Cassandras Kopfkino
Sonntag, 14. November 2004
SIEBEN KATZENLEBEN
cassandra, Sonntag, 14. November 2004, 03:46
Filed under: Kopfkram
Heute fuhr ich zum Zwecke des Erwerbs eines Geburtstagsgeschenkes, ein paar Bücher und neuer Bettwäsche nach Köln. Ersteres war der eigentliche Grund für diesen Ausflug, weil es die Schönheitsprodukte einer bestimmten aus San Francisco stammenden Firma nur in Köln (oder München oder Berlin, beides jedoch zu weit entfernt) gibt, letzteres war längst überfällig, da ich neulich auf harsche Art von einem berittenen Revolverhelden und Caféhausbesitzer auf die visuelle Disharmonie zwischen meiner jetzigen Bettwäsche und der Farbe meiner frischgestrichenen Schlafzimmerwände hingewiesen wurde. Nun nächtige ich auf einem zu besagten Wänden passenden grünen Bettlaken unter einem Traum aus bunten schmalen Streifen. Das ganze ist gefertigt aus Mako Satin.
Glücklicherweise musste ich mich nicht dem wahnwitzigen Entscheidungsfindungsprozess zwischen Jersey, Haustuch, Biber, Edel-Jersey, Mako-Satin, Satin, Glanz-Satin, Brokat und Microfaser aussetzen, da es sich bei meiner Bettdecke um eine Übergröße handelt, bei der die Auswahl von vornherein auf ein Minimum beschränkt ist. In diesem Bettwäsche Segment bleibt nur die Entscheidung zwischen der Kategorie: „Wenn ich morgens in diesem Blumen Alptraum aufwache muss ich mich übergeben“, den Modellen: „Von angesichts des Versuches alle erdenklichen geometrischen Formen mit sämtlichen möglichen und unmöglichen Farben auf einem Stück Stoff zu kombinieren seines Verstandes verlustig gegangenen Designers Entworfenen“ und „Erträglich“. Das zweite Set Bettwäsche, das ich erstand (ein in verschiedenen Rottönen und –Mustern gehaltenes Exemplar), entpuppte sich zu Hause als falsche Größe. Ich möchte an dieser Stelle, den Arbeitnehmern, die mit viel Liebe tagaus und tagein damit beschäftigt sind, Bettwäsche in Kombination mit Pappdeckeln zusammenzulegen und in Plastikhüllen zu quetschen, meinen größten Respekt aussprechen. Ich widmete mich unter Flüchen eine halbe Stunde (nachdem ich das ganze Zeug wieder aus dem Mülleimer gekramt hatte) dieser Aufgabe und auch das nur mit einem sehr bemitleidungswürdigen Ergebnis.
Nach meinem Einkaufsbummel fuhr ich durch das nächtliche Rheinland, um ein paar gute Aussichtspunkte auf Industrieanlagen zu suchen. Ich wurde auch fündig, jedoch vereitelte der strömende Regen, dass ich irgendwelche Fotos machen konnte.
Ich liebe es, bei Nacht Auto zu fahren. Eigentlich auch bei Tage, vorausgesetzt, dass es nicht zu voll auf den Straßen ist. Ich liebe es auch schnell zu fahren. Dieser Passion gehe ich allerdings nur noch eingeschränkt nach, seit ich meinen Führerschein mal für drei Monate abgeben durfte und 600 Euro Strafe zahlen musste. Nichtsdestotrotz geniesse ich es, im Auto über die Straßen zu gleiten, die Musik aufgedreht, den Blick konzentriert geradeaus gerichtet. Die Stumpfsinnigkeit dieser Tätigkeit gibt mir Raum, meinen Gedanken nachzuhängen. Nicht diese emotionale, melancholische Art des Nachdenkens, wenn man zu Hause bei einem Glas Rotwein sitzt und über Probleme und Menschen grübelt. Beim Autofahren denkt man nüchterner (haha), konzentrierter und sachlicher. Der Großteil des Gehirns ist mit dem eigentlichen Steuern des Fahrzeugs beschäftigt, während der Rest knapp analysiert, hinterfragt, klarstellt und Lösungen anbietet. So, als würde ein Aussenstehender die Situation betrachten und mich in einen Dialog verwickeln. Dieser Dialog ist frei von subjektiven und emotions-geprägten Interpretationen, die normalerweise der Grund für die Problematisierung von Sachverhalten sind und somit in der Regel eher komplizieren als klären. Ich weiss nicht, warum das so ist. Die Vermutung liegt nahe, dass mein motorisches Zentrum in irgendeiner Form mit dem emotionalen verknüpft ist. Sobald es mit einer anderen Aufgabe beschäftigt ist, bin ich in der Lage, relativ objektiv zu denken.
Ich habe gerade mal im Internet nachgesehen. Damit ist meine Theorie entweder hinfällig oder ich bin ein anatomisch einzigartiges Wesen. Der senso-motorische Bereich des Gehirns, den man wohl hauptsächlich bei Autofahren benötigt, da er Informationen aus der Umwelt aufnimmt und Bewegungen motiviert, befindet sich ganz oben auf dem Kopf, das limbische System, dass für Emotionen zuständig ist, liegt dafür eher unten. Egal, dann liegt der Grund vermutlich an den Neurotransmittern oder irgendwelchen Hormonen, oder sonst was anderem. Ich habe Biologie in der Schule abgewählt.
Aber ich schweife ein wenig ab, da ich eigentlich über etwas ganz anderes schreiben wollte und habe nun bereits sehr viele Worte verschwendet, ohne das es eine Einleitung zum eigentlichen Thema darstellt. Daher jetzt eine elegante Überleitung zum Thema: Ich werde eines Tages in einem Auto sterben. Vermutlich weil ich mir über irgendetwas Gedanken gemacht habe und mir dabei entgangen ist, dass der LKW neben mir auf meine Spur rüberzieht. Ich, in letzter Sekunde, vor Schreck gelähmt, nicht über die Schulter schauend, ebenfalls nach links ziehe, wo sich jedoch ein anderes Fahrzeug befindet. Das ganze bei 200 km/h, weil ich auf Grund eines Staus zu spät dran bin und es nicht ertragen kann, zu spät zu einem beruflichen Termin zu kommen. Ich weiss nicht genau, wie es passiert. Ich weiss nur, dass es eines Tages passieren wird. Vor ein paar Jahren hatte ich einen Tagtraum, den man wohl als Vision bezeichnen könnte. Ich sass in einem Auto, dass sich überschlug. Die Sekunden, in denen sich diese Bilder vor meinem inneren Auge abspielten, zogen sich zeitlos dahin. Die Gefühle, Gedanken und Bilder, die in diesem Moment vollkommen unmotiviert und unbegründet aufkamen, waren derart plastisch und real, dass sich mein ganzer Körper zusammenzog. Ein eigenartiges Rauschen durchfuhr mich. Ich hatte das Gefühl, dass nicht Blut, sondern eine unbekannte, brennende Flüssigkeit durch meine Adern floss. Im Mund hatte ich einen seltsamen Geschmack und mir wurde schlecht. Ich hatte so etwas noch nie erlebt und deshalb bin ich davon überzeugt, meinen eigenen Tod gesehen zu haben. Ich habe bisher kaum mit jemanden darüber gesprochen und bin mir unsicher, ob ich darüber schreiben soll, denn ich glaube an selbsterfüllende Prophezeiungen. Der Glaube daran leitet sich aus den Prinzipien des Konstruktivismus ab. Er bezieht sich auf die Theorie des zweigeteilten Bewusstseins, das sich in den Denker und den Beweisführer splittet. Der Denker glaubt an eine Theorie, was dazu führt, dass der Beweiser alle Sinneseindrücke und Wahrnehmungen aus der Umwelt so interpretiert, dass die Ergebnisse seine Theorie stützen. Alles, was der Mensch erlebt, muss als Beweis für seinen Glauben herhalten, dem widersprechende Erlebnisse und Erfahrungen werden schlichtweg ignoriert, nicht zugelassen oder um-interpretiert. Diese Verhaltensweise führt automatisch dazu, dass sich der Glaube erfüllt. Wir denken, dass etwas auf eine bestimmte Art und Weise passieren wird und tun (unbewusst) alles dafür, dass es dann auf diese Weise passiert.
Ich schweife schon wieder ab, wollte jedoch nur klarstellen, dass ich mir darüber nicht so viele Gedanken machen sollte, da dies die Möglichkeit, dass dieses Ereignis eintritt, wahrscheinlicher macht.
Merkwürdigerweise erfüllt mich dieser Glaube, zu wissen, wie ich sterben werde, nicht mit Angst. Wenn man – aus welchen Gründen auch immer - daran glaubt, fällt es auch nicht schwer, zu glauben, dass man auch das wann weiss. Und mit der gleichen Überzeugung, dass ich weiss, auf welche Art es passieren wird, weiss ich, dass es bis dahin noch ein wenig Zeit in diesem, meinem Leben zu vertrödeln gibt. Dieser Glaube ist mir sehr wichtig, da ich ansonsten an nichts glaube. Er gibt mir eine unbegrenzte Sicherheit, fast schon eine gewisse Naivität. Mit selbiger stürze ich mich ab und an in gefährliche, zwielichtige, merkwürdige Situationen ohne Angst zu haben, dass mir etwas passiert. Ich habe Dinge getan, die die Gefahr bargen, dass ich im nächsten Moment ein Messer in den Bauch gerammt bekommen würde, vergewaltigt oder verprügelt worden wäre. Ich hatte aber nie Angst, weil ich wusste, dass es zwar schmerzhaft, aber nie tödlich enden würde. Man möge diese Verhaltensweise dumm oder naiv nennen, aber ich nenne das leben, denn durch diesen Mangel an Angst habe ich einige lustige oder spannende Geschichten erlebt, über die ich vielleicht irgendwann einmal hier schreiben werde.
Manchmal fühle ich mich wie eine Katze, die sieben Leben zu verschenken hat. Inzwischen bin ich bei vier angelangt.
Mein erstes und zweites Leben verlor ich im zarten Alter von 18 Jahren. Ich lebte damals für ein Jahr in den Staaten. Gleich am zweiten Tag im fremden Lande brachte man mir das Motorradfahren bei. Das ganze endete in einem artistisch anmutenden Salto samt Motorrad. Eine 360 Grad Drehung vorwärts. Das positive an diesem Unfall war, dass ich das gesamte Jahr mit dem Auto zur Schule gefahren und auch wieder dort abgeholt wurde, weil ich nicht richtig laufen konnte. Die Schule war nur 10 Minuten zu Fuß entfernt und obwohl ich nach zwei Monaten genesen war, behielt man diese Tradition bei.

Beim zweiten Mal tauschte ich das Motorrad gegen einen Gummireifen. Meine „amerikanischen“ Eltern hatten ein Hausboot auf einem See in New Mexico. Das klingt feudal, war letzten Endes aber nur eine Art Wohnwagen auf dem Wasser. Ein viereckiger Kasten, der einen großen Raum beherbergte. Bei einem unserer Besuche dort wurden wir von einem mit meinen Eltern befreundeten Ehepaar begleitet. Der Mann hatte ein kleines Sportboot. Er brachte einen großen Reifen mit, den wir mit Hilfe von Seilen hinten am Boot befestigen konnten. Natürlich war das ganze nicht ungefährlich. Man hing mit seinem Hintern im Inneren des Reifen, die Beine und der Oberkörper schauten oben raus und man musste sich ganz fest an die angebrachten Halterungen klammern, um nicht rauszufallen. Der Fahrer des Bootes raste mit uns über den See und es machte riesigen Spaß. Irgendwann wollte er wohl besonders lustig sein und wurde ein wenig übermütig. Vermutlich wollte er mir nur Angst machen. Plötzlich raste er frontal auf die steile Wand des Hausbootes zu. Ich weiss nicht, wie schnell so ein Boot ist. Es waren gefühlte 60 km/h. Vielleicht auch mehr. Er fuhr also im 90 Grad Winkel auf diese Wand zu. Im letzten Moment, wenige Meter davon entfernt, riss er das Lenkrad herum und fuhr knapp am Boot vorbei. Nun. Ich war nie eine große Leuchte in Physik. (Habe ich ebenfalls abgewählt.) Mir war jedoch das Gesetzt der Trägheit, nach dem sich ein träger Körper (und als einen solchen könnte man mich durchaus bezeichnen) erst einmal in die gleiche Richtung bewegt, nicht unbekannt. Im Gegensatz zu ihm, war mir klar, dass ich mich auf Kollisionskurs mir einer Wand befand. Komisch, was einem in einem solchen Moment durch den Kopf geht. Eigentlich nicht viel. Nur „oha...“. Damals habe ich Ju-Jutsu betrieben. Den Mechanismen, die man dabei erlernt, ist es zu verdanken, dass ich beim Aufprall die Knie hochzog, die Arme vor den Kopf hielt und somit unbewusst die perfekte Abwehrhaltung einnahm. Bei 60 km/h eine Holzwand zu knutschen, ist nicht unbedingt spaßig. Ich kam mit einem gehörigen, einige Stunden andauernden Schock und einigen Prellungen davon.
Dem Verlust der anderen beiden Leben, soll sich eine andere Geschichte widmen. Bleiben mir noch drei Versuche. Wenn ich ein bisschen auf mich aufpasse, ist das noch eine ganze Menge. Bis dahin kann ich fortfahren, mich in Abenteuer zu stürzen und mein Leben zu leben. Und ich kann Auto fahren. Immerhin macht es tierischen Spaß und ich kann mal in Ruhe nachdenken.

Gerade habe ich mir das ganze noch mal durchgelesen. Macht nicht wirklich Sinn, ist sehr unstrukturiert, unordentlich geschrieben und zu lang. Ich habe aber keine Lust, es noch mal zu schreiben.

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