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TAG 2: MIT DEM SKALPELL IM AUGE IN DEN HEILENDEN SCHLAF
cassandra, Dienstag, 10. Juli 2007, 22:26
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Meine Vorderkammer droht zu kollabieren. Die gestrige OP, die den Augeninnendruck senken sollte, hat ganze Arbeit geleistet. Ich bin quasi komplett augeninnendrucklos. Das findet man hier jedoch auch nicht wünschenswert, da die Kammern im Auge ohne Druck in sich zusammenfallen können.
Zum Zeitpunkt der Visite, die hier zu einem taufrischen Zeitpunkt von 7 Uhr stattfindet, unterschreibe ich alles ohne Wiederspruch. Auch, dass ich nachher noch ein weiteres Mal, diesmal ohne Narkose operiert werde. In dieser Herrgottsfrühe sind mir die Ausmaße dieser Entscheidung ziemlich schnuppe. Es handelt sich auch nur um einen winzigen Eingriff. Mit einem Skalpell wird ein kleiner Schnitt in der Iris vorgenommen, in den dann mit Hilfe einer Spritze ein zähflüssiges Gel eingelassen wird. Dieses Gel soll die Vorderkammer stabilisieren und den Druck wieder aufbauen.
Endlich darf ich bewusst an dem Spaß teilhaben. Vielleicht kann ich heimlich auch ein paar Fotos schiessen.
Den Fotoapparat darf ich dann leider nicht mitnehmen. Dafür einen kleinen Teddy, in den ich in den nächsten Minuten meine Fingernägel krallen kann.
Ich werde in den OP gefahren, darf auf eine OP-Liege hüpfen, ernte ein paar lustige Sprüche über meine Unterwäsche, die man zweifelsohne gut erkennen kann, wenn man ein hinten offenes Krankenhaushemdchen trägt und es gibt ein großes Wiedersehenshallo mit den Jungs vom OP. Wir kommen noch einmal auf den gestrigen Aufwachkuss des Frosches zu sprechen, den ich zu meinem Bedauern verpasst habe und ich werde ab sofort von Ihnen nur noch Prinzessin genannt.
Leider kann ich das Erlebte nicht sehr präzise wiedergeben, da ich meine Brille im Zimmer lassen musste und ohne selbige relativ wenig sehe.
Die Räumlichkeiten im OP sind in knalligem Hellblau gestrichen. Ich habe mal mein Büro in der Firma in diesem Farbton angemalt, bis mein Chef plötzlich eine Freundin hatte, die Feng Shui Expertin war und meinte, dass diese Farbe furchtbar schlechte Schwingungen auslösen würde. Daraufhin mussten wir es wieder weiss streichen. Von Feng Shui scheint der Interior Desiger des Krankenhauses nicht viel zu halten. Ich finde jedoch, dass das blau gut zu der tiefgrünen Bettwäsche passt, in die ich gebettet bin.
Der Herr Doktor klebt meinen Kopf mit einem Klebestreifen fest. Das verstehe ich nicht ganz, denn die Konstruktion ist im Falle einer winzigen Bewegung meinerseits zum Scheitern verurteilt. Dann wird ein Tuch über mich ausgebreitet, dass ein kreisrundes folienverklebtes Loch hat, das genau über meinem Auge platziert wird. Der Arzt nähert sich mit einem metallisch glänzendem Gegenstand der Folie und schneidet sie auf. Das ist wohl der erste Moment, wo ich zusammenschrecke. Ich habe mir im Leben schon so häufig beim Öffnen von Verpackungen in die Finger geschnitten, dass ich zu niemandem großes Vertrauen habe, der an einem Stück hartnäckiger Folie säbelt, die nur wenige Millimeter über meinem Auge schwebt.
Als die Folie endlich weg ist, beginnt der wahrhaft spaßige Teil. Damit ich auch brav mein Auge während des Eingriffs geöffnet halte, wird ein monströses Metallklemmenteil zwischen meine Lider geschoben. Das ist gar nicht so einfach, weil ich den Verdacht nicht los werde, dass die Klammer größer ist als mein Auge. Der Eindruck könnte natürlich auch täuschen, da mein Auge von der gestrigen Operation noch so geschwollen ist, das es gar nicht richtig aufgehen kann. Ich will kein Weichei sein und jammere nur still und heimlich in mich hinein, während ich die ersten Krümel der Teddybärfüllung zwischen den Fingern spüre.
Nachdem die Klammer endlich sitzt, sehe ich nicht mehr wirklich viel ausser grell beissendes Licht, ein paar Schatten und ein wenig Metall. Ich kann mich voll und ganz meinen Empfindungen hingeben und die sind eher unschön. Der Arzt meint, dass ich mich entspannen soll, das der Schmerz nur durch meine Gegenwehr entsteht, aber das kann ich nicht. Jeder Muskel meines Körpers steht unter Hochspannung. Im Auge gibt es keine Nerven, so dass logischerweise auch keine Schmerzen geben kann. Das ist jedoch eine Lüge. Ich merke sehr genau, dass jemand in meinem Auge bohrt, der Augapfel hin und her geschoben wird und es tut verdammt noch mal weh.
Nach 5 Minuten ist alles vorbei. Ich darf zurück in mein Zimmer und meine Besucher lenken mich ein wenig von den erlitten Qualen ab.
Gegen Nachmittag macht sich ein ziemlich unangenehmer Kopfschmerz in meiner rechten Gehirn- und Gesichtshälfte breit. Ich lasse mir ein Mittel geben doch in den folgenden Stunden wird der Schmerz immer stärker.
Alle halbe Stunde stehe ich heulend vor der Stationsschwester und verlange nach höheren Dosen. Mein Kopf fühlt sich an, als würde eine sehr wütende Stilettoträgerin ihre Pfennigabsätze wieder und wieder in mein Hirn rammen.
Die Schwestern informieren die Bereitschaftsassistenzdokteuse, die jedoch keine Lust hat, mich zu sehen und per Ferndiagnose bescheinigt, dass der Kopfschmerz auf keinen Fall mit dem Auge zusammenhängen kann. Inzwischen bekomme ich sehr hochdosierte Schmerzmittel, doch nichts hilft. Stattdessen gesellt sich Übelkeit hinzu und schon bald übergebe ich sämtliche Inhalte meines Körpers in die Toilettenschüssel. Viel ist es nicht, wenn man bedenkt, dass ich seit 2 Tagen so gut wie überhaupt nichts gegessen habe.
Die Bereitschaftsassistenzdokteuse hat irgendwann ein Erbarmen und bestellt mich zu sich. Sie misst meinen Augeninnendruck. Der befindet sich jenseits von gut und böse.
Bei einem Druck über 20 ist der Druck zu hoch und kann den Sehnerv schädigen, bei meiner Einlieferung lag der Druck bei 30 und das Ziel nach einer OP liegt bei um die 10. Ich befinde mich heute bei 44. Ich wusste noch nicht einmal, dass ein derart hoher Druck überhaupt möglich ist. Offensichtlich leistet das Gel ganze Arbeit.
Man pumpt mich mit drucksenkender Chemie voll. Weder der Schmerz noch die Übelkeit nehmen ab. Die von mir hochgeschätzte Frau Bereitschaftsassistenzdokteuse ist wohl bereits auf dem Weg nach Hause, als die Nachtschwester sie zurückpfeift. Zumindest steht sie plötzlich in Jacke und mit Handtäschchen vor mir und erklärt sich bereit, nochmals meinen Druck zu messen. Ich liege immer noch bei 44.
Die Oberärztin wird aus dem Bett geholt und erscheint zu meiner Rettung.
Sie führt einen weiteren Eingriff durch. Sie führt ein Skalpell in den heute beigebrachten Schnitt in der Iris ein und drückt einen Teil des Gels wieder heraus. Das wird schwieriger als sie denkt, weil es wohl zwei Sorten dieses Gels gibt: ein dünnflüssiges und ein dickflüssiges, geradezu zementartiges. Raten Sie mal, welches ich im Auge habe. Eine Viertel Stunde schubbelt und drückt sie in dem Schlitz herum, doch ich bekomme davon kaum etwas mit, weil ich mit anderen Problemen beschäftigt bin. Es stimmt tatsächlich: die beste Methode, Schmerz vollkommen auszublenden ist eine andere Schmerzquelle.
Für den Rest der Nacht werde ich an den Tropf gehängt. Alle 2 Stunden schiebe ich das Gefährt in Richtung Toilette, um mich zu übergeben, was gar nicht so einfach im dunklen ist, wenn man seine Bettnachbarn nicht wecken will. Ich möchte nur noch ins Koma fallen und erst wieder erwachen, wenn dies hier alles vorbei ist.
Und morgen geht es schon weiter mit:
TAG 3: EIN WIEDERSEHEN IM OP
Zum Zeitpunkt der Visite, die hier zu einem taufrischen Zeitpunkt von 7 Uhr stattfindet, unterschreibe ich alles ohne Wiederspruch. Auch, dass ich nachher noch ein weiteres Mal, diesmal ohne Narkose operiert werde. In dieser Herrgottsfrühe sind mir die Ausmaße dieser Entscheidung ziemlich schnuppe. Es handelt sich auch nur um einen winzigen Eingriff. Mit einem Skalpell wird ein kleiner Schnitt in der Iris vorgenommen, in den dann mit Hilfe einer Spritze ein zähflüssiges Gel eingelassen wird. Dieses Gel soll die Vorderkammer stabilisieren und den Druck wieder aufbauen.
Endlich darf ich bewusst an dem Spaß teilhaben. Vielleicht kann ich heimlich auch ein paar Fotos schiessen.
Den Fotoapparat darf ich dann leider nicht mitnehmen. Dafür einen kleinen Teddy, in den ich in den nächsten Minuten meine Fingernägel krallen kann.
Ich werde in den OP gefahren, darf auf eine OP-Liege hüpfen, ernte ein paar lustige Sprüche über meine Unterwäsche, die man zweifelsohne gut erkennen kann, wenn man ein hinten offenes Krankenhaushemdchen trägt und es gibt ein großes Wiedersehenshallo mit den Jungs vom OP. Wir kommen noch einmal auf den gestrigen Aufwachkuss des Frosches zu sprechen, den ich zu meinem Bedauern verpasst habe und ich werde ab sofort von Ihnen nur noch Prinzessin genannt.
Leider kann ich das Erlebte nicht sehr präzise wiedergeben, da ich meine Brille im Zimmer lassen musste und ohne selbige relativ wenig sehe.
Die Räumlichkeiten im OP sind in knalligem Hellblau gestrichen. Ich habe mal mein Büro in der Firma in diesem Farbton angemalt, bis mein Chef plötzlich eine Freundin hatte, die Feng Shui Expertin war und meinte, dass diese Farbe furchtbar schlechte Schwingungen auslösen würde. Daraufhin mussten wir es wieder weiss streichen. Von Feng Shui scheint der Interior Desiger des Krankenhauses nicht viel zu halten. Ich finde jedoch, dass das blau gut zu der tiefgrünen Bettwäsche passt, in die ich gebettet bin.
Der Herr Doktor klebt meinen Kopf mit einem Klebestreifen fest. Das verstehe ich nicht ganz, denn die Konstruktion ist im Falle einer winzigen Bewegung meinerseits zum Scheitern verurteilt. Dann wird ein Tuch über mich ausgebreitet, dass ein kreisrundes folienverklebtes Loch hat, das genau über meinem Auge platziert wird. Der Arzt nähert sich mit einem metallisch glänzendem Gegenstand der Folie und schneidet sie auf. Das ist wohl der erste Moment, wo ich zusammenschrecke. Ich habe mir im Leben schon so häufig beim Öffnen von Verpackungen in die Finger geschnitten, dass ich zu niemandem großes Vertrauen habe, der an einem Stück hartnäckiger Folie säbelt, die nur wenige Millimeter über meinem Auge schwebt.
Als die Folie endlich weg ist, beginnt der wahrhaft spaßige Teil. Damit ich auch brav mein Auge während des Eingriffs geöffnet halte, wird ein monströses Metallklemmenteil zwischen meine Lider geschoben. Das ist gar nicht so einfach, weil ich den Verdacht nicht los werde, dass die Klammer größer ist als mein Auge. Der Eindruck könnte natürlich auch täuschen, da mein Auge von der gestrigen Operation noch so geschwollen ist, das es gar nicht richtig aufgehen kann. Ich will kein Weichei sein und jammere nur still und heimlich in mich hinein, während ich die ersten Krümel der Teddybärfüllung zwischen den Fingern spüre.
Nachdem die Klammer endlich sitzt, sehe ich nicht mehr wirklich viel ausser grell beissendes Licht, ein paar Schatten und ein wenig Metall. Ich kann mich voll und ganz meinen Empfindungen hingeben und die sind eher unschön. Der Arzt meint, dass ich mich entspannen soll, das der Schmerz nur durch meine Gegenwehr entsteht, aber das kann ich nicht. Jeder Muskel meines Körpers steht unter Hochspannung. Im Auge gibt es keine Nerven, so dass logischerweise auch keine Schmerzen geben kann. Das ist jedoch eine Lüge. Ich merke sehr genau, dass jemand in meinem Auge bohrt, der Augapfel hin und her geschoben wird und es tut verdammt noch mal weh.
Nach 5 Minuten ist alles vorbei. Ich darf zurück in mein Zimmer und meine Besucher lenken mich ein wenig von den erlitten Qualen ab.
Gegen Nachmittag macht sich ein ziemlich unangenehmer Kopfschmerz in meiner rechten Gehirn- und Gesichtshälfte breit. Ich lasse mir ein Mittel geben doch in den folgenden Stunden wird der Schmerz immer stärker.
Alle halbe Stunde stehe ich heulend vor der Stationsschwester und verlange nach höheren Dosen. Mein Kopf fühlt sich an, als würde eine sehr wütende Stilettoträgerin ihre Pfennigabsätze wieder und wieder in mein Hirn rammen.
Die Schwestern informieren die Bereitschaftsassistenzdokteuse, die jedoch keine Lust hat, mich zu sehen und per Ferndiagnose bescheinigt, dass der Kopfschmerz auf keinen Fall mit dem Auge zusammenhängen kann. Inzwischen bekomme ich sehr hochdosierte Schmerzmittel, doch nichts hilft. Stattdessen gesellt sich Übelkeit hinzu und schon bald übergebe ich sämtliche Inhalte meines Körpers in die Toilettenschüssel. Viel ist es nicht, wenn man bedenkt, dass ich seit 2 Tagen so gut wie überhaupt nichts gegessen habe.
Die Bereitschaftsassistenzdokteuse hat irgendwann ein Erbarmen und bestellt mich zu sich. Sie misst meinen Augeninnendruck. Der befindet sich jenseits von gut und böse.
Bei einem Druck über 20 ist der Druck zu hoch und kann den Sehnerv schädigen, bei meiner Einlieferung lag der Druck bei 30 und das Ziel nach einer OP liegt bei um die 10. Ich befinde mich heute bei 44. Ich wusste noch nicht einmal, dass ein derart hoher Druck überhaupt möglich ist. Offensichtlich leistet das Gel ganze Arbeit.
Man pumpt mich mit drucksenkender Chemie voll. Weder der Schmerz noch die Übelkeit nehmen ab. Die von mir hochgeschätzte Frau Bereitschaftsassistenzdokteuse ist wohl bereits auf dem Weg nach Hause, als die Nachtschwester sie zurückpfeift. Zumindest steht sie plötzlich in Jacke und mit Handtäschchen vor mir und erklärt sich bereit, nochmals meinen Druck zu messen. Ich liege immer noch bei 44.
Die Oberärztin wird aus dem Bett geholt und erscheint zu meiner Rettung.
Sie führt einen weiteren Eingriff durch. Sie führt ein Skalpell in den heute beigebrachten Schnitt in der Iris ein und drückt einen Teil des Gels wieder heraus. Das wird schwieriger als sie denkt, weil es wohl zwei Sorten dieses Gels gibt: ein dünnflüssiges und ein dickflüssiges, geradezu zementartiges. Raten Sie mal, welches ich im Auge habe. Eine Viertel Stunde schubbelt und drückt sie in dem Schlitz herum, doch ich bekomme davon kaum etwas mit, weil ich mit anderen Problemen beschäftigt bin. Es stimmt tatsächlich: die beste Methode, Schmerz vollkommen auszublenden ist eine andere Schmerzquelle.
Für den Rest der Nacht werde ich an den Tropf gehängt. Alle 2 Stunden schiebe ich das Gefährt in Richtung Toilette, um mich zu übergeben, was gar nicht so einfach im dunklen ist, wenn man seine Bettnachbarn nicht wecken will. Ich möchte nur noch ins Koma fallen und erst wieder erwachen, wenn dies hier alles vorbei ist.
Und morgen geht es schon weiter mit:
TAG 3: EIN WIEDERSEHEN IM OP
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