Cassandras Kopfkino
Samstag, 30. Oktober 2004
EIN JAHR
cassandra, Samstag, 30. Oktober 2004, 02:13
Filed under: Kopfkram
365 Tage ist es her, dass wir uns geküsst haben. Zum ersten Mal. Ich habe mal irgendwann etwas über diesen ersten Abend geschrieben. Nur für mich. Damit ich die Gedanken und Gefühle, die ich damals hatte, nicht vergesse. Ich habe gerade noch einmal nachgelesen.
„Bei ihm handelte es sich um den Klassiker: eine stets schlecht gelaunte, mit (zum Teil verletzenden) Machosprüchen hausierende, auf seine Männlichkeit bedachte Karrikatur eines Mannes. Arschlöcher ziehen halt an. Vermutlich ist es der Glaube an Substanz und Sensibilität hinter der Fassade, die ausgerechnet ich zum Einstürzen bringen kann. Vielleicht ist es aber auch ein tief verwurzelter Mangel an Selbstwertgefühl, der mich in die Arme von Männern treibt, die mich (verdienterweise) schlecht behandeln. Womöglich ist es aber auch die Angst vor einer festen Bindung, die mich Männer wählen lässt, mit denen eine Beziehung von vornherein ausgeschlossen ist. Die Hobbypsychologie lässt grüßen. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich wahrscheinlich nur Sex.“
Niedlich.
Auch „...ich fühlte mich ein wenig überfordert mit dieser Situation. Was war das eigentlich? Ein One Night Stand, der auf Grund von Unpässlichkeit zwecks Wiederherstellung des männlichen Egos wiederholt werden musste? Dafür wirkte er jedoch zu verliebt. Ich glaube, mir wurde an diesem Abend klar, dass sich mehr aus dieser Geschichte entwickeln könnte. Meine Gefühle in Bezug darauf waren mir jedoch vollkommen unklar. Erstmals habe ich mir jedoch nicht meinen Kopf darüber zerbrochen, was wie wann und wo passieren könnte, sondern mich einer Art Laissez-faire-Einstellung hingegeben. Ich wollte mich nicht schon wieder in ein Gefühlschaos verrennen, welches letzten Endes wieder dazu führen würde, dass ich verletzt werde.“
Ich wusste wochenlang nicht, was ich eigentlich wollte. Es fühlte sich gut an. Ich war glücklich. Ich lief den ganzen Tag mit einem eintätowierten Lächeln herum. Aber ich hatte auch Angst und es gab jemand anderen, von dem ich nicht wusste, was er mir noch bedeutete. Erst als ich ihn wieder sah, wusste ich, dass ich Dich wollte. Ich bin morgens um halb zwei ins Auto gestiegen, um 500 km zu fahren, um in Deinen Armen aufzuwachen. Da war es aber schon zu spät. 42 Stunden später hast Du alles beendet. Der Witz daran war, dass es noch nicht einmal an meiner Unschlüssigkeit lag. Die hast Du nie bemerkt. Du hast mich angelogen. Du wolltest nicht allein sein, wolltest die Frau vergessen, die Du eigentlich liebst. Du hast mich durch Dein Verhalten an den Punkt gebracht, an dem ich meine Angst vergessen habe.
Es war so unermesslich dumm von mir, dass ich danach nicht aufgegeben habe. Ich bin so ein unglaublich blöder Dickkopf, der nicht loslassen kann. Der blind weiter kämpft. Verletz mich, tu’ mir weh, ignorier mich, lass’ meine Hoffnungen und Erwartungen unerfüllt, wenn ich nur ab und zu neben Dir einschlafen kann. Ich hasse es, so schwach zu sein.
Ich wusste, dass Du keine Beziehung mit mir wolltest. Ich hätte mich sogar auf diesen ganzen unverbindlichen Quatsch eingelassen. Wenn Du für mich nur ab und an Du gewesen wärst. Mich an Dir hättest teilhaben lassen.
Es war eine gute Entscheidung, dass ich vor ein paar Wochen alles hinter mir gelassen habe. Rational, mutig und konsequent. Auch wenn mein Bauch mich dafür hasst. Er hatte nämlich immer das Gefühl, dass Du mich auf irgendeine verkorkste Art liebst. Ich weiß, dass war dumm, aber ich war mir so sicher, dass das alles richtig ist und das Du das auch irgendwann kapieren würdest. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so gut zu mir passte. Das klingt hohl und melodramatisch und ich kann es nicht in Worte fassen, aber er (der Bauch) hat mir immer wieder versichert, dass Du der Mensch bist, der meine Unzulänglichkeiten verstehen, kompensieren und ausgleichen kann, ähnliche Interessen hat und bei nicht vorhandener Übereinstimmung meinen Blickwinkel erweitern kann. Man kann sich schon eine Menge einreden, wenn man auf seinen Bauch hört.
Verstehe mich bitte nicht falsch. Es geht mir sehr gut, ohne Dich. Manchmal vermisse ich Dich. Ich vermisse nicht die Gespräche mit Dir, denn in den letzten 365 Tagen haben wir nur selten wirklich gut miteinander geredet. Ich vermisse es, Dich zu sehen. Deine Augen, dein (seltenes) Lächeln. Ich vermisse es, Dich neben mir zu spüren. Deine Haut zu berühren, Deinen Mund zu küssen, von Deiner Körperwärme eingehüllt zu sein. Ich vermisse den Menschen, der mich meine Angst hat vergessen lassen. Ich habe ein Foto von Dir, das am Strand in Holland aufgenommen wurde. Dieses Bild ist wirklich einzigartig, weil ich diesen Gesichtsausdruck nie wieder bei Dir gesehen habe. Lächelnd, frei, glücklich, losgelöst von allem.
Ich vermisse diese Augenblicke, in denen Du albern sein konntest, nicht so viel nachgedacht und dich verschlossen hast.
Ich wünsche mir manchmal, Du wärst einfach nur da, ohne was zu sagen oder zu tun.
Aber auch diese Momente werden seltener und gehen vorbei. Die vielen kleinen Ablenkungen werden sie endgültig auslöschen.

Es ist mir egal, dass Du das jetzt hier liest. Ich mache jetzt eine Flasche Wein auf und trinke ein Glas auf ein verschenktes Jahr. Prost.

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