Cassandras Kopfkino
Freitag, 8. Oktober 2004
FRAUEN SIND DUMM
cassandra, Freitag, 8. Oktober 2004, 17:34
Filed under: Soehne
Sehr selten natürlich, aber es kommt vor: an grenzenlose Debilität heranreichende Dämlichkeit. Das temporäre Aussetzen sämtlicher Zerebralfunktionen hat entgegen der landläufigen Meinung selten etwas mit Schuhen, Schlussverkäufen oder dem Anblick von Kleinkindern zu tun, sondern in der Regel mit dem anderen Geschlecht.
Ein Highlight der Offenbahrung meiner eigenen Dämlichkeit ereignete sich erst im vergangenen Jahr. (Womit die Theorie, dass man mit dem Alter weiser würde, auch ad absurdum geführt wird.) Ich lernte Eike auf irgendeinem Empfang kennen. Er stach mit seinen golden Löckchen und dem bübischen Grinsen angenehm erfrischend aus der Masse der anwesenden möchte-gern-kreativen-schwarze-klamotten-tragenden Werber heraus. Er hatte einen eher zierlichen Körper und strahlte die Unschuld eines griechischen Jünglings aus. Ich wollte ihn haben.
Ein paar Wochen später verhalf mir der Zufall zu einem erneuten Treffen, bei dem ich das durch langjährigen Konsum diverser Frauen-Gazetten einstudierte Repertoire weiblicher Verführungsrituale einem erneuten Test unterziehen konnte. Ich zweifle noch immer an der Wirksamkeit dieser Rituale, aber an diesem Abend zeigten sie Erfolg. Ich landete in Goldlöckchens Bett und verbrachte eine lustige Nacht. Am nächsten Morgen brachte er mich nach Hause und verabschiedete sich mit einem nonchalanten „Man sieht sich.“ So ging das ja nun gar nicht. Ich sehe mich selbst ungern als einmaligen Ausrutsch. Fazit: ich musste etwas unternehmen, um das Huren-Maria-Syndrom zu umgehen. Also das ganze umdrehen. Ein paar Tage später hörte ich, dass er mit einer dicken Erkältung bei der Arbeit sass. Also schickte ich ihm ein Care-Paket, mit den üblichen Wehwehchen-Heilern, einem Roman, Tempos und einer Tupperdose selbstgemachter Hühnersuppe. Einen solchen Überschwang „mütterlicher“ Zuwendung konnte er nicht ignorieren und so wurde ich mit einer Einladung zu einem Kochabend bei seinen Freunden belohnt. Der Abend war wirklich schön: gemeinsames Kartoffelschnippeln kombiniert mit vorsichtigem umeinander-herumschwarwenzeln endete in wildem Geknutsche zwischen schmutzigem Geschirr. Da er zuviel Wein getrunken hatte, wollte er nicht mehr mit dem Auto (mit dem wir gemeinsam hingefahren sind) zurück. Da ich aber keine Lust hatte, ein halbes Vermögen für eine Taxifahrt (seine Freunde wohnten in einem Vorort) auszugeben, bot ich an, sein Auto zu fahren. Bei dem Gefährt handelte es sich um einen älteren, tiefergelegten BMW. (Spätestens das hätte mir eine Warnung sein sollen.) Als wir in seine Straße einbogen, warnte er mich vor den Hubbeln, die man in verkehrsberuhigten Straßen üblicherweise findet. Er hatte sich erst neulich an einem solchen Hubbel die Ölwanne aufgerissen und wollte das nicht so schnell wieder riskieren. Es folgte ein Kichern von meiner Seite (jaja, bin ja nicht blöd... – außerdem fuhr ich auch nicht schneller als 30 km/h) und ein riesiger Rums. Der kam irgendwie vom Auto. Begleitet wurde der Rums von einem bestialischen Ölgestank.
Oh.
Ich parkte am Seitenrand (praktischerweise direkt vor seiner Haustür) und warf ein Blick auf die Straße. Zwanzig Meter Ölspur.
Oh oh.
Dann sah ich in sein Gesicht. Tränen standen in seinen Augen. Mit brüchiger Stimme stammelte er irgendetwas von „so teuer / was soll ich jetzt machen / nicht schon wieder / ich weiss gar nicht, wie ich das bezahlen soll / ...“ Ich nahm ihn in den Arm und versprach, dass ich mich um alles kümmern würde. Ich würde die Reparatur bezahlen und den Abschleppdienst und die Feuerwehr rufen. Das tat ich dann auch. Es klappte alles wie am Schnürchen. Der ADAC war innerhalb kürzester Zeit da. Fast zur gleichen Zeit traf die Feuerwehr ein, mit denen ich die Formalitäten regelte. In den drei Tagen, die sein Auto in der Werkstatt stand, lieh ich ihm meinen Wagen, damit er nicht mit der Straßenbahn zur Arbeit fahren musste. Ich habe noch lange an diese aufregende Nacht zurückgedacht. Nicht zuletzt wurden meine Erinnerungen auch wegen der mit einem Haarteppich überzogenen Sitze meines Autos, die sein Hund freundlicherweise großzügig hinterlassen hatte, lebendig gehalten.
Der erste Kostenvoranschlag der Werkstatt belief sich auf EINTAUSEND Euro. Schluck. Mal abgesehen davon, dass ich prinzipiell ein Minus vor meinem Kontostand habe, wollte ich in bälde in den Urlaub fahren. Tja. Sollte wohl nicht sein.
Zum Glück war es dann doch nur die kleine Ölwanne: DREIHUNDERT Euro. Naja, zu diesem Zeitpunkt war ich nur glücklich, dass es sooo viel weniger war, als erwartet.

Das nächste Malheur folgte nach ein paar Wochen. Wir hatten es uns bei Kerzenschein mit einer Flasche Wein auf seiner Matratze, die das Bett darstellen sollte bequem gemacht und taten Dinge, die man üblicherweise zu zweit auf Matratzen tut, wenn man nicht gerade schläft. Im Eifer des Gefechts, während eines improvisierten Stellungswechsels passierte es dann. Mein Fuss stiess gegen die offene, auf dem Fussboden stehende Weinflasche. Die fiel und traf sein Handy. Selbiges war kurz zusammengefasst: im Arsch. Nix ging mehr. Wieder schaute ich in ein Paar von Trauer umhüllte Augen. Um einem erneuten Zusammenbruch vorzubeugen, bot ich daher schnell an, mich auch darum zu kümmern. Zu diesem Zeitpunkt, glaubte ich noch, dass ich als Firmenhandybesitzer und somit herausragend umsatzstarker Kunde eines bestimmten Mobilfunkanbieters, sicherlich problemlos an ein neues Handy kommen würde. Dem war nicht so. Aber versprochen ist versprochen. Ich kaufte ihm über Ebay ein neues Handy: EINHUNDERT Euro. Auch wenn sich inzwischen eine kleine Stimme in meinem Kopf bemerkbar machte, die mir sagte: DU hast das Handy nicht neben das Bett gelegt, DU hast die offene Weinflasche nicht dorthin gestellt, DU hast auch nicht allein auf seiner Matratze gelegen und aus Spaß mit den Beinen gestrampelt.

Es mag sein, dass ich ab und zu ein wenig zur Tolpatschigkeit tendiere. Auch bin ich so erzogen worden, dass ich für meine Fehler Verantwortung übernehme. Aber man kann doch von männlicher Seite auch ein wenig Großzügigkeit oder ein Angebot zum Teilen der Kosten erwarten, oder?

Ein paar Wochen später rief er mich in der Firma an, weil ich seine Bitten um Rückruf ignorierte. Er wollte wissen, was er mit der Rechnung von der Feuerwehr für die Beseitigung der Ölspur machen sollte. EINHUNDERT Euro. Ich schickte ein zickiges „ja was glaubst Du wohl“ durch den Hörer und wir „einigten“ uns schließlich auf Hälfte / Hälfte.

Seitdem haben wir uns nicht mehr getroffen. Ab und an beschwert er sich per SMS oder auf meiner Mailbox darüber. Vermutlich braucht er einen neuen Fernsehr. Aber ehrlich gesagt war mir der Goldjunge einfach zu teuer geworden.

P.S.: Ich habe übrigens kurz danach endlich eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Man weiss ja nie...

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