagnostizierte Glaukom in den Griff bekommen. Klingt nach einer spaßigen Angelegenheit, von der ich dank einer Vollnarkose jedoch den Hauptteil verpassen werde. In ein paar Wochen darf ich das selbe allerdings noch einmal am anderen Auge durchexerzieren.
Punkt 9 Uhr checke ich an der Rezeption ein und gerate in einen schwindelerregend rasanten Circuit prä-stationärer Vorbereitungsmassnahmen.
Um 11 Uhr sitze ich immer noch im Wartezimmer meiner 1. Anlaufstation, deren Aufsuchung man mir mit Hilfe einer Art Laufzettel durch die verschiedenen Abteilungen angeordnet hat. Augenärztliche Kontrolle, Blutentnahme, Aufklärungsgespräch mit dem Anästhesisten, Aufnahmegespräch mit der Stationsschwester, Speiseplan ausfüllen. Ich bin ein Mensch, der ungern wartet und um so lieber ausschläft und daher entsprechend übellaunig. Zwischen Station 2 und 3 entferne ich mich erstmals unerlaubt aus dem Krankenhaus, um ein wenig zu telefonieren und bei 2 bis 3 Zigaretten abzureagieren.
Das Gespräch mit dem Herrn Anästhesisten verläuft sehr einseitig. Der Herr Doktor notiert sich auf Grund meiner Größe und meines Gewichtes Mengenangaben zum Narkotikum, das er gedenkt, mir zu verabreichen. Die eigentliche Kommunikation scheint auf rein mentaler Ebene abzulaufen, zu der ich offenbar jedoch keinen Zugang finde. Bevor es mir überhaupt gelingt, meine Gedanken zu telepathischen Informationsblitzen zu bündeln, ist er bereits bei der Verabschiedung angelangt. „Äh. Was für eine Art Narkose schwebt Ihnen denn vor?“, frage ich vorsichtig. „Nun. Wir werden Sie wohl kaum hypnotisieren.“ Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr mich diese Antwort beruhigt. Stattdessen sage ich: „Ich frage ja nur... Ich habe sehr schlechte Erfahrungen mit Vollnarkosen gemacht. Insbesondere bei einer Spinalanästhesie.“ Er schaut mich streng an: „Wieso?“
„Habe ich alles in den Fragebogen rein geschrieben. Tinnitusähnliche Syptome, Kreislaufschwäche, Übelkeit und ein paar Stromschläge, die durch den Körper fuhren.“ Erst jetzt bemerkt er, dass das 6 seitige, liebevoll von mir ausgefüllte Formular vor ihm, noch mehr Informationen enthält, als meine Angaben zu Größe und Gewicht. Da ich mir gerade einen kleinen Vorsprung erkämpft habe, wage ich eine erneute Frage: „Meinen Sie nicht, ich sollte vor einer Vollnarkose auch ein EKG machen? Die Station ist auf meinem Laufzettel durchgestrichen. Ich habe jedoch Herzrhythmusstörungen.“
„Wie, sie haben Herzrhythmusstörungen?“
„Habe ich auch da rein geschrieben.“
Ich weiss. Manchmal bin ein richtig kleiner Klugscheisser.
Bei der EKG Station sitzen bereits wieder 5 Leute vor mir. Ich gehe noch einmal rauchen, sorge jedoch dafür, dass die Dame, die vor mir gekommen ist, meinen Platz in der Schlange freihält.
Gegen 15 Uhr darf ich endlich mein Zimmer beziehen. Seit Wochen freue ich mich darauf, viele Stunden damit zu verbringen, nichts zu tun und sehr viel zu schlafen. In den nächsten 1,5 Wochen werde ich hoffentlich reichlich Gelegenheit dafür bekommen. Nach einem halbstünigem Nickerchen werde ich zu meinem Chefarzt zu einer letzten Untersuchung gerufen.
Er schaut sich ausführlichst in meinen Augen um, misst den Augeninnendruck und als er fertig ist, lehnt er sich in seinem Stuhl zurück, schaut mich an und seufzt. Ich warte. Er seufzt noch einmal und schaut mich weiter an. Ich fühle mich wie bei einer dieser Aussprachen, die das Ende von Beziehungen einläuten. Mein Gefühl sagt mir, dass ich das Thema nicht anschneiden sollte, es wirklich nicht wissen möchte, aber ich komme nicht umhin zu fragen: “Und? Was geht Ihnen gerade durch den Kopf?“ Er seufzt noch einmal. „Ich möchte Sie nicht operieren.“ Ich wusste es. Aus Schutz vor Abweisung sollte man einen Mann niemals fragen, was er denkt.
Er erklärt mir, dass eine Operation unumgänglich wäre, (es sei denn, ich würde mich mit dem Gedanken anfreunden, in Zukunft blind durchs Leben zu stöckeln), er sie aber nicht durchführen möchte, weil ich zu jung bin. Mein jugendlich-dynamischer Körper würde das absichtlich beigebrachte Loch im Auge als Wunde interpretieren und sich in Bälde selbst heilen, was die Operation vollkommen überflüssig machen würde. Er bietet mir an, das ganze erst einmal aufzuschieben und in einer anderen Klinik anzurufen, die ein ganz neues, ganz modernes Operationsverfahren böte. Sein Angebot klingt, als würde er mir die Entscheidung überlassen, doch als ich ihm sage, dass ich (a) viel zu konservativ für „ganz neue, ganz moderne“ Verfahren sei, (b) in 2 Wochen keine Zeit mehr hätte, weil man mich im Job brauchen würde (bzw. zu diesem Zeitpunkt die Werbefilmfestspiele in Cannes stattfinden und ich mir einen von der Firma finanzierten Kurzurlaub ungern durch die Lappen gehen lassen möchte) und ich (c) definitiv morgen operiert werden möchte, weil ich alles in meinem Leben um diesen Termin herum organisiert hätte, schmeisst er mich trotzdem raus, nicht ohne mir vorher zu versprechen, mich alsbald anzurufen, um mir mitzuteilen, wann und wo ich denn nun operiert werde.
Ich bin es leid, all jenen, denen ich ausführlichst erklärt habe, warum ich in den nächsten 2 Wochen nicht zur Verfügung stehe, nun wieder erläutern zu müssen, warum ich schon wieder zurück bin, werde jedoch wohl nicht darum herum kommen.
Fortsetzung folgt bereits morgen:
NOCHMAL TAG 1: 2 WOCHEN SPÄTER
Präziser ausgedrückt wird die Netzhaut aufgeschnitten und zurückgeklappt, mit der Lederhaut wird ebenso verfahren, ein winziger Teil der Iris wird entfernt und über dieses so entstandene Loch wird die Lederhaut leicht angenäht, so dass ein kleiner Hohlraum, ein so genanntes Sickerkissen, entsteht, in dem sich das Kammerwasser sammeln und abfliessen kann. Auf diese Weise wird der Augeninnendruck reduziert und das bei mir diagnostizierte Glaukom in den Griff bekommen. Klingt nach einer spaßigen Angelegenheit, von der ich dank einer Vollnarkose jedoch den Hauptteil verpassen werde. In ein paar Wochen darf ich das selbe allerdings noch einmal am anderen Auge durchexerzieren.
Punkt 9 Uhr checke ich an der Rezeption ein und gerate in einen schwindelerregend rasanten Circuit prä-stationärer Vorbereitungsmassnahmen.
Um 11 Uhr sitze ich immer noch im Wartezimmer meiner 1. Anlaufstation, deren Aufsuchung man mir mit Hilfe einer Art Laufzettel durch die verschiedenen Abteilungen angeordnet hat. Augenärztliche Kontrolle, Blutentnahme, Aufklärungsgespräch mit dem Anästhesisten, Aufnahmegespräch mit der Stationsschwester, Speiseplan ausfüllen. Ich bin ein Mensch, der ungern wartet und um so lieber ausschläft und daher entsprechend übellaunig. Zwischen Station 2 und 3 entferne ich mich erstmals unerlaubt aus dem Krankenhaus, um ein wenig zu telefonieren und bei 2 bis 3 Zigaretten abzureagieren.
Das Gespräch mit dem Herrn Anästhesisten verläuft sehr einseitig. Der Herr Doktor notiert sich auf Grund meiner Größe und meines Gewichtes Mengenangaben zum Narkotikum, das er gedenkt, mir zu verabreichen. Die eigentliche Kommunikation scheint auf rein mentaler Ebene abzulaufen, zu der ich offenbar jedoch keinen Zugang finde. Bevor es mir überhaupt gelingt, meine Gedanken zu telepathischen Informationsblitzen zu bündeln, ist er bereits bei der Verabschiedung angelangt. „Äh. Was für eine Art Narkose schwebt Ihnen denn vor?“, frage ich vorsichtig. „Nun. Wir werden Sie wohl kaum hypnotisieren.“ Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr mich diese Antwort beruhigt. Stattdessen sage ich: „Ich frage ja nur... Ich habe sehr schlechte Erfahrungen mit Vollnarkosen gemacht. Insbesondere bei einer Spinalanästhesie.“ Er schaut mich streng an: „Wieso?“
„Habe ich alles in den Fragebogen rein geschrieben. Tinnitusähnliche Syptome, Kreislaufschwäche, Übelkeit und ein paar Stromschläge, die durch den Körper fuhren.“ Erst jetzt bemerkt er, dass das 6 seitige, liebevoll von mir ausgefüllte Formular vor ihm, noch mehr Informationen enthält, als meine Angaben zu Größe und Gewicht. Da ich mir gerade einen kleinen Vorsprung erkämpft habe, wage ich eine erneute Frage: „Meinen Sie nicht, ich sollte vor einer Vollnarkose auch ein EKG machen? Die Station ist auf meinem Laufzettel durchgestrichen. Ich habe jedoch Herzrhythmusstörungen.“
„Wie, sie haben Herzrhythmusstörungen?“
„Habe ich auch da rein geschrieben.“
Ich weiss. Manchmal bin ein richtig kleiner Klugscheisser.
Bei der EKG Station sitzen bereits wieder 5 Leute vor mir. Ich gehe noch einmal rauchen, sorge jedoch dafür, dass die Dame, die vor mir gekommen ist, meinen Platz in der Schlange freihält.
Gegen 15 Uhr darf ich endlich mein Zimmer beziehen. Seit Wochen freue ich mich darauf, viele Stunden damit zu verbringen, nichts zu tun und sehr viel zu schlafen. In den nächsten 1,5 Wochen werde ich hoffentlich reichlich Gelegenheit dafür bekommen. Nach einem halbstünigem Nickerchen werde ich zu meinem Chefarzt zu einer letzten Untersuchung gerufen.
Er schaut sich ausführlichst in meinen Augen um, misst den Augeninnendruck und als er fertig ist, lehnt er sich in seinem Stuhl zurück, schaut mich an und seufzt. Ich warte. Er seufzt noch einmal und schaut mich weiter an. Ich fühle mich wie bei einer dieser Aussprachen, die das Ende von Beziehungen einläuten. Mein Gefühl sagt mir, dass ich das Thema nicht anschneiden sollte, es wirklich nicht wissen möchte, aber ich komme nicht umhin zu fragen: “Und? Was geht Ihnen gerade durch den Kopf?“ Er seufzt noch einmal. „Ich möchte Sie nicht operieren.“ Ich wusste es. Aus Schutz vor Abweisung sollte man einen Mann niemals fragen, was er denkt.
Er erklärt mir, dass eine Operation unumgänglich wäre, (es sei denn, ich würde mich mit dem Gedanken anfreunden, in Zukunft blind durchs Leben zu stöckeln), er sie aber nicht durchführen möchte, weil ich zu jung bin. Mein jugendlich-dynamischer Körper würde das absichtlich beigebrachte Loch im Auge als Wunde interpretieren und sich in Bälde selbst heilen, was die Operation vollkommen überflüssig machen würde. Er bietet mir an, das ganze erst einmal aufzuschieben und in einer anderen Klinik anzurufen, die ein ganz neues, ganz modernes Operationsverfahren böte. Sein Angebot klingt, als würde er mir die Entscheidung überlassen, doch als ich ihm sage, dass ich (a) viel zu konservativ für „ganz neue, ganz moderne“ Verfahren sei, (b) in 2 Wochen keine Zeit mehr hätte, weil man mich im Job brauchen würde (bzw. zu diesem Zeitpunkt die Werbefilmfestspiele in Cannes stattfinden und ich mir einen von der Firma finanzierten Kurzurlaub ungern durch die Lappen gehen lassen möchte) und ich (c) definitiv morgen operiert werden möchte, weil ich alles in meinem Leben um diesen Termin herum organisiert hätte, schmeisst er mich trotzdem raus, nicht ohne mir vorher zu versprechen, mich alsbald anzurufen, um mir mitzuteilen, wann und wo ich denn nun operiert werde.
Ich bin es leid, all jenen, denen ich ausführlichst erklärt habe, warum ich in den nächsten 2 Wochen nicht zur Verfügung stehe, nun wieder erläutern zu müssen, warum ich schon wieder zurück bin, werde jedoch wohl nicht darum herum kommen.
Fortsetzung folgt bereits morgen:
NOCHMAL TAG 1: 2 WOCHEN SPÄTER
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