Cassandras Kopfkino
JAMMERTAL
cassandra, Samstag, 6. November 2004, 19:33
Filed under: Alltag
Nun habe auch endlich ich mein wohlverdientes Wochenende. Trotz Fieber, Gliederschmerzen, einer Nase, die in einem fort Flüssigkeiten absondert, verquollenen Augen, dumpfem Kopf und diesen roten, geschwollenen Flecken im Gesicht - die Strafe dafür, dass ich gestern nacht die Zellstofftaschentücher, die nach einmal reinschneuzen pitschnass und kaputt waren, leid wurde und auf das dickere (und rauhere) Küchenpapier umgestiegen bin - habe ich mich heute ins Büro gequält.
Eigentlich hatte auch das nicht mehr wirklich einen Sinn. Meiner Meinung nach sollten wir die Firma schließen. Auf Grund von Unpässlichkeit. Irgendwie ist momentan der Wurm drin. Traurige Bilanz dieser Woche: eine Mitarbeiterin im Krankenhaus, nachdem sie bei der Arbeit zusammenbrach, Verdacht auf Gallensteine. Zwei weitere Kolleginnen ebenfalls im Krankenhaus: bei der einen wurde ein Tumor gefunden, die andere lässt ihre zusammengeklebten Eierstöcke säubern. Zwei Leute leiden an intervallartigen Brechanfällen, zwei sind erkältet, einer hat Sonderurlaub wegen eines Todesfalls in der Familie, eine hat eine durch einen Autounfall verursachte Gehirnerschütterung (kam am Freitag und auch heute trotzdem ins Büro, damit ich nicht ganz allein bin), eine hat ein krankes Kind (vermutlich die Ursache für die Krankheit der zwei sich übergebenen) und mein Chef hat am Mittwoch einen Motorradfahrer von der Straße gefegt.
Angesichts von soviel Scheiße an den Schuhen ist es nachvollziehbar, dass ich die letzten Tage stets bis weit nach Mitternacht arbeiten musste und es mir auch nicht erlauben kann, krank zu sein. Ich bin es aber nun leider und daher habe ich beschlossen, die nächsten 37 Stunden dieses Elend vollkommen auszukosten. Ausserhalb des Bettes verpasse ich zur Zeit vermutlich eh nichts. Missmutige nasse gelbe Blätter hängen von den Bäumen. Die Gesichter der Menschen auf den Straßen sind grau und grummelig. Der Himmel ist düster und lässt seine schlechte Laune herabregnen. Dann sich doch lieber in die Decke kuscheln, husten, keuchen, niesen und schnauben. Wo sind eigentlich diese fürsorglichen netten Krankenpfleger, wenn man mal einen braucht? Gibt es die überhaupt? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sich jemals ein männliches Wesen liebevoll um mich gekümmert hat, wenn ich einem Gebrechen erlag. Wenn ich so in meinem Gedächnis krame, kommen mir nur Situationen in den Sinn, in denen ich bei einem Herren Krankenpflege betrieben habe. Bis auf meine Mutter hat noch nie jemand mein fiebriges Händchen gehalten, mir tröstend ein paar Umschläge gemacht, mir Tee ans Bett gebracht und aus einem Buch vorgelesen. Wie passend. Nun gesellt sich zu meinem armseligen körperlichen Zustand auch noch Einsamkeit.
Nun, ich bin allem gewappnet. Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner. Um meine provisorische Bettstatt türmen sich Zeitschriften, Bücher, 2 Filme aus der Videothek, eine Familienpackung Zellstofftaschentücher, ein stattlicher Vorrat an Getränken und Zigaretten und auf dem Herd kocht ein großer Topf mit Hühnersuppe. Was auch immer jetzt geschehen mag, bis Montag brauche ich mich nicht mehr aus der Wohnung bewegen und darf mich so richtig scheiße fühlen.

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delacruze, Samstag, 6. November 2004, 23:35
Das erklärt einiges. Ich machte mir schon Sorgen! Ich denk ganz fest an Dich:-))Vielleicht hilft es?

Danke
Mir geht es schon besser. :-)

Ich kann sogar gerade ganz laut schreien und wütend mit den Füssen stampfen.
Ich habe nämlich gerade einen ganz langen Beitrag geschrieben und dann stürzt Netscape ab....

Das ist sehr ärgerlich!
Aber es gibt schlimmeres.

Stimmt.
Das ist wenigstens etwas, was man wieder reparieren kann.

Ist denn auch was Wichtigeres kaputt?

kleine bestandsaufnahme....
Körper: ja
Herz: ja - aber das ist schon seit langem hinüber und es gibt auch keine Rettung mehr.
Kopf: geht so. Kann man mit ein bißchen Schlaf und ein paar Büchern gewiss beheben.

Also eigentlich geht's mir ganz gut.

Mein liebes, leidendes Wesen...
Du sollst wissen, dass all das Mitgefühl, dass ich im Stande bin aufzubringen, Dir und nur Dir gelten soll. Das mit dem Herzen ist dramatisch, denn damit sehen wir in die Seele der anderen...ich starre Dich übrigens die ganze Zeit über an;-)

Ich sonne mich in Deinem Mitgefühl. Aber bitte nicht starren. das verunsichert mich ;-)
Ich sehe die Seele anderer Menschen mit dem Kopf. Und da der noch einigermaßen funktioniert, mache ich mir keine Sorgen.

Ich denke nichts kann Dich verunsichern. Gar nichts.
Du glaubst nur, dass Du mit dem Kopf siehst. Würdest Du Dein Herz nicht brauchen, wäre es nicht Dein verlässlicher Guide in chaotiösen Gefühlsdingen, würdest Du seinen Defekt gar nicht bemerkt haben.
Aber das ist alles zweitrangig, solange Du glücklich und zufrieden bist. Also, sei wie Du bist, denn das ist unübertroffen!!

Danke für die Blumen. Du kennst mich allerdings gar nicht... Ich hoffe, Du täuschst Dich nicht in mir. Nicht alles was ich schreibe, ist unvoreingenommen und ohne Hintergedanken. Einiges was mich beschäftigt, stelle ich nicht online. Daher stellt dieses Blog auch nur ein verzerrtes Bild meiner Persönlichkeit dar. Es gibt Menschen, die ich kenne, die das hier lesen und dessen bin ich mir stets bewusst. Daher denke ich, dass ich die Blumen gar nicht verdient habe.
Zum Thema Verunsicherung stelle ich jetzt mal den Beitrag online, der vorhin abgerauscht ist. Man kann mich nämlich ziemlich stark verunsichern...

Da Du in Deiner Mail keine Adresse hinterlassen hast, die Antwort nun auf diesem Wege.
Ich würde es sehr schade finden, wenn Du keine Kommentare mehr schreiben würdest. Sie sind mir willkommen, ich fühle mich auch nicht unwohl dabei und Du gehst mir nicht auf den Keks ;-)

Ich hoffe Du glaubst mir einfach, dass ich es nicht meine Art ist, e-mails zu versenden, ohne Absender anzugeben. Ich zumindest, lösche solche pauschal. Werte es als Anflug bewusstseinsverändernder Müdigkeit in Folge eine nächtliche Autobahnraserei. Nein, das schreibe ich nicht als Ausdruck kindlicher Freude oder prolligen Stolzes, sondern vielmehr als Krankheitsbild - Ich kann nicht letzter sein- daran muss ich wirklich arbeiten.
Also, Freitag Nachmittag Hilferuf von einem Freund aber keinen Flieger bekommen, rein ins Auto nach Hamburg gedüst. Grund des Rasens entfallen, Haus und Kühlschrank leer, festgestellt, dass das Handy in der Firma liegt, Oetkers Flambiata für 3,70(!) gekauft und verzehrt, daraufhin schlecht und kurz geschlafen, am Samstag Mama besucht, mit ihr gestritten, meine Schwester getroffen, fand sie unglaublich gutaussehend, was ich für ziemlich krank halte, wegen besagtem verwandtschaftlichem Verhältnis, schnell geflüchtet, wieder führerscheingefährdend nach HH gerast, Freund war da und schon wieder weg und auch genervt, wegen meiner Unerreichbarkeit, Deinen blogg gelesen, traurig geworden, falsche Worte gewählt, der Rest ist bekannt. Am Sonntag nach Schweden, wollte noch einen Freund in Kopenhagen treffen, der liegt im Krankenhaus, einen Tisch, den ich im Internet sah, bei einem Händler in Malmö abholen, Laden nicht gefunden, entnervt und endgültig nach Haus gefahren. Dort angekommen geschockt, alles voller Blut, der Kater hatte ein wahres Gemetzel angestellt, lag dick und faul in der Ecke, rülpste und pupste bei jeglicher Form von Berührung. Hängt wahrscheinlich mit der EU-Osterweiterung zusammen, polnische Mäuse, du verstehst. Warum ich dir all das schreibe? Weil es die These eines meiner Lieblingsautoren stützt, wonach wir alle in der Gosse liegen, aber einige von uns zu den Sternen aufblicken. Und wenn du dann einer für mich bist, dessen Licht die Tristesse meiner Gosse durchbricht, ist es mir doch egal ob du verzerrst oder andersgeartet erscheinst. Hauptsache du erscheinst. Mir ist wohl bewusst, dass wir uns alle und oft verkaufen und wie du selber ganz richtig schriebst, ist nicht die Realität des Angebotes real, sondern dass, was wir dafür halten, denn du und ich sind auch Verbraucher. Also, manipuliere mich, denn das machst Du fabulös, ich mein, welch herrliche Geschichte vom spontan auftretenden ScheintodJ

Ah. Ein Oscar Wilde Fan.
Der Satz mit deiner Schwester mutet allerdings sehr seltsam an.
Aber ich bedanke mich herzlichst für das Kompliment und verspreche, mein bestes zu geben, Dir ein wenig Freude zu machen. ;-)

Seltsam mutet an, was wir bereit sind hineinzuinterpretieren;-)
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yvonnesonne, Sonntag, 7. November 2004, 01:43
gute besserung frau cassandra! ich schicke ihnen einen kraftstrahl ------------------------------------------------>

Danke :-) Das fühlt sich gut an, ich merke bereits, wie er durch die Adern schiesst.
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kinomu, Sonntag, 7. November 2004, 03:43
"Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner" - ein dämliches Buch.

wusste gar nicht, dass es ein Buch darüber gibt. Habe gerade bei Amazon nachgesehen. Es gibt nicht nur "Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner" sondern auch noch "Hilf Dir selbst, sonst tut es keiner". Wusste gar nicht, dass man über so eine einfache Tatsache ein ganzes Buch schreiben kann. ;-)
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