Cassandras Kopfkino
Donnerstag, 12. Juli 2007


TAG 3: EIN WIEDERSEHEN IM OP
cassandra, Donnerstag, 12. Juli 2007, 09:51
Filed under: Ich beiss' in die Tischplatte
Ich kotze mir den ganzen Tag meine Seele aus dem Leib. Meine Seele ist zähflüssig und ein wenig braun. Speisen und Getränke finden sich nicht anbei, da ich die Nahrungsaufnahme verweigere. Nicht unbedingt eine gute Idee, da die Chemie meinem Körper jedes noch so kleine Tröpfchen Flüssigkeit entzieht. Doch sobald ich auch nur ein winziges Schlückchen Wasser zu mir nehme, hänge ich schon wieder über der Toilettenschüssel.
Mein Blutdruck liegt bei 90 zu irgendwas. Ich soll punkt 7 Uhr zur Visite erscheinen und möchte den Weg dorthin am liebsten auf allen vieren kriechend hinter mich bringen. Während mein Oberarzt meine Augen untersucht, möchte ich ihm am liebsten ins Gesicht kotzen. Das sage ich ihm auch. Daraufhin reicht man mir ein Nierenschale aus Pappe. Ich weiss nicht, wie ich dort hinein treffen soll und es wäre mir höchstgradig peinlich, wenn etwas daneben gelangt oder die Pappe durchweicht. Ausserdem habe ich gewisse Hemmungen, mich vor anderen Menschen zu übergeben. Angesichts des niedrigen Blutdrucks schaffe ich es in Rekordzeit zurück in mein Zimmer, knie’ zum wiederholten Male vor der mir inzwischen ans Herz gewachsenen Keramikschüssel und finde Erleichterung. Ich umarme die Schüssel und möchte nie wieder aufstehen. Muss ich aber, denn der Herr Doktor ist nicht sehr glücklich mit mir und verlangt, mich erneut in seinem OP zu sehen, um weiteres Gel abzulassen. Ich bin inzwischen zum Scherzobjekt der Stationsschwestern mutiert, die sich darüber auslassen, dass der Herr Doktor offenbar eine Schwäche für mich hat und mich deshalb ständig operieren will, weil er sich nicht traut, mich zu einem Kaffee einzuladen. Hätte ich mich doch nur in seinem Gesicht übergeben, dann würde er mich vielleicht nicht mehr mögen.

Den Eingriff im OP kenne ich ja nun schon. Er unterscheidet sich nicht wirklich von den gestrigen. Ich beisse die Zähne zusammen, kralle mich in meinen Teddy und schwöre, dass ich der nächsten Person, die fragt, ob es etwa weh tut oder die sagt, dass ich mich entspannen soll, damit es weniger weh tut, an die Gurgel springe und mit einem Skalpell immer wieder ins Auge steche.

Den Rest des Tages verbringe ich im Bett und auf den Fliesen des Badezimmers.



Auf Grund der ganzen Krankenhaus-Action hier habe ich gestern abend vergessen, diesen Beitrag online zu stellen. Daher gibt es heute bereits die Fortsetzung (und aus Mangel an erwähnenswerten Neuigkeiten gibt es auch gleich 3 Tage auf einmal):

TAG 4-6: AUF DEM WEG ZUR BESSERUNG

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